Der reiche Prasser und der arme Lazarus
Predigt am 28.09.2025
Am Dornbusch sagt Gott dem Mose: „Gesehen, gesehen habe ich das Elend meines Volkes. Sein Schreien ist zu mir gedrungen. Ich bin gekommen, es herauszuführen aus der Knechtschaft.“
Im Magnifikat singt Maria: „Er hat herabgeschaut auf seine niedrige Magd.“
Und von Jesus heißt es: „Als er die vielen Menschen sah, hatte er Mitleid mit ihnen.“
Gott sieht den Menschen an. Er schenkt ihm Ansehen. Und handelt. Er erbarmt sich.
Was ist dagegen typisch für den reichen Prasser? Es wird von ihm nicht gesagt, dass er seine Untergebenen unterdrückte oder seinen Besitz ergaunert hat.
Er hat den Lazarus auch nicht angeschrien, hat nicht seine Hunde auf ihn gehetzt. Nein, anders: Er sieht den Armen nicht! Er übersieht ihn und würdigt ihn keines Blickes. Erst als er gerichtet ist, heißt es:
„In der Unterwelt, wo er von Schmerzen gepeinigt war, blickte er auf und sah Abraham und an seiner Seite Lazarus.“
Dieser Mensch hat überhaupt nicht gesehen, was vor sich geht. Seine Schuld ist das Nicht-Sehen, nicht der Reichtum an sich. Er hat den Lazarus übersehen. Der war ihm schlichtweg völlig gleichgültig. Und darum
ist der Reiche meilenweit weg von Gott – denn Gott hat ein gutes Auge auch für den Armen.
Die Schuld des Reichen besteht also darin, dass er die Not des anderen nicht sieht, dass er gedankenlos und gleichgültig daran vorbeigeht, wie blind, dass er hartherzig ist, verschlossen, ohne Mitgefühl und
Liebe. Er kennt in seinem Reichtum nur sich selbst: sein Glück, sein Wohlergehen, seinen Komfort, seinen Luxus.
Diese Haltung ist das krasse Gegenteil von Liebe. Es ist Egoismus pur. Es ist Eigensucht und Selbstsucht.
Wer immer nur an sich denkt, wer nie genug kriegen kann, wer hortet und häuft, giert und geizt, wer krampfhaft festhält, der ist nicht auf dem Weg des Glücks, sondern auf dem Weg der Selbstzerstörung. Ein
Seelenzustand, in dem „die Hölle“ be-reits begonnen hat.
Noch etwas anderes verdient in diesem Evangelium unsere Aufmerksamkeit: das Schicksal des Wortes Gottes. Niemand will es hören.
Abraham sagt: „Sie haben Mose und die Propheten. Auf sie sollen sie hören.“ Hören und Ernstnehmen des Wortes Gottes, Handeln nach seiner Weisung, das wär’s!
Doch der Reiche hat nicht auf Mose und die Propheten gehört. Auch seine fünf Brüder tun es nicht. Er war taub für das Wort Gottes. Sie sind taub. Auch ein Wunder kann ihnen nicht helfen. „Sie haben Mose und
die Propheten. Auf sie sollen sie hören!“
Auf treffende Weise hat der Prophet Micha formuliert, worauf es ankommt: „Recht tun, Güte lieben, in Demut wandeln mit deinem Gott“ (Mich 6, 8). Das wär’s. Mehr braucht es nicht. Nochmal: Recht tun, Güte
lieben, in Demut wandeln mit deinem Gott.
Doch das Wort Gottes prallt ab an den verschlossenen Ohren derer, die nur sich sehen und nur sich selbst kennen. Es scheitert an der Hartherzigkeit derer, die ihr Herz wie mit einem Panzer umgeben.
Die Erzählung, liebe Mitchristen, läuft auf die fünf Brüder des Reichen hinaus. Sie sollen gewarnt werden, damit sie dem Wort Gottes folgen.
Die fünf Brüder sind wir. Wir haben außer Mose und den Propheten noch Jesus, sein Leben, seine Botschaft.
Hören wir auf Jesus? Sind wir offen für seine Weg-Weisung? Lassen wir uns da-von berühren und bewegen?
Das Wort Gottes will uns nicht das Fürchten lehren, sondern das Fühlen, das Mitfühlen, das Hinsehen und Hinschauen - Mitleid zu empfinden, Erbarmen zu haben, die Liebe zu üben.
Das Gleichnis endet mit einem Zu-spät!
Darum: Ich darf nicht nur auf mich schauen, wenn ich nach gelingendem Leben suche. Ich muss immer auch den anderen im Blick haben. Den Lazarus von heute! Ob ich seinen Namen kenne? Für Jesus ist der Arme
nicht anonym und namenlos. Der Reiche bleibt dagegen ohne Namen – wo doch sonst die Reichen weltweit mit Namen bekannt sind: Elon Musk, Bill Gates, Larry Ellison. Hier im Evangelium ist es umgekehrt!
Jesus lässt keinen Zweifel: Wer den Nächsten verfehlt, verfehlt gleichzeitig Gott. Und so gibt es ein Gericht; denn es ist nicht egal, wie wir in diesem Leben handeln. Es gibt eine ausgleichende Gerechtigkeit;
und sie bleibt für viele Menschen auf dieser Welt die einzige Hoffnung. Es gibt die Gefahr, dass Reichtum blind macht; und darum müssen wir uns immer wieder die Augen öffnen lassen.
Zum Schluss: Wie kann der Reiche gerettet werden?
Eine Antwort gibt uns Jesus an einer anderen Stelle, und zwar in der Geschichte von der gescheiterten Berufung des reichen jungen Mannes. Da sagt Jesus: „Wie schwer ist es für einen, der viel besitzt, in das
Reich Gottes zu gelangen.“ Und weiter: „Leichter geht ein Kamel durch ein Nadelöhr, als ein Reicher in das Reich Gottes.“ Seine Jünger sind entsetzt: „Wer kann dann noch gerettet werden?“ Jesus entgegnet:
„Für Menschen ist das unmöglich, aber für Gott ist alles möglich!“ (Mt 19,24) – weil Gott anders hinblickt als wir. Weil er auch für die Sünder und die Lieblosen und die ohne Verdienste da ist.