Staunkalender 2021

Der Staunkalender wird herausgegeben von der Aktion Gott.net. Jeder Text geht aus von einem Witz, der als Bild (Karikatur) dargestellt wird.

Januar
Der kleine Paul hat sich die Hand aufgerissen. Sein Vater tröstet ihn: „Der liebe Gott heilt das ganz schnell!“ Meint der Kleine: „Muss ich rauf, oder kommt er runter?“ Der kleine Paul hat ja so recht! Diese beiden Möglichkeiten kann er schon unterscheiden: „Muss ich rauf, oder kommt er runter?“
Die zweite ist Gottes Spezialität, christlich verstanden. Gott kommt runter! Dass wir „raufkönnen“, lehren so ziemlich alle Religionen. Raufkönnen durch Erleuchtung und Glauben, durch Gebet und Gutestun, schließlich durch den Tod, der das Tor zum Leben, das Tor „nach oben“ ist. Soweit ist es beim kleinen Paul mit der verletzten Hand Gottseidank noch nicht! Also bleibt: Gott kommt runter! Ist schon runtergekommen in Jesus Christus. Er „entäusserte sich, wurde wie ein Sklave und den Menschen gleich“, schreibt Paulus an die Philipper. Jesus sieht verletzte Hände und – mehr noch – verletzte Herzen aus der Nähe, und er setzt den eigenen Leib ein - Hände, Füße, Herz und alles Andere -, um das Verletzte zu heilen. Am Schluss gibt er den eigenen Leib ganz hin, am Kreuz. Und stiftet das „Feldlazarett Kirche“. Da kann Heilung heute weitergehen. Vielleicht auch einmal für Paul, wenn er sie wirklich braucht.
Februar
Eine Frau geht in einem Einkaufszentrum in ein Geschäft. Sie stellt sich an den Tresen und sagt: „Guten Tag, ich bräuchte bitte eine neue Brille!“ Darauf antwortet der Verkäufer: „Ja, das stimmt. Sie sind hier beim Bäcker!“ Vor ein paar Jahren hatte ich noch Brillengläser, dick wie Glasbausteine. Minus 12 Dioptrien! Ohne Brille war ich hilflos wie ein Kind, sah alles höchst verschwommen. Witze über Blind-Gänger fand ich damals gar nicht lustig.
Heutzutage, mit „runderneuerten Augen“, glaube ich klar zu sehen. Aber vielleicht irre ich mich ja. Wer weiß schon, wie die eigene „Brille“ getönt ist? Rosarot vielleicht? Immer alles eitel Sonnenschein und Harmonie? Oder schwarz? Schwarzseher haben ja heute Hochkonjunktur! Oder Spiegelwirkung in den Gläsern, mit dauerndem Selfiebild - immer hat man sich selbst im Blick? Wir hängen drin in unseren Sehgewohnheiten und sehen oft nur, was wir sehen wollen.
Aber manchmal fällt es einem wie Schuppen von den Augen. Zum Beispiel den Jüngern auf dem Weg nach Emmaus. Sie sahen – und glaubten. Ungefiltert sahen sie: den, der unsere Blindheit und unsere vielen blinden Flecke heilen kann. Wenn wir sehen wollen, wie er gesehen hat.
März
Ein Ehepaar auf dem Sofa vor dem Fernseher. Er: „Hast du was gesagt?“ Sie: „Nein, das war gestern!“ Bei uns in Westfalen gab es vier Männer, die gemeinsam angelten. Der Vierte brachte einmal einen Fünften mit, der sich gelegentlich räusperte oder ein Ah! von sich gab. Sagten die anderen zum vierten: „Bewahre uns vor diesem Schwätzer!“ Ein schönes altmodisches Wort bezeichnet diese Haltung als „wortkarg“. Es ist eine ganz eigene Form von Sparsamkeit.
Manchmal weiß ich die westfälische Wortkargheit richtig zu schätzen. Da, wo hemmungslos gequatscht, geplappert, dummes Zeug verzapft, gelästert und gemeckert wird. Also ziemlich oft! Angesichts dieses Wortdurchfalls entpuppt sich der Wortkarge als ein wahrer Menschenfreund.
Aber an „guten Worten“ sollte er nicht geizen: Worten, die aufrichten, ermutigen, ernst nehmen, anerkennen, loben. Die dem anderen helfen, etwas froher und glücklicher durch den Tag zu gehen.
Und das Beten? „Wenn ihr betet, dann sollt ihr nicht plappern wie die Heiden,“ sagt Jesus. Das Vaterunser kommt mit ziemlich wenigen Worten aus. Das Wortkarge ist Jesus nicht fremd. Vor allem der Sinn für das Unaussprechliche, für das Geheimnis Gottes. Für Stille und Schweigen und Ehrfurcht. Menschen, die im Glauben „stottern“, sind ihm vielleicht näher als die allzu Glattzüngigen.
April
„Karfreitag? Was war da los?“ „Na, da ist doch Jesus gestorben!“ „Ach. Wie ärgerlich – so kurz vor Ostern!“ Ah, der April. Der macht, was er will. Regen oder noch Schnee! Aber immerhin: Osterferien! Könnte dieses Jahr wieder reichen für Norderney oder Rügen. Da hat man was davon, vom April, von den Feiertagen. Von Karfreitag und Ostern - auch wenn es vielen nicht klar ist: Was war da noch mal?
Da hat man was davon. Ein paar freie Tage, Freizeit, einen Hauch von Freiheit! Länger schlafen, später aufstehen. Mal raus aus der Tretmühle von Arbeit und Alltag. Mal raus!
War's das? Gibt’s noch mehr als nur einen Hauch von Freiheit? Mehr als nur „später aufstehen“? Ja, sagen die Christen, die Ostern feiern. Nicht „mal raus“, sondern für immer und ewig raus aus der Tretmühle! Auf – erstehen! Ostern, so sagen sie weiter, ist der Aufstand Gottes gegen den Tod. Und gegen alles, was wie schwere Steine auf das Leben der Menschen drückt: Hass, Verachtung, Einsamkeit, und tausend Steine mehr.
Ostern feiern – das ist, sich dem Aufstand Gottes anschließen. Und mit einer ganz großen Hoffnung leben, über die Ferien und Feiertage hinaus.
Mai
Der Richter: „Herr Verteidiger, haben Sie noch etwas zugunsten des Angeklagten vorzubringen?“ „Ja, Euer Ehren. Mein Mandant ist so schwerhörig, dass er auch nicht die Stimme seines Gewissens hören kann.“ Bauarbeiten am Haus, schon in der zweiten Woche. Die Balkone werden repariert. Ohrenbetäubend bohrt der Bohrer, stundenlang. Ich hadere am Schreibtisch, sitze an diesem Text über das Gewissen. Ohropax, dieser kleine Schalldämpfer, hilft kaum.
Und dann der Gedanke: So bohrt das Gewissen. Bohrt sich in die Trägheit des Herzens. Sagt z.B.: Lass den kranken Bruder nicht im Stich; besuche ihn noch in dieser Woche. Oder: Füll endlich die Zahlkarte aus, für die Corona-Opfer in Indien. Oder: Mäßige deinen Ärger über diese lärmenden Handwerker, die tun ja nur ihre Pflicht.
So bohrt das Gewissen. Manchmal ohrenbetäubend, in den großen Fällen. Aber meistens durch Schalldämpfer gebremst. Heruntergedimmt. Ja, aber ... Und das „Aber“ wird immer größer. Machen doch alle. Oder: Macht doch keiner mehr. Oder: Warum immer ich?
Unser Gewissen ist geprägt und geformt – durch vielerlei, durch Erziehung, auch durch den Glauben. Der versteht Gewissen als eine Stimme Gottes in mir, die leise in mein Herz bohrt. Aber im Lärm der Welt können wir sie leicht überhören. Das Laute schlägt das Leise. Aber im Leisen liegt das, was uns gut tut.
Juni
„Mein Mann ist ein Engel!“ Da hast du aber Glück! Meiner lebt noch!“ Mein lieber Mann, ich habe übertrieben. Nein, du bist kein Engel. Ich will dich nicht „mit fremden Federn“ schmücken. Flügel hast du nicht, um mit Leichtigkeit über das Leben zu schweben. Dein Gang ist schwer. Aber du bist immer auf die Menschen zugegangen. Am meisten auf mich! Deine Hände leiden an Arthrose. Aber du hast mich auf Händen getragen! Dein Herz lag kürzlich bei deiner Operation offen; für mich ist es immer auf. Nein, du bist kein Engel. Die weiße Makellosigkeit der Engel passt nicht zu dir – zu deiner Bockigkeit, zu deiner Ungeduld. Aber als Mensch – mit allen Deinen Stärken und Schwächen - bist du mir gerade recht! Es reicht, Mensch zu sein; das ist genug an Gütesiegel.
Du ein Engel? Doch, manchmal irgendwie schon. Eine Schutzmacht im Hintergrund. Ein Bote Gottes, der die Liebe bringt. Der eine Ahnung von Gott gibt. Und wo das war – in unseren schönsten Stunden-, da waren Diesseits und Jenseits fast eins.
Juli
Ein Zeitungsreporter fragt den Schäfer: „Hat es irgendwelche Auswirkungen auf Sie, dass Sie seit 30 Jahren Schäfer sind?“ „Nähähähä!“ Mäh und Näh: sie sind sich in 30 Jahren vertraut geworden – die Herde und der Hirte. Sprachlich liegen sie so nah beieinander! Ich muss an Papst Franziskus denken, den Mann aus dem Volk, aus Argentinien: Immer wieder neu mahnt er die Hirten der Kirchen, „nach der Herde zu riechen“ (und die duftet in der Regel nicht nach Parfüm!). 500 Jahre vor ihm hat Martin Luther „dem Volk aufs Maul geschaut“ und so gut hingeguckt, dass die wohl lebendigste Bibelübersetzung dabei herauskam. Jesus hätte sicher seine Freude daran – er, der in seinen Gleichnissen vom Unkraut oder von der Ernte oder von verlorenen Münzen erzählte. Er sprach den Alltag an und die einfachen Leute. Fachchinesisch überließ er anderen.
Dem Volk sollte man nicht bloß „aufs Maul“, sondern „ins Herz“ schauen: Es geht nicht nur um Sprache, sondern ums Leben. Was ein Volk bewegt an Sorgen und Nöten, bewegt auch die Christen und die Kirchen. Hoffentlich! Sie kreisen nicht um sich selbst. Sie sind nicht Selbstzweck, sondern „Salz in der Suppe“. Hoffentlich.
August
Sagt der Student zum Professor: „Ihre Frage ist so gut, dass ich sie nicht durch meine Antwort verderben möchte!“ Kinder fragen. Fragen Löcher in den Bauch. Alles ist fragwürdig: Warum ist die Banane krumm? Die Kinder kriegen dann oft zu hören: Sei still, du nervst.
Erwachsene gefallen sich dagegen in Antworten. Erklären die Welt. Nehmen die Frage nur wie ein Stichwort, um loszulegen. Toll, was der/die alles draufhat! Das Prinzip der Talkshows.
Hier, in unserem Witz, wird der Frage ein Denkmal gebaut – aus einfachem Grund: Der Student weiß keine Antwort… Aber eine gute Idee: einmal die Frage zu ehren! Wir sollten Fragen länger aushalten. Wir sollten die lebenswichtigen Fragen stellen. Wir sollten nicht aufhören zu fragen. Und mit Antworten nicht so umgehen, dass „auf jeden Pott ein Deckel passt“. Besonders nicht bei den existentiellen Fragen, den ersten und den letzten. Und nicht in der Religion. Da sind die Antworten oft allzu erwartbar und frei an Überraschungen. Man weiß schon immer, was kommt! Die Antwort auf alles ist der Herr. „Ich habe keine Antwort“ beeindruckt mich häufig mehr als die vorschnelle Allerweltsantwort „Gott“. Gott „steckt auch in der Frage“ – nicht erst in der Antwort.…
September
Der Arzt fragt: „Und wie funktioniert das neue Hörgerät?“ „Sehr gut! Ich habe schon zweimal mein Testament geändert!“ „Effata“, sagt Jesus zum Taubstummen. Öffne dich, tu dich auf. Wenn es sein muss, auch mit einem Hörgerät. Tu dich auf, höre, höre zu.
Sehr schön wird das erzählt in dem Buch Momo. Die kleine Momo ist Weltmeisterin im Zuhören. Sie sitzt da und hört einfach zu, mit aller Aufmerksamkeit. Mit großen Ohren, großen Augen - und großem Herzen. Sie kann so zuhören, dass Schüchterne sich plötzlich frei und mutig fühlen. Oder Unglückliche und Bedrückte zuversichtlich und froh werden. Oder ein Mensch mit Minderwertigkeitsschüben bei ihr spürt, dass es ihn, so wie er ist, unter allen Menschen nur ein einziges Mal gibt und er deshalb auf seine besondere Weise für die Welt wichtig ist.
Das ist die Kraft des Zuhörens und des Rufes „Effata“: Nicht nur ich selber komme zu einer besseren Kenntnis der Welt (etwa – wie im Witz - der Haltung meiner Erben!), sondern die anderen, denen ich wie Momo, wie Jesus zuhöre, kommen zu sich selbst; ihre besten Möglichkeiten werden ermutigt und freigelegt.
Möge das neue Hörgerät nicht nur zur Änderung des Testaments führen, sondern zur Änderung meiner selbst,
Oktober
„Betet ihr vor dem Essen?“ „Nö. Meine Mutter kocht richtig gut!“ Komm Herr Jesus, sei unser Gast – dann siehst du, was man uns bescheret hat. Nein, so nicht, hier waltet eine tüchtige Köchin. Also: Tischgebet kann ausfallen?
Bewahrung vor Schlimmem ist weiß Gott nicht der einzige Inhalt des Betens. Versalzene Suppe, zu zähes Fleisch – der Herr kennt größere Sorgen! Vielleicht sollte man ihn aber nicht nur ständig auf dem Notfunk anrufen? Versuchen wir es mit dem Danken!
Dank für den Appetit, ja den Hunger.
Dank, wenn man nicht übersättigt ist.
Dank für die reiche Phantasie in der Schöpfung, Menschen zu ernähren.
Dank für die unglaubliche Vielfalt, für mehr als tausend verschiedene Käsesorten.
Dank für Omas bewährten Rezepte, für Erbsensuppe und Sauerbraten.
Dank für die Neuankömmlinge auf den Tellern, für Sushi, Couscous und Paella.
Dank für die gute alte Kartoffel und alles, was bescheiden am Wegesrand wächst – selbst die Brennnesseln sind essbar!
Dank für ein kühles Bierchen und die dampfende Tasse Kaffee.
Dank für die bedenkenswerten Stoppschilder der Vegetarier und Veganer.
Dank für die Fähigkeit, genießen zu können!
Dank also in die Küche – und Dank an Gott, für dieses Fest- das großartige Gemeinschaftswerk eines guten Essens.
November
Der Sohn beobachtet kritisch die brennende Kerze. „Komisch, die Kerze wird immer kleiner!“ Die Mutter: „Ja und?“ „Na, auf der Packung stand aber: ‘Wachskerzen‘!“ Die eigentümliche Mathematik Gottes: Minus minus minus - wird Plus.
Du gibst und gibst und gibst – und wirst reich! Nicht reich an Euro, sondern reich im Inneren. Reich durch einen „Schatz im Himmel“. Wie das Mädchen im Märchen von den Sterntalern. Es gibt und gibt und gibt, gibt selbstlos das letzte Hemd weg – „und wie es da stand und gar nichts mehr hatte, da fielen auf einmal die Sterne vom Himmel, und es war reich für sein Lebtag.“ Nur ein schönes Märchen? Nein, Wirklichkeit. Nicht unbedingt bei uns; wir könnten uns überfordert fühlen. Aber gewiss bei Gott. Auf jeden Fall im Leben von Jesus. Aus Liebe gibt er alles hin, selbst sein Leben. Er behält nichts für sich zurück. Und so, ganz entleert, ganz ausgezogen, wird er beschenkt mit dem Himmel, dem österlichen ewigen Leben.
Mathematik Gottes: „Liebe ist das Einzige, was sich verdoppelt, wenn man es teilt“, sagt Albert Schweitzer, der berühmte Urwalddoktor.
Jede Kerze steht dafür ein. Die „Berufung“ einer Kerze ist nicht, für sich im Schrank zu liegen, sondern zu brennen, zu leuchten, Licht zu geben in der Dunkelheit. Sie schont sich nicht, sie löst sich auf. So „wächst“ sie in ihren Sinn hinein. Eben: „Wachskerze“!
Dezember
Fragt eine Gans die andere: „Sag mal, glaubst du an ein Leben nach Weihnachten?“ Weihnachten: Die Leute gucken in den Lichterbaum, und die Gänse gucken in die Röhre - die Bratröhre. Die Leute feiern einen Geburtstag; den Gänsen droht der Todestag. Somit ist der Zugang zu Weihnachten für Mensch und Gans ziemlich unterschiedlich…
Ob die Tiere in den Himmel kommen? Die Theologen sind sich da nicht einig. Früher hat man darüber kaum nachgedacht. Da gab es auch noch keine Veganer! Heute werden die Tiere mehr und mehr als „Verbündete“ gesehen: sie wollen leben, wie wir. Und sind uns dadurch näher als das Werk unserer Hände, Maschinen, Automaten und Roboter. So manchem Haustier werden viele Tränen nachgeweint. Einem Computer geschieht das eher selten…
Ochs und Esel an der Krippe: Die Tiere haben ihre Vertreter im Stall von Bethlehem. Sie sind dabei, als der Erlöser das Licht der Welt erblickt. Das Licht einer Schöpfung, die noch – wie in Geburtswehen - der Erlösung entgegenseufzt (laut Paulus). Einer Erlösung nicht nur für Christen, sondern für den ganzen Kosmos! Also auch für Gänse und Schafe, für Ochs und Esel. Dann, sagt Jesaja voraus, „legt der Panther zum Böcklein sich nieder, gemeinsam lagern der Wolf und das Lamm.“ Ein großer Friede in einer erlösten Welt, im „Leben nach Weihnachten“.