Darstellung des Herrn (Lichtmess)
Predigt am 02.02.2025
Ein noch sehr kleines Kind – und wie zum Kontrast zwei sehr alte Menschen – begegnen sich in dieser Geschichte. Und zwar an einem sehr markanten Ort: dem Tempel in Jerusalem, dem zentralen Heiligtum der
Juden. Die Eltern haben das Kind dorthin gebracht, so wie es alle jüdischen Eltern machten, wenn der erste Sohn geboren wurde. Sie wollen ihn Gott sozusagen übergeben, so wie sie auch die ersten Früchte
der Ernte Gott überlassen.
Was steckt hinter diesem Brauch? Als wir einmal mit einer Gruppe die Synagoge in Bochum besuchten, hat es uns der dortige jüdische Gemeindeleiter so erklärt: Die eigenen Kinder sind kein Besitz, kein
Eigentum der Eltern. Sie sind eher eine Leihgabe! Man lebt 20 oder manchmal auch 30 Jahre mit ihnen unter einem Dach, aber man muss sie ziehen lassen – in die eigene Selbstständigkeit hinein. Man darf
nicht klammern, man muss loslassen. Und da stellt der jüdische Brauch ein gutes und heilsames Stoppsignal auf: Liebe Eltern, das Leben gehört Gott! Eure Kinder gehören nicht euch, sondern Gott! Und so
bringen die Eltern das Kind in den Tempel und übergeben, ja schenken es Gott. Und Gott gibt es ihnen sozusagen treuhänderisch, als Leihgabe und Aufgabe zurück.
Ich finde, da haben die Juden ein starkes Zeichen gefunden! Ein Ritual, das gerade heute sehr aktuell wäre. Heute fehlt manchmal durch Überbehütung in den Kleinfamilien, durch Verwöhnung durch die
„Hubschraubereltern“ die Luft zum freien Atmen; die Kinder kommen aus dem „Hotel Mama“ dann nicht recht heraus. Da ist der frühe Gang in den Tempel ein sprechendes Zeichen – Du kannst dich immer daran
festhalten, dass Du Kind und Mensch Gottes bist.
Jesus jedenfalls hat sich daran festgehalten. Mit 12 Jahren ist er wieder im Tempel zu finden, in dem Alter, wo junge Menschen damals als mündig angesehen wurden. Er ist Maria und Josef ausgebüxt, hat
sie ziemlich ungestüm in Angst und Sorge versetzt, sitzt da im Tempel unter lauter Professoren der Religion und fragt die bestürzten Eltern: Warum habt ihr mich gesucht? Wusstet ihr nicht, dass ich in
dem sein muss, was meinem Vater im Himmel gehört? Man kann merken: Jesus hat wirklich in seine Freiheit hineingefunden. Freiheit meint da nicht: Tun und Lassen, was man will und worauf man gerade
Lust hat. Freiwillig bindet Jesus seine Freiheit an Gott – und nur an ihn! Das meint übrigens das Wort „Religion“- sich freiwillig, aus innerem Antrieb an Gott zu binden. Und dann allem übrigen, „der
Welt“ gegenüber, möglichst frei und souverän zu sein.
Der Apostel Paulus fragt später: Wo ist Gott gegenwärtig, wo ist er zu finden in dieser Welt? Und er antwortet: In Jesus – und in den Menschen, die an ihn glauben. Sie sind der „neue Tempel Gottes“ in
der Welt, ein Tempel aus lebendigen Steinen. Man muss also nicht mehr unbedingt zum Tempel nach Jerusalem pilgern, um Gott anzutreffen (der Tempel wurde ja auch bald von den Römern zerstört!) Man trifft
Gott in sich selber an, im eigenen Herzen.
Unser Evangelium erzählt also symbolisch: Der neue Tempel (Jesus), dieses unerwartete Geschenk, begegnet dem alten Tempel. Und in ihm den Frommen seines Volkes. Denn nun sind da zwei alte Leute, ein Mann
und eine Frau, die ganz offensichtlich auch Gott im Herzen tragen. Keine Betschwester, kein Betbruder, die da ihre Zeit im Tempel vertun! Sondern zwei Greise mit langer Lebens- und Glaubenserfahrung.
Zwei Sinnsucher. Zwei mit einer prophetischen und visionären Kraft, wie sie manchmal bei Alten zu finden ist, die nicht mehr im Tagesgeschäft aktiv sind. Die keine Rolle mehr spielen müssen, sondern auch
aus diesem Abstand heraus weise wurden und tiefer sehen. Alte verbünden sich manchmal mit den Jungen, verstehen sie besser, sind ihnen „geistesverwandt“. Kinder, die das Licht der Welt erblicken, sind
für sie ein Grund, Gott zu loben, Hoffnung und Zuversicht zu haben.
Diese beiden Alten – Simeon und Hanna – erkennen in dem kleinen unscheinbaren Kind, das da im Tempel ihren Weg kreuzt, das Heil der Welt. Simeon und Hanna sind Menschen, die sich nicht resigniert und
enttäuscht mit dem Unheil der Welt, mit Krieg und Elend abgefunden haben. Sie sind randvoll geladen mit Sehnsucht, Leidenschaft und Hoffnung! Simeon ruft aus, und die Kirche betet die Worte jeden Tag in
der Komplet, im Nachtgebet mit: „Nun lässt Du, Herr, deinen Knecht in Frieden scheiden. Denn meine Augen haben das Heil gesehen, das Du vor allen Völkern bereitet has, ein Licht, das die Heiden
erleuchtet, und Herrlichkeit für dein Volk Israel.“ Was für innere Augen hat dieser Simeon gehabt, dass er im Keim schon die Blüte und die Frucht erkannte, im Kind den Mann, im Anfang schon das Ende, den
Sinn und Wert dieses Lebens Jesu! Wirklich eine „Erleuchtung“! Augenöffner ist Gottes Geist, der ihn leitet und führt, betont das Evangelium.
Ich nehme aus diesem Text die Freude mit, dass es auch heute solche Menschen gibt wie Hanna und Simeon: Geistesverwandte Jesu. Menschen, die sich nicht von schlechten Erfahrungen, sondern von großen
Erwartungen leiten lassen. Und darum passen dazu der Lobpreis des Lichtes und die Segnung der Kerzen. Wo solche Menschen hinkommen, da wird es heller. Da geht uns ein Licht auf.