Pfingsten
Predigt am 08. Juni 2025
In der vergangenen Woche bin ich umgezogen. Das war Schwerstarbeit, und man möchte es nicht jedes Jahr erleben! Aber es hat auch etwas Heilsames. Man übt das Loslassen. Jedes Buch und jeder andere
Gegenstand wird in die Hand genommen und kurz geprüft – nehme ich es mit, oder wird es ausrangiert und kommt in den Sperrmüll? Alles, wirklich alles gehört zu meinem Leben, aber nicht alles muss
aufbewahrt werden. Nicht alles gehört zu meiner Zukunft. Da muss ich auswählen, und nur das, was mir wichtig erscheint, kommt mit.
Wenn ich es mir recht überlege, hat so ein Umzug schon mit Pfingsten zu tun. Man muss aufbrechen, muss sich neu einrichten, muss prüfen, was einem von den vertrauten und gewohnten Dingen wichtig
erscheint, und kann so ein neues und aktuelles Zuhause schaffen.
Der schwäbische Maler Sieger Köder, der zugleich Pfarrer in kleinen Dorfgemeinden war, hat einen ähnlichen Gedanken gehabt. Bei ihm wird sogar ein neues Haus gebaut. Eine Baustelle, die fertig geworden
ist, eine Art „Hauseinweihung“. Ein Haus mit vielen Stockwerken und Räumen, die Fenster stehen weit offen, und die Bewohner gucken nicht nur raus, sondern wollen die Leute draußen, die Leute auf der
Straße ansprechen, ihnen etwas zeigen und mitteilen.
Im ersten Stock, in der Beletage, ist die Ökumene zuhause. Drei Gestalten meiner jungen Jahre sind dort zu sehen. Drei große Persönlichkeiten. Rechts lehnt sich Papst Johannes XXIII weit aus dem Fenster,
mit einer einladenden Handbewegung. Er hat die Kirche weit geöffnet zur Welt, vor allem, indem er ein Konzil einberief, das II. Vaticanum. Als ein Besucher ihn einmal fragte, was er mit seinen Reformen
vorhabe, ging der Papst an ein Fenster, öffnete es und sagte: „Frische Luft – in die Kirche!“ Frische Luft, frischer Wind, der ja ein Bild ist für den Heiligen Geist.
Im Mittelfenster steht der Vertreter der Orthodoxen. Das war damals der Patriarch Athenagoras von Konstantinopel, der die Impulse des Papstes gut verstand und aufgriff. Auch er ein Mann mit einem weiten
Herzen, fernab von jeder nationalen und konfessionellen Engstirnigkeit. Er hält eine Osterkerze mitten ins Bild und verkündet so, dass Jesus Christus den Tod besiegt hat und so der Grund ist für eine
tiefe Hoffnung und Zuversicht – für alle Christen, für die ganze Welt.
Links im Bild einer, von dem in der letzten Zeit viel die Rede war: vor genau 80 Jahren wurde er in Nazi-Deutschland hingerichtet. Der evangelische Theologe und Pastor Dietrich Bonhoeffer. Er fühlte sich
auch in Kriegszeiten „von guten Mächten wunderbar geborgen“ und war überzeugt, dass man sich als Christ einmischen muss und die Welt nicht den Kriegstreibern und Liebhabern des Unrechts überlassen darf.
So beteiligte er sich am Widerstand gegen Hitler, im vollen Wissen, dass ihn das den Kopf kosten konnte. Auch er ein Mensch des Heiligen Geistes: mutig, fromm, ganz ausgerichtet auf Gott und den
Nächsten.
Im Erdgeschoss schaut uns der Apostel Petrus an. Er erinnert mich ein wenig an meine Möbelpacker – so kraftvoll und stark kommt er uns entgegen und hält uns die frohe Botschaft, das Evangelium hin. Waren
die Jünger vorher aus Angst hinter verschlossenen Türen versammelt, so geht es jetzt ins Offene, an die Öffentlichkeit.
Hinter ihm sieht man durch die offene Tür die kleine Gemeinde der ersten Christen, über den Köpfen die Feuerzungen. Erst mit dieser Kraft, der Kraft des Geistes, wächst die Energie und der Mut, Zeugen
des Evangeliums zu sein und die Verschlossenheit und Angst zu überwinden. Die Menschen links und rechts von Petrus sind noch nicht so weit, stecken noch im dunklen Bereich, wirken resigniert.
Der Nachwuchs tummelt sich in der oberen Etage. Ein Messdiener schwenkt voller Schwung und Begeisterung sein Weihrauchfass. Andere halten Banner und Plakate in den Händen, die zum Frieden aufrufen. Junge
Leute, die in der oberen Etage eine Glaubensheimat gefunden haben und gemeinsam an der Zukunft mitbauen wollen. Menschen aus allen Rassen und Völkern, im Heiligen Geist vereint.
Die Etage darüber ist nur angedeutet, ist noch Baustelle. Das Bild endet da nicht. Die nur angedeuteten Fenster bieten uns heute Fensterplätze, in denen wir uns einfinden können. Wir, die wir zum Haus
der Kirche dazugehören. Wir, die der Heilige Geist zu gemeinsamem Tun vereinen will.
Liebe Christen, wenn wir uns das pfingstliche Bild von Siger Köder anschauen, dann spüren wir im Haus vielleicht die Beständigkeit und Stärke der Kirche – trotz aller aktuellen Krisen und Schwierigkeiten.
Denn Jesus Christus ist das Fundament, der Eckstein der Kirche, auf dem alles ruht. Ohne ihn wäre dieses Haus einsturzgefährdet. Der Heilige Geist ist sozusagen der Baumeister. Er ermutigt uns, treibt
uns voran und führt uns zusammen. Die Gaben und Talente (= Charismen), die er an die Leute verteilt hat, machen das Haus lebendig: etwa die Aufmerksamkeit füreinander, die Gabe des Trostes, der weisen
Unterscheidung oder der zupackenden Hilfe. Dann leuchtet das Haus rot, in der Farbe der Liebe.
Dann wird aus der Baustelle ein Zuhause. Gottes Geist ist gegenwärtig. Er lädt ein, nicht anonym aneinander vorbeizuleben – jeder für sich –, sondern mit den anderen Christ zu sein, wie ein Bruder, wie
eine Schwester. Beim Umzug z.B. habe ich diese geschwisterliche Hilfe durch andere dankbar erlebt. Der Heilige Geist ist keine bloße Idee. Er kann sehr, sehr praktisch sein.