„Ich bin das Brot des Lebens“

Predigt am 04.08.2024

In Lüdenscheid, in der Nähe meiner Wohnung, gibt es eine richtig gute Bäckerei. Die Leute stehen da oft Schlange. Der Chef backt selber und lässt sich einiges einfallen: Brot mit Nüssen drin, mit Zwiebeln oder Pflaumen, Möhren oder Rosinen und mit kräftiger Kruste. Zuhause esse ich dann mit herzhaftem Behagen ein oder zwei Schnitten ohne etwas drauf, eine „Trockenübung“ ohne Wurst oder Käse. Das Brot selber ist für mich das kulinarische Erlebnis! Mehr als 300 verschiedene Brotsorten soll es in Deutschland geben – also eine überaus reiche Auswahl. Die Amerikaner könnten da richtig neidisch werden mit ihrem ewigen labberigen Toast- und Weißbrot oder die Franzosen mit ihrem Baguette.

Ich rieche den Duft des Brotes und kaue es, gründlich und ausgiebig. Ich lasse mir Zeit dabei, es zu schmecken – und komme auf den Geschmack. Das Brot ist kräftig und nicht gleich beim ersten Biss gefällig – kein Schnickschnack, kein Sahnehäubhen und Zuckerzeug, nichts Künstliches, keine Geschmacksverstärker. Alles echt und nahrhaft. Danke, Bäcker Engelhardt!

Und dann fällt mir auf einmal das Vaterunser ein. Unser tägliches Brot gib uns heute! Brot steht in diesem Gebet stellvertretend für alles, was wir zum Leben brauchen: steht für eine Nahrung, die den Leib ernährt, aber auch die Seele. Auch die Seele, das Herz, das Innere braucht gute Kost und keinen billigen Ramsch!

In unserer eigenen christlichen Tradition gibt es Schätze, die wie gutes kräftiges Brot sind – ganz echt. Ganz nahrhaft. Ich denke z.B.: das Vater unser. Oder die Psalmen. Alte Lieder. Die Musik von Bach. Ikonen. Der Blick auf Heilige wie Franz von Assisi. Eigentlich die ganze Messliturgie. Manche tun das alles schnell als "altbacken" ab. Es kommt ihnen vor wie Brot, das steinalt und hart geworden ist, so dass man es nicht mehr essen mag. Ich meine, wir sollten an diesen Schätzen intensiv kauen, uns manchmal vielleicht auch „die Zähne dran ausbeißen", – kauen, verarbeiten. Nicht um alles zu schlucken, nicht um gedankenlos wiederzukäuen, sondern um zu schmecken. Um den Glauben „zu schmecken", langsam und bedächtig. Nicht hastig wie "fastfood" aus der schnellen Küche, wie eine Tüte Pommes! Bedächtig – um dahinter zu kommen: Was für Erfahrungen stecken hinter den Worten? Was für eine Kraft? Vielleicht spüren wir ja hinter all diesen Worten nicht nur eine Kraft, sondern eine Person, die uns mehr geben will als 300 Kalorien für den Augenblick. Von ihr – von ihm, Jesus – kommen die Worte: „Müht euch nicht ab für die Speise, die verdirbt - sondern für die Speise, die für das ewige Leben bleibt.“

Jede Speise, die wir essen, hat ihr Verfallsdatum und verdirbt einmal, wird schlecht. Du kannst essen, was Du willst, und sei es täglich Kaviar, keine Speise der Welt kann verhindern, dass Du selber verdirbst. Keine Speise verhindert den Tod. Und damit ist die Messlatte gelegt: Jesus bietet eine Speise an, die – so sagt er – "ewiges Leben schenkt", die sozusagen dem Tod gewachsen ist.

Die Speisung durch Jesus hat einen Vorläufer in der Bibel: das Manna in der Wüste. Wir hörten in der Lesung von dem murrenden, schimpfenden, fast immer unzufriedenen Volk Israel, dessen Magen in der Wüste laut vor Hunger knurrte. Und so wurde übertönt und vergessen, dass Gott das Volk aus der Unterdrückung befreit und aus dem Sklavenhaus in Ägypten herausgeführt hat. Da tut Gott mitten in der Wüste für die Hungernden ein Zeichen: Vogelschwärme von Wachteln fliegen ein und können gebraten werden. Wasser springt aus einer Wasserader im Felsen. Die Tamariskensträucher, die auch in der Wüste wachsen, schwitzen in der Morgenfrühe eine süße knusprige Substanz aus, die man wie Brot backen kann. "Manhu, was ist das?" fragten die Leute, daher kommt das Wort Manna. Und Mose gibt die Antwort auf die Frage, was das ist: "Das ist das Brot, das der Herr euch zu essen gibt." Alle Nahrung soll ein Zeichen sein für Gottes Güte und Sorge um den Menschen. "Aller Augen warten auf dich – und du gibst ihnen Speise zur rechten Zeit …", so wird man später beten.

Hier jetzt, im Evangelium, hat Jesus es auch mit Leuten zu tun, die nur schwer begreifen. Sie sind satt geworden, wollen für immer satt bleiben, im Wohlstand leben und alles zur Verfügung haben. Wie Menschen des 21. Jahrhunderts! Stattdessen hören sie von Jesus: "Ich bin das Brot des Lebens." Jesus sagt: So unersetzlich wie das Brot bin ich für das Leben – für das Leben in Fülle, für das ewige Leben, das kein Tod begrenzen kann. Jesus findet im Johannes-Evangelium dafür viele Bilder: Ich bin das lebendige Wasser. Ich bin das Licht der Welt. Ich bin das Weizenkorn, das reiche Frucht bringt. Wasser – Licht – Brot: lässt es sich besser ausdrücken, was Jesus für uns sein will – und was er uns schenkt – gratis, umsonst? Kein Stück Brot, kein Stück Fleisch, kein Champagner, keine Süßigkeit und kein Ding dieser Welt kann uns wirklich zufrieden machen, wenn wir nicht einen Menschen haben, der uns wie Brot, wie Fleisch, wie das Licht ist. Das will dieser Jesus sein für jeden von uns. Brot essen, konsumieren ist wichtig, aber reicht nicht – für unser Leben. „Wir essen das Brot – und leben vom Glanz“, sagt die Dichterin Hilde Domin.

Ich wünsche uns allen, dass der Glanz, dass das "Licht der Welt" uns leuchtet und erleuchtet. Brot und Glanz - das erst ist das Leben!