Fronleichnam

Predigt am 19.06.2025

„Das Reich Gottes ist kein Reich für die Würdigen – sondern für die Hungrigen.“

Dieses Wort, das ich irgendwo gelesen habe, geht mir nicht aus dem Sinn. Jesus ist nicht gekommen für die Würdigen, die mit der weißen Weste. Er ist nicht gekommen für die Satten und Selbstzufriedenen. Nicht die Gesunden brauchen den Arzt, hat er gesagt, sondern die Kranken. Gekommen ist er für die Hungrigen, für die Menschen mit einer großen Sehnsucht. Er preist sie selig: Selig sind die, die hungern und dürsten nach der Gerechtigkeit!

Kaum einer von uns kennt den großen Hunger. Volle Kühlschränke warten auf uns. In früheren Zeiten war das anders. Es gab keine Garantie, satt zu werden. Viele gingen mit knurrendem Magen ins Bett. Und heute ist das noch so in vielen Ländern der Erde. Das so selbstverständlich Scheinende, dass jeder Mensch genug zu essen hat, ist alles andere als selbstverständlich. Wir brauchen nur an Gaza zu denken, wo die Lebensmittel zurückgehalten werden und die Menschen sich um das Wenige, das da ist, schlagen.

Von einer solchen Hungerszene erzählt das heutige Evangelium. Viele Menschen drängen sich an Jesus heran, ihre Hoffnungen, ihre Erwartungen, vielleicht auch ihre Neugier sind grenzenlos: ihr Hunger nach einem besseren und sinnvollen Leben. Es ist schon dunkel geworden, für eine Heimkehr ist es zu spät. Die Jünger Jesu denken praktisch: Jesus; schick die Leute weg! Aber sie begreifen die eigentliche Not der Leute nicht, die sich um Jesus scharen. Eine abendliche Brotzeit und ein improvisierter Schlafplatz – das wiegt nichts gegenüber der Sehnsucht nach Heilung und nach guten aufrichtenden Worten, die das Herz berühren.

Jesus macht es den Jüngern nicht so leicht. Gebt ihr ihnen zu essen, ruft er ihnen zu. Kümmert ihr euch drum. Aber die Vorräte, die man auftreiben kann, sind äußerst knapp. Fünf Brote und zwei Fische - für 5000 Leute! Nur ein Tropfen auf dem heißen Stein! Lohnt kaum, damit anzufangen! Oder sollen wir für die Leute einkaufen gehen? Immerhin ein Lösungsvorschlag, wenn auch schwierig (kein ALDI oder LIDL lag in Nähe), aber menschenfreundlicher, als die Leute einfach wegzuschicken.

Jetzt ergreift Jesus die Initiative und lässt die Leute einladen, sich in Gruppen zu etwa fünfzig zu lagern. Das wären jetzt hier in diesem Innenhof vielleicht zwei Lagerplätze. Und die Bibelfesten in der Menge denken vielleicht an ein berühmtes Vorbild aus der Geschichte: als das Volk Israel aus der Sklaverei in Ägypten fortgezogen ist und durch die Wüste irrt, um ins Gelobte Land zu kommen, wo Milch und Honig fließen – der Weg zu diesem verheißungsvollen Ziel war mühsam, Hunger und Durst erschwerten jeden Schritt. Und auch hier lässt Mose das Volk sich lagern, und die Menschen empfingen gute Weisungen und das Manna als Speise für den weiteren Weg.

Die Menschenmasse, die jetzt in Gruppen, in „Gemeinden“ zusammenlagert, hört und sieht nun, wie Jesus zum Himmel aufblickt, den Lobpreis spricht, die Brote bricht und von den Jüngern, diesen „Kommunionhelfern“, an die Leute austeilen lässt. Erzählt wird das ähnlich wie beim Abendmahl Jesu – und auch ähnlich wie in jeder Messfeier. Nur wird beim Abendmahl und in der Messe noch deutlicher, dass Jesus „sich selber auftischt“, dass er sich selber hineingibt und hingibt – das Brot ist „sein Leib für das Leben der Welt“. Das Brot, das wir gleich durch die Straßen unserer Stadt tragen. Denn der „Leib Christi“ ist nicht eingeschlossen in den Kirchraum – er gehört der Welt, er gehört in die Welt. Alle aßen und wurden satt, heißt es dann. Und zwölf Körbe blieben übrig. Dieser Jesus ist für alle da. Und es reicht für alle. Keiner geht leer aus, keiner wird aussortiert. Keinem wird gesagt: Für dich nicht! Und zwölf Körbe sind weiter voll – für jeden der zwölf Stämme Israels ein Korb – oder für jeden Monat des Jahres ein Korb. Der Evangelist will wohl sagen: Gott geizt und rechnet nicht. Mit göttlicher Großzügigkeit wird eine Fülle, eine Überfülle sichtbar, unerschöpflich, grenzenlos.

Die Evangelien erzählen insgesamt sechsmal die Geschichten einer großen Speisung – einer „Brotvermehrung“, wie wir früher gesagt haben. Sie scheinen also für die Christenheit sehr wichtig und sehr „sprechend“ zu sein. Unter anderem dies: Man braucht die Angst, es könnte nicht reichen, gar nicht zu leugnen und zu verdrängen. Aber Jesus traut seinen Jüngern und uns zu, dass das Wenige und Kleine, das wir haben und geben und einsetzen, dann für alle reicht. „Wenn jeder gibt, was er hat, dann werden alle satt,“ heißt es in einem Lied. Und es ist wirklich ganz anders als nur der berühmte Tropfen auf dem heißen Stein.

Das Evangelium erinnert daran, dass wir nicht die Geber sind. Geber ist ein anderer. Wir sind die Verteiler! In dieser Zeit, wo die Verteilung der Güter immer ungerechter vonstattengeht, müssen wir Christen klar zum Ausdruck bringen: Es reicht für alle, und niemand kommt zu kurz, wenn wir gerecht verteilen, weltweit. Das Evangelium deutet an: Wegschicken ist keine gute Lösung. Es darf niemand hungrig und schutzlos weggeschickt werden. Dieses wunderbare Geschehen der Eucharistie zeigt uns – auch hier in Altena: Wo immer hungrige, sehnsuchtsvolle, schutzlose Menschen mitversorgt und beherbergt werden, da ist Jesus Christus in ihrer Mitte, da ist er gegenwärtig – wie beim Abendmahl!