Gott gibt – wir auch?

Predigt am 28.07.2024

In St. Medardus in Lüdenscheid gibt es eine Gruppe „58plus“ (die sich schon seit langem trifft und sich daher heute eher 78plus nennen müsste!). Da treffen sich abends rund 40 Leute. Erster Teil des Treffens: Abendessen! Austausch beim Essen. Jeder bringt etwas mit zu einem Buffet. Es ist noch nie vorgekommen, dass alle auf die Idee kamen, z.B. nur Frikadellen mitzubringen! Der Tisch ist immer reichlich und vielfältig gedeckt. Und es bleibt viel übrig!

„Wenn jeder gibt, was er hat, dann werden alle satt“, sangen wir früher in einem Lied. Und es stimmt: Wenn jeder gibt, was er hat, dann könnte der große Hunger gestillt werden – der Hunger nach Nahrung, aber auch der Hunger nach Anerkennung und menschlicher Wärme. Wenn jeder gibt, was er hat, dann ahmen wir Gott nach und machen es wie Jesus: Er hat ausgeteilt, er hat nichts für sich zurückbehalten, keine geheimen Reserven. Selbst sein eigenes Leben gab er dahin.

Das Evangelium ist von dieser Erfahrung durchtränkt. Jesus ist unterwegs, steigt auf einen Berg und setzt sich mit seinen Jüngern nieder – ganz so wie bei der Bergpredigt, als er vor großer Menschenmenge die entscheidenden Worte spricht. Nun aber folgt ein Zeichen, ein Zeichen der göttlichen Liebe. Wir sprechen meistens von einem „Wunder“. Das Wunder der Brotvermehrung! Während Menschen anderer Länder und Kulturkreise (etwa die Afrikaner) die Wunder bestaunen und „wunderbar“ finden und in ihnen eine Botschaft erahnen, gehen wir Deutschen oft sofort mit kritischer aufgeklärter Skepsis an die Wunder heran: Wie soll das denn gehen? Das ist doch unmöglich! Das hält doch nicht stand – weder vor dem „gesunden Menschenverstand“ noch vor der Wissenschaft! Und so verbauen wir uns blitzschnell den Zugang zu dem, was das „Zeichen“ sagen möchte, und was am „Wunder“ so wunderbar ist.

Nebenbei gesagt: Begegnen wir nicht immer wieder dem Wunder? Ein Kind wird geboren und strahlt dich an – ein Wunder! Da sagt keiner: Das sind doch nur biologische Gesetzmäßigkeiten. Ein junger Mann verliebt sich in eine junge Frau, und gleichzeitig steht die junge Frau in Flammen angesichts des jungen Mannes – Gott sei Dank ist das Begehren und die Liebe nicht nur auf einer Seite: wieder ein Wunder! In jeder Hochzeit feiern wir das – und keiner sagt: Das sind doch nur psychologische Gesetzmäßigkeiten! Oder: Nach langem kalten Krieg fällt die Mauer in Berlin, Menschen in Ost und West sind wieder vereint, ohne jegliches Blutvergießen – ein Wunder! Und keiner sagt: Das sind doch nur politische Gesetzmäßigkeiten!

Schieben wir das Wort „Wunder“ also nicht beiseite, schon gar nicht im Blick auf Gott. In seinem Sohn Jesus Christus lässt er Zeichen und Wunder geschehen: damit die Herzen der Menschen aufbrechen.
Die Herzen der Menschen sind oft verschlossen. Jeder ist erstmal geneigt, nur an sich zu denken, und an seine Familie. Jeder füttert sich erstmal selber. Aber durch Jesus geraten Menschen in Bewegung.

Im Evangelium sieht Jesus die Menschenmenge – ein riesiges Picknick. Allein 5000 Männer! Jesus hat den Kopf nicht in den Wolken, sondern ist sehr geerdet. Ihm ist klar, dass in dieser abgelegenen Einöde ohne jeden Supermarkt in der Nähe den Leuten – bestimmt den Männern! – bald der Magen knurrt. Der knurrende Magen übertönt die Worte Jesu. Und so sieht er es als seinen Auftrag an, den Hunger zu stillen. In einer anderen Fassung des Evangeliums sagt er zu seinen Jüngern, die ratlos und hilflos den Kopf schütteln: „Gebt ihr ihnen zu essen!“ Die Initialzündung gibt jetzt ein kleiner Junge, der fünf Brote und zwei Fische dabeihat. Damit fängt Jesus an. Er spricht das Dankgebet (wie in der Eucharistie!) Mit ganz wenig geht es los. Und es reichte für alle.

Also ein unscheinbarer, aber ganz zuversichtlicher Beginn und ein sattes Ergebnis (12 Körbe bleiben übrig – ausgerechnet zwölf. Eine großzügige Überfülle!) Was dazwischen passiert ist, wird nicht erzählt. Sicher keine Zauberei – Jesus hat nie einen Zauberstab geschwungen! Eher eine Bewegung des Teilens und Weitergebens – ein Gemeinschaftswerk: Jesus mit seiner Energie der Liebe und Hoffnung fängt an, und die Leute greifen es auf, geben weiter. Über allem aber der göttliche Segen: Gott und Mensch wirken zusammen!

Beim Pilgern ins Heilige Land kann man dort in Zeichnungen und Abbildungen vier Brote und zwei Fische finden. Nur vier Brote! Gemeint ist: wenn du das Wunder der Brotvermehrung erleben und erkennen willst, musst du von dir noch ein Brot dazulegen.