Feuer auf die Erde

Predigt am 17. August 2025

„Ich bin gekommen, um Feuer auf die Erde zu werfen. Wie froh wäre ich, es würde schon brennen! – Nicht Frieden bringe ich, sondern Spaltung!“
(Lk 12,49)


In meiner ersten Messe als Pfarrer in Lüdenscheid vor genau 36 Jahren kamen diese Worte des Evangeliums vor. Ich dachte: Hoffentlich kriegen die Leute keinen Schrecken und denken, das wäre mein Programm: Feuer auf die Erde! Nicht Frieden, sondern Spaltung und Schwert! Aber diese dramatischen Worte stammten ja nicht von mir. Sie kommen von Jesus.

Ein kühnes Bild: Jesus als Brandstifter? Ja, man kann das so sagen: ein „geistiger Brandstifter“. Das klingt sehr anders, als was sonst über ihn gesagt wird: „lieber Heiland“ zum Beispiel! Diejenigen, die ihn zum Tod verurteilt haben, sahen ihn so: als einen Brandstifter, der ihre Auffassungen, letztlich ihre Macht zerstören könnte. Das Feuer, das Jesus auf die Erde warf (ein apokalyptisches Bild!), nannte er „Reich Gottes“, und es wurde wirklich ein Flächenbrand, dehnte sich aus – ein Großfeuer rund um die Welt –, und die Glut ist heute noch da. Jetzt auch hier bei uns.

Bleiben wir bei dem Bild vom Feuer.

Feuer, das bedeutet erstens: Leben und Gefahr.
Uns fallen ein: Wärme und Licht, Begeisterung und Leidenschaft. Wir brennen für eine Idee, sind Feuer und Flamme für einen anderen Menschen, feuern auf dem Fußballplatz unsere Mannschaft an.
Feuer lässt aber auch denken an Zerstörung, an riesige Waldbrände, an Krieg und Ruinen. Die Bilder vom Brand der Kathedrale Notre Dame in Paris vergessen wir wohl nicht so schnell. Vor der zerstörerischen Kraft des Feuers fühlen sich Menschen oft hilflos und klein.
Geistige Brandstifter der richtig üblen Sorte sind darüber hinaus in den Medien zu finden, auf Plattformen des Internet, und richten mit ihren Hassbotschaften riesigen Schaden an.

Ein zweiter Bildbereich des Feuers: Feuer steht für Gottes Gegenwart.
Mose erfährt Gott im brennenden Dornbusch. Zu Pfingsten feiern wir den Geist Gottes, der in Feuerzungen auf die Jünger kommt. Die Osterkerze wird in der Osternacht am Feuer entzündet und leuchtet als Licht Christi in der Dunkelheit.

Feuer dient drittens der Reinigung, Rettung und Warnung.
Medizinische Geräte wurden lange Zeit im Feuer sterilisiert, um Keime und Bakterien zu vernichten. Leuchtsignale in den Bergen und auf hoher See haben schon vielen in Berg- oder Seenot das Leben gerettet.

Feuer ist also ein starkes Bild für die Kraft Jesu, die Ausstrahlung des Guten und des Lebens, das Sünde und Tod besiegt, das in Jesu Leben steckte und immer noch steckt. Er selber ging für uns „durchs Feuer“, er selber ging ans Kreuz, er selber kam so zu diesem „Leben in Fülle“. Der Weg Jesu war alles andere als harmlos und harmonisch, er musste sich entscheiden zwischen Ja und Nein, zwischen Gut und Böse, zwischen Freund und Feind, und so kann er hinzufügen: „Ich bin nicht gekommen, Frieden zu bringen, sondern – Spaltung, Zwietracht.“ Wer mit ihm zu tun bekommt, muss sich auch entscheiden: so oder so. Gleichgültigkeit, Lauheit, „mir doch egal“– das ist da eigentlich nicht mehr drin! Man muss sich entscheiden: Ja oder Nein.

Sprechen wir nun „auf etwas kleinerer Flamme“, etwas alltäglicher. Meine schönsten Feuer-Erlebnisse haben mit Zeltlagern zu tun. Als ich noch Kaplan war und bei Zeltlagern mitmachte, freute ich mich immer auf das abendliche Lagerfeuer. Das warme oder heiße Wetter in der Normandie hatte zum Abend hin schon nachgelassen, es wurde kühler, und da tat das Feuer mit seiner Wärme richtig gut (– vor allem unserer körperlichen Vorderseite!) Und es tat der Gemeinschaft gut, so um das Feuer zu sitzen, Stockbrote in die Glut zu halten, Geschichten zu hören und Lieder zu singen. Je später es wurde, desto ruhiger auch! Die Kinder und Jugendlichen wurden „besinnlich“, nachdenklich. Bei einigen kam dann auch das Heimweh durch.

Feuer – das war für die Leute zur Zeit Jesu vor allem das „Lagerfeuer“, das Herdfeuer. Um das Feuer versammelte sich die Familie oder die Nachbarschaft. Da erlebte man die Wärme des Zusammenseins. Als gleich nach dem 2. Weltkrieg eine große Laienbewegung in Italien entstand, gab sie sich den Namen „Focolare“, nach dem „fuoco“, den Herdfeuern, um die sich während des Kriegs die ersten Mitglieder in kleinen Gruppen versammelt hatten. Ein schönes Bild, wie Gemeinde gedacht ist: ein Feuer, um das sie sich versammelt, das sie hütet, das Feuer Christi, Glut, die da ist – Wärme – menschliche Wärme, Wärme von Gott her in einer Gemeinschaft des Glaubens.

Immer wieder bin ich bei Hochzeiten in der Kirche dabei. Wir machen dann ein Kerzen-Ritual mit. Die Brautleute zünden eine Hochzeitskerze an der Osterkerze an. Das Licht, das Feuer soll „überspringen“ von Jesus auf die Eheleute. Auch sie sind berufen, mit ihrer Liebe zueinander „zu leuchten“, eine Flamme zu sein, eine Glut. Ihr Herdfeuer, ihr Zuhause soll wärmen. Und dann gehen sie durch die Reihen ihrer Gäste, die ebenfalls eine kleine Kerze empfangen haben, und zünden diese mit ihrer Hochzeitskerze an. Das Licht, die Flamme, die Glut soll für alle reichen. Denn ein Feuer ist auf die Erde geworfen, glühend, lebendig, wie auf Pfingsten, voller Kraft – wie froh wäre Jesus, es würde brennen!