Wie ist das Paradies? Garten und Stadt

Predigt am 25.05.2025

Sind Sie ein Gartenfreund? Oder eher ein Freund der großen Städte? Sitzen Sie gern im Grünen? Oder lieber in einem Straßencafé mitten in der Stadt? In beiden Fällen hätten Sie die Bibel auf Ihrer Seite! In beiden Fällen würde die Bibel sogar vom Paradies sprechen. Paradies-Garten am Anfang und Paradies-Stadt am Ende.

Am Anfang: der Garten Eden. Fruchtbar, wasserreich, voller Bäume, „im Frühling“, in Blüte – paradiesisch! Den Wüstenbewohnern im Heiligen Land, die eher Dürre und Trockenheit und Hitze kannten, muss das Wasser im Munde zusammengelaufen sein. Eine einzige Oase, das Paradies! Was gab es Schöneres? Und so hat sich unsere sinnliche Vorstellung vom Paradies mitgeformt: ein wunderbarer Garten!

Was wurde daraus? Adam und Eva – d.h. der Mensch, die Menschheit – wurde aus dem Garten vertrieben. Das Paradies ging verloren. Aber es blieb ein Traum zurück – die Sehnsucht nach einer heilen Welt, wo alles in Ordnung ist, in Harmonie. Die heutige Werbung spielt damit, wenn sie Traumstrände in der Südsee zeigt und dann totsicher vom Urlaubsparadies spricht. Für den Menschen von heute ist das Paradies also in die Ferien verlegt. Man muss ein Flugzeug nehmen, um ins Paradies zu kommen! Für Christen ist das ein bisschen zu aufwändig! Wir bleiben dabei: Man kann zuhause bleiben, um ins Paradies zu kommen. Man braucht kein Flugzeug, man braucht – Gott! Paradies – und Gott: das lässt sich nicht voneinander trennen.

Im Garten Eden war Gott alles in allem. Und der geschaffene Mensch durfte mit ihm leben. Gott und Mensch gingen im Garten sozusagen miteinander spazieren. Schöpfer und Geschöpf waren eine Einheit. Diese Einheit – das ist der Kern der Sache, wenn man religiös vom Paradies spricht. Ein Einheit: wie das Kind im Mutterleib mit der Mutter. Diese Einheit zerbrach, musste vielleicht auch zerbrechen: Adam und Eva waren mit ihrem eigenen Kopf geschaffen. Das heißt: Der Mensch ist frei, keine Marionette Gottes. Er nabelt sich ab und wird erwachsen. Er muss sich entscheiden. Er kann schuldig werden. Er kann sich entfernen. Aber in ihm lebt weiter die Erinnerung an die Nähe mit Gott, an das Paradies. Vielleicht auch die Sehnsucht – gerade dann, wenn er um sich schaut und sieht, wie teuer ihn die Freiheit zu stehen kommt. Wenn er die Trümmer und Ruinen sieht, die zerbrochenen Beziehungen, das hemmungslose Jagen nach dem Götzen „Geld“, den Raubbau an der Schöpfung, die Gewalt. Ja, dann kann der Mensch wohl denken: Es müsste doch anders gehen, ganz anders! Dann denkt und wünscht er, mehr oder weniger deutlich, das Paradies. Und Gott sah, dass es gut war, heißt es in der Schöpfungsgeschichte. Dieses Gutsein des Lebens möchte der Mensch wieder erfahren.

Für viele Menschen ist die Welt eine Wüste geworden, unwirtlich und dürr – aber es gibt Oasen darin. Situationen, Orte, Zeiten, wo etwas vom Paradies geblieben ist, für jeden anders. Stunden des Glücks, eine kleine „heile Welt“ in so viel Unheilem: Freundschaft und Liebe, ein wirkliches Zuhause, Schönheit in der Natur, in der Kunst, in der Musik, eine tiefe berührende Glaubenserfahrung, schon ein wunderbares Gespräch – in all dem meldet sich dieses Gutsein des Lebens, in all dem klingt etwas nach vom Paradies. Es ging verloren, aber in kleinen Oasen ist der Garten Eden noch da.

Wir Christen haben Jesus Christus immer wie die große Oase Gottes empfunden. Wir achten auf seine Taten, wir hören auf seine Worte, wir können bei ihm spüren: Ja, so hat es sich Gott gedacht mit der Welt, mit den Menschen. Das Verlorene ist wieder da, ist wiedergefunden. Das Paradies taucht wieder auf – in einem Menschen! Bei Jesus trägt das Paradies den Namen Reich Gottes: eine Welt, in der Gottes Wille gelebt wird. Die Einheit von Gott und Mensch, wie sie in Jesus selber zum Ausdruck kommt. Und Gott sah, dass alles gut war.

Und nun wandelt sich das Bild. Ganz am Schluss der Bibel, in der Offenbarung des Johannes, wirklich auf den allerletzten Seiten, finden wir die heutige Lesung (Apk 21). Da wird nicht mehr vom Garten erzählt, sondern von einer Stadt, dem himmlischen Jerusalem. Diese Stadt wird zum Bild der Sehnsucht und der Hoffnung, zum neuen Paradies.

Was ist so anziehend an einer Stadt, dass man von ihr träumen möchte? Heute sind die Städte, zumal die ganz großen, ja kein Traum, sondern eher ein Alptraum: schlechte Luft, Smog, Verkehrsstau, Anonymität, Lärm und Hektik und Stress, Elendsviertel, Gewalt, Chaos.

Zu biblischen Zeiten waren die Städte etwas ganz Anderes: Zufluchtsorte! „Stadtluft macht frei“, so sagte man. Draußen – vor den Stadtmauern – war die Wildnis, da heulten die Wölfe, da hausten die Räuber und Barbaren. Städte gaben Sicherheit, die Mauern schützten. Das Zusammenleben der Menschen war geordnet, hier war gut sein, hier wurde das Chaos gebändigt. Und so erscheint in der Vision des Sehers Johannes die himmlische Stadt, die von Gott her zu den Menschen herabkommt, als sein großes Geschenk. Das Paradies lässt sich nicht machen und herstellen (die Kommunisten etwa haben das versucht und es ging furchtbar schief!) Man kann es nur wie ein Geschenk annehmen, das kostbarer ist als alle Edelsteine der Welt. Diese Stadt beschreibt Johannes als kristallklar, durchsichtig – d.h. ohne dunkle Ecken, ohne krumme Touren, alles liegt sozusagen sonnenklar da. Die Stadt glänzt, leuchtet, strahlt aus, d.h. sie ist anziehend, Menschen möchten dorthin, nicht weg.

Und dann: Einen Tempel sah ich nicht in der Stadt. Kein Tempel, kein Dom, kein heiliger Bezirk. Tempel und Dom sind auch nicht nötig. Denn Gott „bewohnt“ die ganze Stadt, er ist die Seele der Stadt, er ist dort alles in allem. So wird diese Stadt, das himmlische Jerusalem, zum Paradies – Gott und Mensch vereint.

Hier in Altena oder wo immer wir wohnen sind wir eingeladen, Oasen und Brunnen anzulegen, die an das Paradies erinnern und die Hoffnung wachhalten auf das, was – von Gott her – noch kommt.