Gräbersegnung auf dem Friedhof Evingsen

01.11.2025

Fast zu schade für das Grab.
So lautet die Überschrift über einem Zeitungsartikel. Dieser berichtet von einer Frau in Süddeutschland, die Särge bemalt.
Manchmal sind es ihre eigenen Ideen und Bilder, die sie sorgsam daraufpinselt. Meistens aber spricht sie mit den Angehörigen über den Verstorbenen, der in diesen Sarg gebettet wird.
Gemeinsam überlegen sie, welche Motive zu sehen sein sollen. Was passt zu dem verstorbenen Menschen, was hätte ihm gefallen? Wie „bunt“ war sein Leben? Was war wichtig für ihn, was hat diese Person ausgemacht und sie so werden lassen, wie sie war?
Die Motive und Farben auf dem Sarg bilden dann das Leben ab, das nun vorbei ist. Sie stellen noch einmal vor Augen, was dieser eine Mensch in die Welt eingebracht und eingezeichnet hat. Sie stehen für die Buntheit seines Lebens und führen auch vor Augen: Am Ende, wenn wir sterben, müssen wir das Bild unseres Lebens aus der Hand geben. Mit uns wird es in den Sarg gelegt und bestattet.

Fast zu schade für das Grab.
Die Überschrift aus der Zeitung spricht aus, was wohl viele Menschen empfinden: Dieses Leben, das ist ein so einzigartiges Kunstwerk, mit allem, was darin war, an Schönem und auch Schwerem – dieses Leben ist doch viel zu kostbar, um begraben zu werden. Warum muss es mit all seinen Farben und Facetten zu Ende gehen? Als würde der Mensch im Dunkel verschwinden, als würde er ausgelöscht.

Fast zu schade für das Grab.
Wer weiß, vielleicht denkt Gott ähnlich, wenn er auf uns Menschen schaut? Viel zu schade für das Grab. Ihr Dasein, jedes einzelne, mit seinen vielen Farben, mit seinen angefüllten Tagen und Jahren, ist doch viel zu schade, um endgültig vergessen zu werden und zu vergehen.
Und so setzt Gott dem endgültigen Ende etwas entgegen: Fürchte dich nicht. Denn ich habe dich erlöst. Ich habe dich bei deinem Namen gerufen – du bist mein!
Worte beim Propheten Jesaja.
Gott selbst kennt unsere Namen und das, was uns ausmacht. Was wir einzeichnen in die Welt, geht nicht verloren. Das Glück und den Schmerz, die Arbeit und die Freude, die Liebe und die Träume, den Tag und die Nacht: Gott nimmt es auf bei sich, als sein Eigenes, er würdigt und vollendet es.
Fürchte dich nicht; denn ich habe dich erlöst. Ich habe dich bei deinem Namen gerufen – du bist mein!

Es gibt eine Hoffnung, die reicht über das Grab hinaus. Einer sagt: Steh auf. Dieser Friedhof ist zwar die letzte Ruhestätte. Aber es ist eine, die nicht dem Tod gehört.
Der Sarg mag bestattet werden, der Bilderbogen deines Lebens bleibt.

(nach Tina Willms, Momente, die dem Himmel gehören, S. 362f)