Schönes aus Braunschweig

Predigt am 06.07.2025

Aus der Stadt Braunschweig wurde vor ein paar Jahren berichtet: Ein Unbekannter geht um in der Stadt. Mitten am helllichten Tag. Niemand weiß, wer er ist. Eines ist klar: Er liest die Lokalzeitung. Denn immer, wenn dort über eine Gruppe oder Einrichtung berichtet wird, die Gutes tut und auf Spenden angewiesen ist, schlägt er wieder zu. Er faltet den Zeitungsartikel und steckt ihn in einen Umschlag. Er zählt Geldscheine ab, meistens 50-Euro-Scheine, und legt sie dazu. Dann macht er sich auf den Weg. Einmal versteckt er den Umschlag zwischen den Gesangbüchern in einer Kirche, ein andermal legt er ich unter die Fußmatte in einem Hospiz. Sternsinger, Kitas und die Braunschweiger Tafel bedenkt er mit großzügigen Geschenken.

Heimlich geht er um, der Unbekannte, im Verborgenen treibt er sein gutes Werk voran. Mitten in seiner Stadt. 300.000 Euro hat er inzwischen verteilt. Und obwohl er es im Verborgenen tut und kein Lob und keine Anerkennung und auch keine Spendenquittung will, wird er immer bekannter. Selbst einen Romanautor hat er inspiriert. Der Autor erzählt in seinem Roman „Geschenkt“, wie ein anonymer Spender großer Geldsummen auch das Leben des Journalisten, der darüber berichtet, rasant zum Guten verändert. Der unbekannte Täter hinterlässt keine Blutspur, sondern Menschen mit staunenden Augen und offenen Mündern.

Und es gibt noch eine gute Nachricht: Inzwischen soll es die ersten Nachahmungstäter geben. Es sieht fast so aus, als könne die Freude am Schenken ansteckend sein… (vgl. Tina Wilms, Momente, die dem Himmel gehören, S. 233f)

Hat diese Geschichte mit dem Reich Gottes zu tun? Jesus bringt es ja auf den Weg, wie wir im Evangelium (Lk 10,1-12) gehört haben. Er lässt die 72 Jünger verkünden: Das Reich Gottes ist nah!
Ja, der unbekannte Braunschweiger hat einiges an sich, was ins Reich Gottes zeigt. In diesem Reich wohnen großzügige Täter. Täter, nicht bloß Redner! Täter, die Gutes in die Welt bringen; Schlechtes und Problematisches gibt es schon genug! Im Treppenaufgang des Gemeindezentrums von Maria Königin, Lüdenscheid ist übergroß ein Wort des Franz von Assisi an die Wand gepinselt: Verkünde das Evangelium! Wenn nötig, nimm Worte dazu!
Da werden die Worte etwas relativiert und heruntergestuft. Wir spüren, dass Verkündigung mehr ist als immer wieder Predigen und schöne Texte. Die Worte allein büßen heutzutage ihre Kraft ein. 100 Predigten oder 100 Stunden Religionsunterricht richten meistens nicht mehr viel aus, die Schüler bleiben oft erstaunlich unberührt und ahnungslos! Die Worte müssen gedeckt und getragen sein durch das Leben, durch das gute Beispiel. Erst dann „zünden“ sie.

Unser Braunschweiger muss eine große innere Freiheit haben. Er kann loslassen, er klammert sich nicht ans Geld. Ich stelle ihn mir mit einem großen Herzen vor, mit großem Mitgefühl für die Nöte der Menschen. Und bescheiden scheint er auch zu sein. Er hängt seine guten Taten nicht an die große Glocke, er macht nicht Propaganda für sich. Die Geschichte sagt: Seine Tat, sein gutes Beispiel steckt an - es gibt „Nachahmungstäter“.

Gehen wir nun Schritte zurück – in die Zeit Jesu. Der Herr denkt sozusagen an Werbung; seine Botschaft soll unter die Leute kommen. Wer heute auf dem Markt der Waren oder Meinungen bestehen und wachsen will, muss viel in Werbung investieren. „Influencer“ helfen dabei; sie verdienen gut in ihren SocialMedia-Studios. Werbung ist ein großes Geschäft geworden.

Den 72 Werbern von damals fordert Jesus einiges ab. Werbung ist richtig hart! Wer lässt sich schon gern schicken wie ein Schaf mitten unter die Wölfe? Sie haben nichts in den Händen, kaum etwas bei sich, ganz sicher keinen Ballast zum Herumschleppen, kaum das Lebensnotwendige. Sie sind angewiesen auf andere, auf ihre Gastfreundschaft. Sie müssen Ablehnung verkraften.
Was sie aber haben, ist ein Gefährte, denn sie sollen ja zu zweit losziehen. In der Kirche ist diese Stütze und Ergänzung vergessen worden, stattdessen kam der Einzelkämpfer, der dann bald seine Überforderung und sein Alleinsein spürte. Heute ist der Team-Gedanke lebendiger. Was die 72 aber vor allem haben, ist eine starke Überzeugung, ein starker Glaube, das Gefühl einer großen Dringlichkeit. Die Botschaft ist lebenswichtig, alles andere als beiläufig und nebensächlich. Sie duldet keinen Aufschub. Man hat nicht viel Zeit. Grüßt niemand unterwegs, heißt es sogar. Keine Zeit für Plaudereien und ein Schwätzchen am Gartenzaun. Diesen Zeitdruck gab es unter den frühen Christen, dieses Bewusstsein: Mit der Welt, der gewohnten und vertrauten Welt geht es zu Ende, Christus kommt zurück, und wir sind seine Vorboten, sein Vorbereitungskomitee. Wir sind Arbeiter für die Ernte, für die große Entscheidung, zu Jesus Christus zu stehen und seinen Frieden vorzuleben. Ich kann mir vorstellen, dass viele Leute von der radikalen Einfachheit und Vertrauenskraft dieser Boten berührt und beeindruckt waren und dachten: Die lassen sich ihren Glauben aber etwas kosten. Da muss aber wirklich etwas dran sein. Jesus fügte noch hinzu: Heilt die Kranken! Er wusste, wie heilsam die Botschaft war und ist – dass sie uns von krankmachenden Einstellungen und Haltungen befreien kann – damals wie heute.