Die Hochzeit von Kana
Predigt am 19.01.2025
Manchmal spreche ich mit Brautpaaren von dieser großen wunderbaren Hochzeitsfeier in Kana. Ich frage mich, ob sie für die Brautleute erstmal so eine Art Zaubergeschichte ist? Auf einmal sind 600 Liter
Wein da, wo vorher leere Krüge waren!? Jesus so eine Art David Copperfield, ein Magier, ein Zauberer der Antike? Dann wäre –bei einem solchen Auftakt – das Leben Jesu wohl eine richtige Erfolgsstory
geworden. Hei, wie wären die Leute zusammengeströmt! Wie eindrucksvoll hätte er ihre Probleme gelöst: wie hier – die Panne bei der Bewirtung! Aber für die große Show war Jesus niemals zu haben. Am
Schluss des Evangeliums heißt es: „Er offenbarte seine Herrlichkeit, und seine Jünger glaubten an ihn.“ Wohlgemerkt: die Jünger glaubten an ihn! Nicht die Leute. Die haben entweder gar nichts
mitgekriegt oder gar nichts verstanden.
Und die Paare heute? Es ist ja nicht damit zu rechnen, dass auch bei ihrer Hochzeitsfeier mögliche Bewirtungsprobleme sich so wunderbar lösen, und dass durch Eingriff von oben die Getränkerechnung
niedrig bleibt.
Aber vielleicht kennen die Paare aus dieser Geschichte die leeren Krüge! Immer wieder kommt das im Leben vor. Immer wieder sind die Krüge leer. Ich meine nicht die Krüge in der Küche oder in der
Vorratskammer. Ich meine sozusagen die Krüge im Herzen, im Leben. Wir suchen das „Leben in Fülle“, das Leben in seiner Schönheit und seinem Glanz, und finden oft nur halbleere oder leere Krüge: innere
Leere, Langeweile, oft stumpfsinnige Routine, Gleichgültigkeit, Ausgebrannt sein. Die Freude ist weg, die Stimmung ist weg, die Motivation, der Sinn. Wir sprechen dann vom Leerlauf: wir halten die Hände
durchaus nicht im Schoß, rastlos sind wir in Bewegung, „in action“. Vielleicht packen wir alles Mögliche in die leeren Krüge hinein, um sie zu füllen, um die Zeit zu füllen, viel Ersatz, viel Plunder,
und zappen durch alle Fernsehprogramme. Wir machen und tun oder halten Sitzungen ab und schöpfen und schöpfen – aber es wird nichts Rechtes draus. Und vom Festlichen, von der Feier, vom Wein und vom
Glück sind wir dann weit entfernt. Der zündende Funke fehlt, das Glück stellt sich nicht ein, es liegt kein Segen darauf. Im Bild gesprochen: Der Wein ist weg, die Freude ist weg, das Glas ist leer.
Etwas Entscheidendes fehlt, das nur schwer zu benennen ist.
In unserem Evangelium haben nicht die leeren Krüge das letzte Wort. Das hat der Speisemeister, der Küchenchef, der das Geschehen mitbekommen hat. Er sagt zum Bräutigam: „Du hast den besten Wein bis
jetzt zurückgehalten.“ Wie kann es sein, dass die leeren Krüge zum Schluss besten Wein enthalten? Nun, der Evangelist Johannes bereitet dieses Finale, dieses Ergebnis sorgsam vor. Als erstes sagt er:
Jesus ist Gast beim Fest, einfach nur Teilnehmer. Mit meinen Brautpaaren versuche ich dann darüber nachzudenken, wie wir Jesus heute in unser Leben einladen können, wie er in unserem Leben Gast, ja
Dauergast sein kann – stillschweigend Dauergast, ohne große Worte. Das Wunder hängt daran, dass Jesus dabei ist, dass er Gast ist – dass wir ihn einladen. Wenn wir ihn nicht hereinlassen in unser Leben,
dann kann es sein: die Krüge bleiben leer oder haben in sich nur abgestandenes Wasser.
Der Evangelist Johannes baut dann eine Spannung auf in dem Gespräch zwischen Maria und Jesus. Maria ist ganz aufmerksam, sie kriegt die Nöte mit und sagt zu Jesus: „Sie haben keinen Wein mehr.“
Das heißt: Tu was. Du kannst doch helfen. Du hast doch ein Herz für die Leute. Die Not ist dir doch nicht egal.
Merkwürdig schroff kommt die Antwort Jesu. In alter Übersetzung am deutlichsten: „Weib, was habe ich mit dir zu schaffen?“ Und dann: „Meine Stunde ist noch nicht gekommen!“ Seine Stunde ist
bei Johannes, diesem Meister des Symbolischen, die Todesstunde am Kreuz! Da wird er zeigen, was er für die Menschen ist und tut. Diese Hochzeitsgeschichte – ganz am Anfang von Jesu öffentlichem Wirken –
ist wie ein Vorhinweis darauf: Die Reinigungskrüge, die da am Eingang stehen, weisen hin auf die spätere Fußwaschung, der Wein auf das Abendmahl und die dortige große Verwandlung: Der Wein wird da zum
Blut Christi.
Es ist, als wollte Jesus an dieser Stelle, zu Beginn seines Wirkens, sagen: Ich bin noch nicht so weit. Das Entscheidende kommt noch! Hier in Kana bei der Hochzeit ist alles noch Andeutung. Die große
Wandlung und Hingabe stehen noch aus, die wir in jeder Messe feiern! Aber wir ahnen schon den Überschwang und die Maßlosigkeit dieser Liebe in dieser riesigen Menge besten Weins. Wir ahnen das Fest und
die Freude, die Jesus mit uns teilen will.
Dann folgt der gute Rat Marias an die Diener: „Was er euch sagt, das tut!“ Eine Kurzfassung des christlichen Lebens! Wir werden also auf Jesu Wort, auf seine Botschaft verwiesen. Den Dienern
sagt Jesus: „Füllt die leeren Krüge.“ Das ist wirklich Knochenarbeit: 60 große Eimer vom Brunnen herüberschleppen. Und dann: „Schöpft jetzt!“
Ich finde, diese Rolle der Diener ist unsere Rolle: Tun, was er sagt. Und so das Wunder vorbereiten, das nicht von uns kommt. Vorbereiten durch das „Schöpfen“, das Bemühen, durch gute Arbeit, durch die
Mühen des Alltags – und vor allem durch unser gläubiges Vertrauen.
„Wer nicht an Wunder glaubt, ist kein Realist,“ sagte der Gründungspräsident Israels, Ben Gurion. Er konnte selbst noch miterleben, wie die Wüste Negev in Israel bewässert wurde und heute fruchtbares
Ackerland ist. Da lässt sich heute so viel schöpfen! Um die leeren Krüge im eigenen Leben wie in der Kirche zu füllen und die Wüsten fruchtbar zu machen, braucht man Visionen und Gottvertrauen, eine
unbändige Hoffnung, Mut und Geist – heiligen Geist. Damit es aber wirklich zündet und der Wein des Festes und der Freude, der Wein der Fülle und der Erfüllung in die Krüge kommt, brauchen wir Gott und
seinen Boten Jesus Christus. Er ist der große Verwandler, immer wieder hat er Trauer in Freude und Resignation in Hoffnung verwandelt.
Für uns aber gilt – mit den Worten der uralten Dichterin Hilde Domin: „Nicht müde werden, sondern dem Wunder leise wie einem Vogel die Hand hinhalten“.