Der brennende Dornbusch

Predigt am 23.03.2025

Das ist eine eigenartige Begegnung mit Gott – da, im brennenden Dornbusch! Was war vorher passiert, was ist die Vorgeschichte dazu? Mose war aus Ägypten geflohen. Sein Leben war dort ein ständiges Auf und Ab gewesen. Als jüdisches Baby war er in einem Binsenkörbchen im Schilf des Nil ausgesetzt worden, hatte überlebt und war als Findelkind vom Königshof des Pharaos adoptiert worden. So wuchs er als eine Art Prinz auf. Heranwachsende fragen oft nach ihren Wurzeln, der junge Mose tat das auch und entdeckte seinen jüdischen Ursprung. Er lebte dann wie in einem Zwiespalt: nach außen hin ein vornehmer Ägypter, im Inneren aber ein Jude, ein Mitglied des Sklavenvolks. Wo er konnte, ergriff Mose Partei für die Juden, die unter der Peitsche der Ägypter schwer zu leiden hatten. Er litt selber sehr darunter, wie sein Volk gequält und ausgebeutet wurde. Im Zorn schlug er einen Aufseher tot, der es besonders schlimm mit den jüdischen Arbeitssklaven getrieben hatte. Da merkten die Juden, was sie an Mose hatten. Aber in einer anderen brenzligen Situation, als Mose aus Liebe zu seinem Volk die Juden zurechtweisen musste, um sie zu schützen, da schimpften sie auf ihn und sagten: „Willst du uns herumkommandieren, dass du so mit uns redest? Wir werden dem Pharao melden, dass du einen von seinen Aufsehern erschlagen hast!“ Mose war tief verletzt über diesen Undank und floh aus Ägypten, denn er hatte Angst vor der Rache des mächtigen Pharaos.

Man kann sich also in seine Situation hineindenken. Die ganze Geschichte ist völlig verfahren. Was soll jetzt mit ihm werden? Mose blickt nicht mehr durch. Er, der vielleicht sein unterdrücktes Volk hätte retten können, weiß nicht wohin. Er ist verzweifelt - einer von den vielen ausweglosen Fällen, die es schon immer gab und immer geben wird – auch heute.

Schließlich findet Mose Unterschlupf und Arbeit bei einem heidnischen Hirten, bei Jitro, dessen Tochter er zur Frau nimmt. Er hütet nun selber Schafe und Ziegen – eine sehr alltägliche Arbeit! Eines Tages treibt er die Herde über das gewohnte Weideland hinaus – in Neuland hinein. Und genau da, mitten im Alltäglichen, zwischen Schafen und Ziegen, passiert etwas Außergewöhnliches! Am Tiefpunkt gibt es manchmal so etwas wie eine Wende. Wenn man ganz unten ist, kann die Rettung kommen.

Was ist passiert? Ein Dornbusch steht in Flammen. Ein eindrucksvolles Bild, das die Bibel da erzählt. Ein Dornbusch: ganz kahl, ohne Frucht, eigentlich zu nichts nütze, gefährlich obendrein, man kann sich an ihm stechen. Ein Bild, das zu der Stimmung des Mose bestens passt. Der Dornbusch, dieses Zeichen für das Nichts, steht in Flammen, brennt und verbrennt doch nicht. Und eine Stimme ist zu hören: „Mose, zieh die Schuh aus, das hier ist heiliger Boden!“

Ehrfurcht wird da gefordert: Gott kommt ganz nah – er spricht aus den Dornen, er spricht in den Leiden, in den Stellen, wo es brennt! Er begegnet uns auch und vielleicht gerade an den Tiefpunkten, im Kreuz und bietet uns Menschen seine Freundschaft an – aber er ist kein Kumpel, kein Nur-Lieber-Gott, kein harmloser, lässiger Gedanke. Er ist und bleibt der Heilige, der ganz Andere, der sich in unseren Schubladen und Vorstellungen nicht unterbringen lässt. Mose kann nicht einfach hinschlendern zum Dornbusch und ihn untersuchen – der Boden ist heilig, Gott ist heilig, dessen Gegenwart Mose so rätselhaft erfährt. Und die angemessene Haltung des Menschen ist: Ehrfurcht, Respekt, Gottesfurcht, vielleicht sich hinwerfen, vielleicht knien – Haltungen, die die Christenheit mehr und mehr verloren hat. Die aber bei der anderen großen Religion der Wüste, bei den Muslimen, ganz lebendig ist.

Der Dornbusch in der Wüste steht in Flammen, aber er verbrennt nicht. Mose wird von seiner Verzweiflung und Verbitterung nicht verschlungen. Vielmehr spürt er: Es gibt einen Weg, einen Ausweg. Wo Gott in unser Leben tritt, da eröffnen sich und wachsen ungeahnte Möglichkeiten! Gott gibt eine Vision: das Land, das von Milch und Honig überfließt. Ein lockendes Ziel wird genannt, es liegt uns voraus. Mose wird es kurz vor seinem Tod noch aus der Ferne betrachten, aber selber nicht mehr betreten können. Und Gott gibt ihm einen Auftrag: Führe mein Volk dorthin. Befreie es aus der Sklaverei! Denn Gott steht ein für Freiheit.

Mit dieser Begegnung, mit dieser Gotteserfahrung findet Mose wieder Boden unter den Füßen. Er geht zurück nach Ägypten, in die Hand des Pharaos. Er weiß nun, dass er einen Auftrag hat und nicht allein gehen muss. Gott hat seinen Namen genannt und darin sein Wesen ausgedrückt: Jahwe. Ich bin da – für euch, mit euch. Auch wenn ihr es nicht vermutet. Wenn ihr zwischen den Dornen hängt, bin ich der gute Hirt. Durch nichts – wirklich: durch nichts! – trenne ich mich von euch. Ich werde mit euch gehen, der Mitgeher gibt euch niemals auf! Ich bin, wo du bist.

Darauf verlässt sich Mose. Darauf vertraut er. Ihm wächst eine Stärke zu, die ihn später durchs Rote Meer und durch die Wüste bis an den Rand des Gelobten Landes – Israel – führt. Der Gott im Dornbusch, in den Stacheln und Dornen des Lebens lässt dann Milch und Honig fließen, gibt Brot und Wein. Der Gott des Kreuzes geht uns voran.