125. Kirchweihjubiläum St. Matthäus Altena

Predigt am 29.09.2024

125. Geburtstag unserer Pfarrkirche. Kirchen werden in der Regel älter als Menschen. In Altena galt das nicht immer: Die Kirche „Thomas Morus“ etwa starb in den besten Jahren. Und so bleibt die Kirche nicht immer im Dorf. Im Mittelalter – ab 1318 – gab es die Kirche der Stadtheiligen Katharina, die heutige Lutherkirche, wirklich mittendrin. Dann kam die Reformation, viele Fürsten und Grafen wurden evangelisch, und mit ihnen ihr Land. Wie der Herr, so’s Gescherr, sagt der Volksmund. Am 21.9.1584 wurde der letzte noch verbliebene katholische Priester von der Kanzel gerissen. (Ich hoffe, dass mir das niemals passiert.
Zweihundert Jahre lang gab es dann keine Katholiken. 1784, im Zuge der Industrialisierung, brauchten Fabrikanten Facharbeiter aus Aachen. Die waren zumeist katholisch und sagten: Wir kommen nur, wenn wir auch eine Gemeinde und die Messe haben können! Zunächst mussten sie mit einem katholischen Gesellenhaus vorliebnehmen, dann konnte man erst an eine Kirche denken – beileibe nicht mitten in der Stadt, sondern am Rande, „Auf dem Sande“, mit dem kümmerlichen Turm. Mehr vertrug die Statik nicht! Aber mit einem sehr schönen Kirchraum. Der war 1899 fertig. Wenn ich Freunden und Bekannten aus der Ferne, etwa aus Lüdenscheid oder noch weiter weg, die Kirche zeige, dann haben sie alle Glanz in den Augen. Kein Lüdenscheider war vorher jemals in St. Matthäus. Das ist ja fast Ausland! So ist das im Sauerland.

Ticken die Leute heute noch so wie die frommen Aachener Nadel- und Drahtzieher? Vor kurzem schwärmte mir eine ältere Dame vor, welch wunderbar gestalteten Gottesdienst sie sonntagsmorgens im Fernsehen mitfeiere, und wie praktisch das doch sei: Sie müsse sich nicht umziehen, es sei auch nicht so kalt wie in der Kirche, und sie könne gemütlich im Sessel ihres Wohnzimmers sitzen bleiben.
Es gibt so viele Gründe, warum sich die Kirchen leeren. Der Sessel ist gemütlicher als die Kirchenbank. Das ist noch sehr harmlos! Es sind ja nur noch alte Leute da - wir werden nicht angesprochen, sagen die Jüngeren. Die Lieder und Texte gehen da rein und da raus. Und Frauen haben nichts zu sagen in der Kirche – außer in Altena! Die Missstände auf den hohen und niedrigen Rängen! Der Papst spricht zu Recht von einer „zerbeulten Kirche“. Die Entfernung vom Glauben geht immer weiter. Gott? Keine Ahnung, was es mit ihm auf sich hat. Interessiert mich auch nicht. Die bedrängendste Aussage: Ich glaub nix, und mir fehlt nix. Kirche ist so himmelweit weg.

Ich war in der letzten Woche an der Ostsee. Interessant das Stadtbild der größeren Städte, wie Lübeck, Wismar, Stralsund und Greifswald. Die Altstadt wird jeweils überragt von drei großen Kirchen, deren Türme nach oben weisen, in den Himmel. Wie Hinweisschilder auf Gott! Die Silhouette der Städte ist ganz von ihnen bestimmt. Die Zahl der getauften Christen etwa in Wismar liegt aber nur bei ca. 10 Prozent. Aber was hüten die kleingewordenen Gemeinden da für Schätze! Viele Gemeindemitglieder, besonders Rentner und Rentnerinnen, sind zur Stelle, um den unzähligen Touristen mit ihren Fotoapparaten ihre Kirche zu zeigen und zu erklären – und auch um auf Projekte ihrer Gemeinden hinzuweisen. Vielleicht ist das die Aufgabe heutiger Christen: der großen Mehrheit nichtreligiöser Menschen die eigenen Schätze zu zeigen, auf Gott hinzuweisen und so ins Gespräch zu kommen.

Wozu sind Kirchen gut? Gott braucht kein festliches Gotteshaus. Er kann sein Heil und seinen Segen überall schenken – auch vor dem Fernseher! Aber wir, die Menschen, wir brauchen Orte des Zusammenkommens und der Gemeinschaft im Glauben.
In einem Land in Südamerika traf sich der neue Missionar, der aus Deutschland kam, mit seinen Leuten: indianischen Bauern, alle sehr arm. Man wollte eine Gemeinde aufbauen. Aber wie anfangen? Was braucht ihr am dringlichsten, fragte der Priester, und er dachte, die Leute würden nun sagen: eine Gesundheitsstation, oder eine Schule, oder eine Armenküche. „Was wir brauchen, ist zuerst eine kleine Kirche!,“ erklärten die Leute. Als erstes eine Kirche?, fragte der Missionar ganz überrascht zurück, für ihn schienen die sozialen Projekte vordringlich. „Ja, eine Kirche,“ wiederholten die Leute, „denn in ihr spüren wir unsere Würde!“
Eine wunderbare Antwort, finde ich. Hier spüren wir unsere Würde. Die Würde, gemeinsam Kinder Gottes zu sein, von Gott geliebte Menschen, getauft in seine Liebe hinein. Die erdrückende Armut ist nicht alles in unserem Leben. Der Glaube an Gott ist wie ein Schatz. Unser Blick weitet sich, vertieft sich, erhebt sich nach oben. Wir bekommen Hoffnung und Mut. Wir spüren unsere Würde.

Auch in unserem Land und hier in Altena, wo erdrückende Armut nicht das Problem ist, spüren wir unsere Würde. Wir Menschen sind mehr als nur Konsumenten, die kaufen und Geld ausgeben. Oder die sich von den Medien andauernd berieseln lassen. Und die in eine Oberflächlichkeit geraten, in der viele Fragen des Lebens gar nicht mehr vorkommen. Wir brauchen ein Dach nicht nur über dem Körper, sondern auch über der Seele! Ein solches Seelendach kann unsere Kirche St. Matthäus sein. Ein Bau nicht aus toten, sondern aus lebendigen Steinen.

Noch ein Wort zu unserem Pfarrpatron. Matthäus, der zu diesem Seelendach gehört - und zu dieser Würde des Christseins. Er war ja ein Zöllner, genauso wie Zachäus im heutigen Evangelium vom Kirchweihfest. Zöllner hatten einen denkbar schlechten Ruf, sie waren korrupt und mit den verhassten Römern im Bunde. Man sollte meinen, sie wären unwürdig – außerhalb der Würde des Christseins. Aber Jesus schaut nicht auf die „weiße Weste“, er traut den Menschen Umkehr und neue Schritte zu. Er ruft Menschen, „lebendige Steine“ im Haus der Kirche zu sein – nicht weil sie so gut und toll sind, sondern weil er so gut ist.

In diesem Gebet wenden wir uns an unseren Pfarrpatron und bitten um Kraft und Zuversicht für unsere Pfarrei:
Heiliger Matthäus,
wir brauchen dich
als Pfarrpatron.
Wir brauchen himm-
lische Verstärkung.
Wir brauchen einen
einflussreichen Fürsprecher.
Du bist dafür ein-
deutig der Richtige!

Brems uns aus,
wenn es nicht mehr
um Jesus geht,
sondern um uns.
Oder wenn wir
ganz mutlos werden
in der Schwäche
der heutigen Kirche.
Lass uns gute Zeugen
sein - für IHN.

Du warst so nah
dran an Jesus.
Du kennst das Leben,
auch am Zoll hast du
viel mitgekriegt.
Über die Kirche hast du
Wichtiges gesagt.
Die letzten Worte
in deinem Evangelium
sind Worte Jesu -
voller Verheißung:
Ich bin bei euch
alle Tage
bis zum Ende der Welt.

Hol uns heraus, wenn
wir den Verheißungen
nicht mehr vertrauen
und uns nur stützen
auf unsere eigenen
Pläne und Aktionen.