Staunkalender 2021

Der Staunkalender wird herausgegeben von der Aktion Gott.net. Jeder Text geht aus von einem Witz, der als Bild (Karikatur) dargestellt wird.

Januar
„Deine neue Arbeitsstelle ist wie im Paradies?“ „Ja! Ich kann da jederzeit rausgeworfen werden!“ Das Paradies – nirgendwo ist es zu haben. Laut Bibel liegt er immer hinter uns (am Anfang der Zeiten) oder vor uns (am Ende der Tage). Die Gegenwart ist nicht paradiesisch – trotz Urlaubs- und Einkaufsparadiesen. Aber die betreiben Etikettenschwindel; man wirbt mit einem Wort, das einige Nummern zu groß für sie ist! Und es ist kein Dauerzustand.
Paradies in der Bibel heißt: heile Welt. Am Anfang steht das Bild eines Gartens, am Ende das einer Stadt, des himmlischen Jerusalem. Orte, Zustände, in denen alles „im Reinen ist“: der Schöpfer mit der Schöpfung, und die Geschöpfe untereinander. Eine Welt, wie Gott sie sich gedacht hat! Aber dann tritt die Störung ein, die unsere Welt kennzeichnet. Adam, der Mensch schlechthin, ist frei, wird erwachsen, schuldig und verantwortlich. Das Böse zieht ihn an. Das Paradies geht verloren, Adam und Eva werden hinausgeworfen und erleben nun die Welt zwiespältig: in ihrer Schönheit, aber auch in ihrer Härte und in ihrer Mühsal.
Manchmal aber leuchtet das Paradies wieder auf: zum Beispiel in den Augen eines Kindes. Und immer wieder in dem, der die heile Welt mit Haut und Haar verkörpert und darum auch „Heiland“ genannt wird.
So übe man sich in die lange Weile ein. Ist doch jeden Tag ein anderes Datum! Um das aufzunehmen, was uns Gott für heute mit auf den Weg geben will.
Februar
„Und Sie meinen, Demut sei Ihre Stärke?“ „Ja! Da macht mir keiner was vor!“ Demut ist bei uns nicht gerade ein Spitzenwert. Äußerst altmodisch, dieses Wort! Aber was stellt man sich auch darunter vor: unterwürfig sein. Alles schlucken, immer stillhalten. Den untersten Weg gehen, geduckt wie ein geprügelter Hund. Mauerblümchenexistenz.
Nein, das ist nicht Demut. Darf ich mit ein wenig Latein kommen? Humilis heißt da „demütig“. Das Hum darin (auch im Hum-or oder im Hum-anen enthalten) ist derselbe S tamm wie Hum-us, die Erde, der Boden. Ich übersetze von daher Demut mal so: Wissen, worauf man steht. Wissen, woraus man gemacht ist. Wissen, wer man ist. Ganz realistisch sich sehen können – als Geschöpf Gottes, als einer unter vielen, die diese Erde bevölkern. Wie Adam, aus Erde gemacht, aus Ackerboden. Teil der Natur und eines größeren Ganzen. Mensch sein, nicht mehr (keiner muss den lieben Gott spielen!) und nicht weniger (keiner soll eine Bestie sein!).
Also: Wenn du demütig sein willst, dann schätze dich durchaus. Aber überschätze dich nicht. Vergöttere dich nicht. Sei einfach – Mensch.
März
„Lisa,“ fragt die Lehrerin, „weshalb nennen wir unsere Sprache denn Muttersprache?“ „Weil Papa nie zu Wort kommt?“ Ja, voll das Klischee getroffen: Männer kriegen den Mund nicht auf, Frauen den Mund nicht zu. Frauen telefonieren stunden-, Männer sekundenlang. Der Punkt „Sprache“ geht an die Frauen.
Aber liegen Männer und Frauen, Väter und Mütter wirklich so weit auseinander? Viele junge Väter stehen den Müttern an Fürsorge und Zärtlichkeit nicht nach. Sie tun, was lange allein die Domäne der Mütter war - inklusive Windeln wechseln und ihre Kleinen stundenlang auf dem Arm tragen. Nur das Gebären und Stillen ist eindeutig Sache der Mütter!
So ist es gar nicht einfach, die Welten der Mütter und der Väter zu unterscheiden und deutlich auseinanderzuhalten. Muss man ja auch gar nicht! Hauptsache: Sie „ziehen am selben Strang“ – der Liebe zu den Kindern. Väterlichmütterlich.
Gott, der himmlische Vater wird das mit Freude sehen. Immerhin hat ein Papst vorgeschlagen, Gott als „Vater und Mutter zugleich“ anzusprechen. Er schaut uns an mit dem Blick der Liebe – väterlich, mütterlich.
April
Pfarrer im Kindergarten: „Weißt du denn auch, wer ich bin, Julia?“ „Ja, der Nachrichtensprecher in der Kirche!“ Wohl alle kennen Gundula Gause oder Ingo Zamperoni von den Nachrichten im Fernsehen. Sie lesen abends vor, was man ihnen vorgelegt hat: Fakten, nicht Meinungen. Viele schlechte Nachrichten – die in der Medienwelt ja als „good news“ (gute Nachrichten) gelten. Auch bei den echten „Knallern“ und dem größten Nonsens verziehen sie keine Miene. So kennt und schätzt man sie: sonore Stimme, sachliche Ausstrahlung, gleichbleibender Gesichtsausdruck.
Und die, die das Evangelium, die Osterbotschaft verkünden? Da muss man das Herzblut spüren können! Auch wenn die Stimme vielleicht stottert und stammelt und man im Rhetorikkurs schlechte Noten kriegt – auf die innere Überzeugung kommt es an, auf den Glauben. Glauben, dass das Evangelium wirklich „gute Nachricht“ ist, ja die beste von allen! Ein Wort der Hoffnung und des Lebenssinns, angeboten auf dem Marktplatz, wo ansonsten die Meinungen, die fake-news, das leere Geschwätz zirkulieren. Ein Schatz im gedroschenen Stroh der vielen Worte.
Ein Schatz! Denn es geht um das Wort, das Gott in die Welt hineinspricht – am deutlichsten zu Ostern. Gute Nachricht fürwahr: Der Tod hat nicht das letzte Wort!
Mai
„Papa, wieviel bin ich dir eigentlich wert?“ „Mindestens eine Million, Jonas!“ „Super!!! Kann ich dann schon mal zehn Euro Vorschuss haben?“ Eine Million? So ein knauseriger Vater! Bewertet seinen Sohn vergleichbar mit dem Preis eines Hauses. Jonas, lass dich damit nicht abspeisen. Du bist unbezahlbar! Und wenn du einen Vorschuss darauf willst, lass dich nicht in Euro auszahlen, sondern in Wertschätzung und Zuneigung.
Vielleicht ist Jonas ja getauft. In der katholischen Tauffeier wird der Täufling mit Chrisam gesalbt. So ähnlich wie Könige in der Geschichte, wie Träger eines hohen Amtes. Wenn so ein kleines Menschlein gesalbt wird, noch bevor es Piep sagen kann, heißt das: Du bist mehr wert als alle Schätze der Welt. Von Anfang an. Ohne Bedingungen. Egal, wie reich du bist, wie schlau, wie schön. Egal, in welche Schubladen die Welt dich packt. Egal, ob schwarz oder weiß, christlich oder muslimisch, gesund oder behindert. Alle unsere Einteilungen sind zweitrangig. Entscheidend: Dass Du Mensch bist. Kind Gottes. Ja, wirklich unbezahlbar! Ja, wirklich, das größte Geschenk!
Wie menschlich, das manchmal einem anderen zu zeigen.
Juni
„Mein ganzer Reichtum ist mein Verstand!“ „Na ja. Armut ist ja heutzutage keine Schande mehr!“ Einbildung ist auch eine Bildung. Aber keine, die man empfehlen möchte. Illusionen fühlen sich zwar gut an und verschönern das Bild, das man von sich selber hat. Aber insgeheim bleibt einem, tief drinnen, der Zweifel, dass man nicht so toll ist, wie man glaubt. Und man lebt auf schwankendem Boden.
„Armut ist keine Schande mehr.“ Schön wär's! Viele Arme fühlen sich in unserem Land ausgegrenzt. Kein Auto, keine Reisen, kein Restaurant, keine Bücher. Und oft keiner, der einem zuhört, der einen ernst nimmt. Arme leben in der Defensive, neigen zum Versteckspiel: Hoffentlich falle ich nicht auf! Auch hier ein Boden, der schwankt.
Da überrascht es doch sehr, dass Jesus die Armen selig spricht! Ihnen vor allem, den Armen und Kranken und Zukurzgekommenen seines Volkes, gilt seine Zuwendung, gilt sein Evangelium. Jesus holt sie aus ihren inneren Verstecken heraus und stellt sie in den Mittelpunkt – genau so wie die Kinder. Denn sie alle pochen nicht auf ihre Leistung und Verdienste. Wie Bettler halten sie ihre Hände auf, ganz eingestellt auf Empfang. Und das bringt sie auf sicheren Boden.
Juli
Die Mutter seufzt: „Was soll ich bloß zu deinem miserablen Zeugnis sagen?“ „Das, was du sonst auch immer sagst: Hauptsache, man ist gesund!“ Kluges Kind – macht sich das Lieblingswort der Mutter zunutze: Hauptsache gesund.
Recht hat die Mutter ja. Wenn man das Wort „Gesundheit“ nicht zu eng sieht. Also nicht nur: kein Husten und Schnupfen, keine Bauch- oder Zahnschmerzen, keine gebrochenen Knochen. Mitdenken müsste man auch: Zufriedenheit, genug emotionale Wärme, Vertrauen, Geborgenheit. Zudem hin und wieder eine Prise Erfolg (da könnte man, ähnlich wie auf den Zigarettenschachteln, hinzufügen: Ein miserables Zeugnis gefährdet die Gesundheit!)
Ich erinnere mich oft an einen kleinen Text von Lothar Zenetti: „Ich traf einen jungen Mann, Sportwagen, sonnengebräunt, und fragte ihn, wie es ihm gehe. Mist, alles Mist, schimpfte er. – Danach sah ich eine alte Frau, rheumakrank, im Rollstuhl. Beklommen fragte ich auch sie: Wie geht's? Gut, antwortete sie, es geht mir gut!
Da sieht man mal wieder, dachte ich bei mir, immer hat man mit den falschen Leuten Mitleid!“
August
Pfarrer: „Weißt du eigentlich, was mit Jungs passiert, die sonntags statt in der Kirche auf dem Fußballplatz sind?“ „Klar! Wenn sie groß sind, werden sie Profis und verdienen Millionen!“ Herr Pfarrer, was passiert wohl mit den fußballbegeisterten Jungs? Kommen sie ins Kinderheim oder in die Hölle?
Drohen nützt nichts. Hat niemals genutzt! Die Hölle ist kein gutes Motiv, um gläubig zu werden. Die Angst vor dem strafenden Gott hat merkwürdige Christen hervorgebracht. So kommt man nicht zum Glauben.
Es ist gut, wenn die Jungs auf dem Kirchplatz Fußball spielen. Sieh die Begeisterung beim Spiel. Sieh den Mannschaftsgeist! Toll, wenn deine Gemeinde das auch zustande bringt: Teamgeist, Gemeinschaft, Freude an Gott. Da kann der Glaube wachsen – auf dem Spielfeld der Nähe, der Freude und Gemeinschaft, nicht auf dem Spielfeld der Angst oder bloßen Pflicht. Die Zeiten sind vorbei.
Wenn die Jungs das in der Gemeinde – und auch bei dir – erfahren können, finden sie vielleicht Zugang zum Glauben und zur Kirche. Kirche ist für fast alle heute nicht der Ausgangspunkt des Weges, sondern – wenn es gut geht – ein Zielpunkt.
Und vielleicht bekommen die Fußballjungs, als zukünftige Millionäre, dann auch Ideen, was sie mit dem Geld alles anstellen können. Um Armen zu helfen und das Gute zu fördern.
September
Treffen sich zwei Regisseure. „Hallo, Herr Kollege! Habe Ihren Film gesehen!“ „Meinen letzten?“ „Ich hoffe...“ Boshaftigkeit unter Kollegen: Hoffentlich ist das sein allerletzter Film! Unter denen, die in derselben Sparte arbeiten, herrscht oft der blanke Neid. Konkurrenz soll zwar das Geschäft beleben, aber meist verdüstert es die Stimmung.
Zwei Tätigkeiten tragen zur schlechten Stimmung bei. Einmal das Bewerten. Alles wird beurteilt und mit Noten und Rankings versehen. Der Daumen geht rauf oder runter. Man spielt offensichtlich gern den lieben Gott beim vorletzten Gericht. Nur viel gnadenloser!
Das Zweite ist das Vergleichen. Das kommt nicht von außen, sondern von innen. Das Ich vergleicht sich mit den anderen, dünkt sich besser oder mehr noch schlechter. Und mobilisiert den Neid: Den Erfolg gönne ich dem anderen nicht! Das hat er nicht verdient! Ich bin eigentlich der Bessere; das hat nur noch keiner erkannt!
Guter Rat: das Vergleichen runterzufahren und sich selber anzunehmen. Mit seinen Fehlern und Grenzen. Ich bin ich, und du bist du – und das ist gut so! Ich vermute, Gott sieht das ähnlich. Und lässt mich gelten. Auch wenn bei den Likes der Daumen etwas zu oft nach unten zeigt!
Oktober
„Warum ist Opa denn so wütend?“ „Ist er am Samstagabend immer. Da zerreißt er seinen Lottoschein!“ Der Lottoschein, die Freikarte ins Glück! Viele hoffen das, vor allem in den ärmeren Ländern. Da gilt die Lotterie als möglicher Ausstieg aus dem Elend. Doch auch bei uns gibt es das Fiebern: samstagsabends im Fernsehen, bei der „Ziehung der Lottozahlen“. Man kann dabei ins Träumen kommen: Was würde ich mit dem Hauptgewinn machen? Ein Haus bauen? Reisen? Aktien kaufen? Mir fällt dabei nichts Rechtes ein. Wahrscheinlich den Großteil weiterreichen an Leute, die es dringender brauchen.
Die Ärmeren werden den Gewinn (je größer, desto mehr!) als glückliches Schicksal erleben, wie wenn etwas vom Himmel fällt: unverdient, ganz überraschend. Jetzt purzelt einem alles gratis in den Schoß. Gott sei's gedankt. Es ist nicht auszuschließen, dass Seine Gnade sich auch in Geldscheinen zeigen kann. Wenn sie beitragen, das Leben von Menschen zu sichern und zu erleichtern.
Wenn du aber ohne Gewinne bleibst: Zerreiß deinen Lottoschein mit Grazie, ohne Bitterkeit. Und danke Gott – denn du bist bewahrt vor dem Kopfzerbrechen, was mit dem Geld geschehen soll. Und dein Kopf ist frei zu erkennen, was alles dir im Leben geschenkt ist – in den tausend Formen der Gnade.
November
Verkäufer: „Dieser Papagei wird bei artgerechter Haltung 200 Jahre alt!“ Kundin: „Na, da bin ich aber mal gespannt!“ Ich bin gespannt. Auf das, was noch kommt. Auf die Jahre, die mir bleiben. Zehn oder zwanzig Jahre könnte ich noch gut haben. Mehr wohl nicht, wir sind ja keine Papageien! Ob das erstrebenswert wäre, ururalt zu werden - so an die zweihundert Jahre? Oder 150, wie die berühmten Senioren aus dem Kaukasus, mit ihrer gesunden Küche und dem naturnahen Leben?
Mir reichen die zweistelligen Zahlen fürs Lebensalter. Da passen alle wichtigen Erfahrungen rein, die unser Leben ausmachen – in Familie und Beruf, Arbeit und Muße, Erfolg und Scheitern, Freude und Leid. Große und kleine Schritte in Richtung Glauben, Hoffen, Lieben. Die Grenze des Todes, die das alles hat, sollten wir nicht verdrängen. Schon in den Psalmen (Ps. 90) betet einer:
Unsere Tage zu zählen lehre uns. Dann gewinnen wir ein weises Herz.
Ich bin weiter gespannt. Auf das, was nach dem Kommen der Jahre auf uns wartet. Wo die Uhren nicht mehr zählen. Wo eigentlich nichts mehr zählt – nur noch Liebe. Nur noch Gott. Mein Ich, ganz eingehüllt in Seine Ewigkeit.
Dezember
Ein Erwachsener will sich taufen lassen. Er fragt, welche Kleidung man bei der Taufe trägt. Antwort des Pfarrers: „Bei uns tragen die meisten Windeln!“ Windeln tragen gehört zum Menschsein, zum Anfang und zum Ende. Bei den ganz Jungen und manchmal auch bei den ganz Alten.
Windeln sind wie Wunden: Man verbirgt sie, zeigt sie nicht, empfindet sie als peinlich - sie zeigen ja die menschliche Hinfälligkeit. Da hat sich einer körperlich nicht mehr (oder noch nicht) unter Kontrolle. Kein schönes Thema.
Die wunderbare Weihnachtsgeschichte des Lukas scheut sich nicht, dieses intime Stück Stoff zu nennen: Maria wickelte den neugeborenen Sohn in Windeln und legte ihn in eine Krippe, weil in der Herberge kein Platz für sie war.
Was für Kontraste da erzählt werden! Ineinander verzahnt das Himmlische und das ganz Irdische – Windeln. Keine scharfe Trennung von oben und unten – es kommen zusammen: Gott und Mensch, Engel und Hirten (die „Proleten“ von damals). Himmelsmusik und Tiergebrüll. Himmlischer Glanz und nächtliches Dunkel. Königswelten (David!) und Obdachlosigkeit. Stadt und freies Feld der Armen. Groß und klein, menschliche Schwachheit (ein hilfloses Baby in Windeln) und Kraft von oben.
So war das damals in Bethlehem. So ist es noch heute – in jedem von uns.