Dämonen austreiben

Predigt am 28.01.20243

Ein Fall von Besessenheit wird erzählt – ausgerechnet in einer Synagoge! Da lehrte Jesus, und alle staunen über seine „Vollmacht“, über eine Kraft, die die Herzen erreichte. Der Besessene spürt wohl diese Kraft und wehrt sich dagegen: „Was haben wir mit dir zu tun, Jesus von Nazaret? Bist du gekommen, um uns ins Verderben zu stürzen? Ich weiß, wer du bist: der Heilige Gottes!“ Und Jesus befahl dem unreinen Geist, den Kranken zu verlassen.

Besessenheit? Eine fremde Macht hat das eigene Lebenshaus besetzt? Und der fremde Hausbesetzer hat jetzt das Sagen?
Besessenheit? Gibt es das noch? Oder betrifft das heute nur so ein paar Randexistenzen, die mit Schaum vorm Mund, verdrehten Augen und wirrem Reden weggesperrt sind?

Besessene gibt es heute zuhauf. Besessen von einer Zwangsidee, von irgendeiner Macht irritieren sie uns, und wir prallen an ihnen ab.
Ich denke an einen Flüchtling aus Asien, der schon lange hier lebt. Traumatisiert von dem grausamen Bürgerkrieg in seiner Heimat, bildete sich bei ihm ein starker Verfolgungswahn. Er sagt: „Die haben mir einen Chip ins Gehirn gepflanzt, die wissen alles, was ich denke.“ Wer „die“ sind, sagt er nicht. Fragt man ihn, ob er Medikamente nimmt, verneint er: „Die wollen mich damit vergiften!“ Geheimdienste und überhaupt alle sind hinter ihm her. Alle trachten ihm nach dem Leben. Wer mit ihm spricht, dringt nicht zu ihm durch; er hört immer dasselbe. Dieser wirklich arme Mensch ist von seinem Wahn wie besetzt, wie besessen – sein Fühlen und Denken ist wie abgeschlossen von dieser Besatzungsmacht.

Ein zweites Beispiel. Ich blicke herüber nach Amerika. Da will ein Besessener Präsident der USA werden. Jedes Mittel ist ihm dazu recht. Er lügt, dass sich die Balken biegen. Er ruft zum Hass auf. Er macht jeden Andersdenkenden fertig. Ein Dialog mit ihm ist nicht denkbar. Wie abgeschlossen wirkt auch sein Fühlen und Denken. Man kommt nicht wirklich an ihn ran. Und er hat Erfolg damit – ein Riesenerfolg zeichnet sich wieder ab! Macht-Besessenheit kann also auch faszinieren und bewundert werden, die Zahl der Jünger, Anhängerinnen, follower ist unvorstellbar groß.

Es gibt auch Menschen, die sind besessen von der Arbeit. Workaholics nennt man sie auch. Ihre ganze Aufmerksamkeit widmen sie der Arbeit. Ehepartner und Kinder müssen zurückstecken, für sie bleibt nicht viel Zeit und Kraft. Wie es ihnen wirklich geht, kriegt der Arbeitsbesessene kaum mit. Wichtiger ist der berufliche Erfolg, aus ihm speist sich das eigene Selbstbewusstsein. Seine eigene Leistung ist ihm das Wichtigste in der Welt. Bis ihn zum Beispiel ein Herzinfarkt lähmt und zum Umdenken zwingt. Aber bis dahin dringt kaum einer richtig zu ihm durch, der Hausbesetzer „Leistung“ hat das Sagen, und er duldet keine Herausforderung und keinen Widerspruch.

Damit verwandt ist die Besessenheit von sich selber, vom eigenen Ego. Ich kenne Leute, die denken und reden immer in der Ich-Form, kaum in der Wir-Form. Ich – ich – ich. Die müssen ständig bestätigt werden oder sich selber bestätigen. Alles, was geschieht, wird eingesetzt zur Entfaltung des eigenen Egos – eine Gefahr, der viele Promis ausgesetzt sind. Das Image wird gepflegt und poliert, ganze Beratergruppen konzentrieren sich darauf. Man darf keine Fehler mehr machen, jeder Fehler kann zur medialen Katastrophe werden, und immer mehr entgleitet einem die Frage, wer man eigentlich wirklich ist.

Und Jesus? Er treibt in der Synagoge den dämonischen Hausbesetzer aus. Wie kann er das?

Meine Antwort: Weil er selber besessen ist! Ja, „besessen von Gott“, aber in aller Freiheit. Voll von Gott. Ihm, Gott, will er dienen, er hat kein eigenes Interesse für sich, das nur ihm selber dient.
Und Gott zu dienen heißt nicht, Tag und Nacht Halleluja zu singen oder die Macht der Kirche stärken zu müssen.
Es heißt eher,
- dankbar zu sein für das Leben, lebensfroh seinen Weg zu gehen,
- sich selber von Illusionen zu befreien und sich nicht für den Mittelpunkt der Welt zu halten,
- nicht der Macht zu opfern, sondern die Ohnmacht Gottes in der Welt zu teilen,
- sich nicht durch eigene Leistung selbst „erlösen“ zu wollen, sondern der schon geschehenen Erlösung gläubig zu vertrauen,

Die Besessenheit von Gott nach dem Beispiel Jesu ist also etwas unendlich Heilsames. Sie führt in die Offenheit zum Leben hin und zum Nächsten hin und sprengt die Verschlossenheit der Dämonen. Und sie ist siegreich, wie das Evangelium in der Synagoge zeigt: Der Dämon gibt sich geschlagen, er weicht, er wird vor Gott als Inbegriff eines falschen, gefährlichen Lebens entlarvt. Die Leute, die in der Synagoge dabei sind, erschrecken vor diesem geistigen Kampf und preisen die Vollmacht, mit der Jesus handelt – bis heute.