Die Stimme nuss stimmen
Predigt am 10.05.2025
Meine Schafe hören auf meine Stimme. Ich kenne sie, und sie folgen mir….
Manche Stimmen mag man, andere nicht. Manche passen einfach nicht. Das haben wir Pfarrer des Bistums Essen einmal deutlich erlebt. Wir waren vor Jahren gemeinsam in Sizilien und besuchten dort die wunderbare
Kathedrale von Monreale. Dort fand gerade eine Trauung statt. Der zelebrierende Priester hatte eine unglückliche Liebe zum Mikrofon. Er sprach von der Liebe Gottes, aber er brüllte diese Botschaft so ins
Mikrofon hinein, dass die Ohren weh taten. Unser damaliger Bischof Felix Genn flüsterte mir zu: „Die Liebe Gottes kommt hier wie mit Peitschenschlägen!“ Die Stimme und die Botschaft müssen zusammenklingen,
onst „stimmt et-was nicht“, wie wir in unserer Sprache so treffend sagen.
„Meine Schafe hören auf meine Stimme“, sagt Jesu also heute im Evangelium. Was für eine Stimme mag Jesus gehabt haben? Schade, dass es damals noch keine Tonkonserven gab! Aber man darf vermuten, dass die
Stimme Jesu zu ihm passte, dass sie einfach „stimmte“, stimmig war. Es war nicht die Stimme eines Marktschreiers, der laut seine Ware anpreist. Es war nicht eine Stimme, die sich einschmeichelt, um gut
anzukommen. Nicht eine Stimme, die „Süßholz raspelt“ und den Leuten nach dem Munde redet.
Wenn ich mir in meiner Phantasie die Stimme Jesu vorstelle, dann lag wohl eine tiefe Festigkeit und Ernsthaftigkeit darin. Was er sagte, war nicht beliebig, war keine bloße Meinung. Ihm ging es nicht um
irgendetwas, um irgendwelche Themen. Ihm ging es immer nur um die letzte Frage: um Gott, um sein Reich in dieser Welt. Die Leute spürten: Jesus liefert keinen Diskussionsbeitrag zum Thema Gott, er gibt keine
theologische Meinung ab, er redet, wie es im Evangelium heißt, „mit Vollmacht – nicht wie die Schriftgelehrten“. Er war sozusagen „in Gott eingetaucht“; und aus dieser tiefen inneren Erfahrung sprach er von
der Liebe Gottes. Wenn Menschen aus Erfahrung heraus reden, dann hört man ihnen ganz anders zu, als wenn sie nur irgendwelche Theorien und Gedanken äußern. Jesus sprach aus Erfahrung heraus von Gott, von
seiner Güte. Und diese Güte lag sicher auch in seiner Stimme. Eine konsequente, feste Güte. Wahrheit hat also mit der „Stimmigkeit“ zu tun, mit der Stimme, mit dem Ton, mit dem, wie es „klingt“. Ist sie echt,
authentisch, oder klingt sie nur so – wie bei einem Schauspieler?
„Meine Schafe hören auf meine Stimme“. Es ist spannend, eine Schafherde mit ihrem Hirten zu beobachten. Die Tiere hören die Stimme des Hirten genau heraus. Wenn ein anderer sie ruft, folgen sie nicht. Nur
seine Stimme „stimmt“ für sie. Denn sie spüren, dass er sie kennt und um sie weiß und das Beste für sie will.
Liebe Mitchristen, der gute Hirte Jesus hat es vorgelebt, dieses innere Verbundensein mit Gott und den Menschen. Übrigens: Hirte heißt auf lateinisch Pastor – die heutigen Hirten, Pastoren und alle in der
Pastoral tätigen Männer und Frauen sehen das wohl als ihre wichtigste Aufgabe an: Die Stimme Jesu den Menschen von heute zu Gehör zu bringen. Sie in Berührung bringen mit ihm. Dafür sorgen, dass Seine Stimme
unter den vielen Stimmen heute herausgehört werden kann und unverwechselbar bleibt.
„Ich kenne die Schafe, ich rufe sie einzeln beim Namen“, sagt Jesus. Als der Auferstandene im Garten Maria Magdalena begegnet, hält er ihr keine Vorträge über die Auferstehung – er ruft sie beim Namen: Maria!
Jeder einzelne Name, jeder einzelne Mensch ist wichtig und zählt. Das hört man aus der Stimme Jesu heraus. Eine Stimme, die nicht droht und einschüchtert, sondern befreit und ermutigt.
Diese Stimme hörbar zu machen – dazu sind die Kirche und die Gemeinde da. Diese Stimme Jesu! Sie enthält nichts, was den Menschen in die Enge treibt. Die Stimme – das ist die Wahrheit, die dich zu dir selber
bringt, die dich im Innersten meint. Wenn wir diese Stimme Jesu hörbar machen, dann „stimmt“ es, dann können wir aus innerer Freiheit und Überzeugung eine Antwort finden. Aber wir brauchen eben Menschen,
geistliche Menschen in allen Berufen und mit allen Schattierungen, die nicht stumm sind, sondern die ihre eigene Stimme einsetzen, ihre Glaubens-Stimme in Wort und Tat. In ihrer Stimme schwingt dann etwas mit
von der Stimme des Guten Hirten.
Vorgestern hat sich eine neue Stimme gemeldet und wird wohl unüberhörbar werden: Robert Francis Prevost, der neue Papst Leo XIV. Eine Stimme, die zum Frieden aufruft, zur Entwaffnung des Menschen, zum
gemeinsamen Gehen eines Weges. Solche Töne sind in der Welt seltener geworden, viel zu selten. Und wenn er dann von „Barmherzigkeit“ und Einfachheit und Liebe zu den Armen und Unglücklichen dieser Welt spricht,
dann höre ich aus seiner Stimme die Stimme Jesu heraus, ohne Umwege, ohne Schnörkel, ganz direkt.
So vieles kann helfen, Jesus Christus in uns zum Klingen zu bringen: ein Buch, vielleicht eher noch ein Gespräch, eine Begegnung, ein Moment innerer Einsicht und Einkehr. Auch der Gottesdienst, und darin nicht
zuletzt die Musik. Sie kann Gottes Botschaft zum Klingen bringen – mehr als bloße Worte es oft können. „Wo man singt, da lass dich nieder. Böse Menschen haben keine Lieder“, so weiß der Volksmund. Wenn etwas
nicht „stimmt“, kann auch nichts zum Klingen kommen. So mündet alles Hineinhören in die Stimme Jesu in den Lobpreis Gottes.