Bert van Loo † – 63

Predigt am 12.12.2023


Hier sind jetzt Menschen aus der Familie und Privatsphäre von Bert van Loo vereint mit anderen, die mit ihm beruflich zu tun hatten, die z.B. seine Patienten und Patientinnen waren. Alle wollen Abschied nehmen von diesem Mann, mit dem sie sich – oft schon sehr lange – verbunden fühlen.

Sein Beruf wird im Internet angegeben mit „Heilpraktiker“ und mit „Osteopath“. Und dieses zweite Fremdwort wird verstanden als eine „eigenständige ganzheitliche Form der Medizin, in der Diagnostik und Behandlung mit den Händen erfolgen. Der Mensch wird in seiner Gesamtheit gesehen und behandelt.“ Der Berufsverband wirbt mit dem Slogan „In besten Händen“.

In den besten Händen – ja, so konnte man sich bei Bert van Loo fühlen – familiär, privat oder in seiner Praxis. Es waren Hände, die nicht nur handelten, sondern die etwas erspürten – das, was mit uns Menschen los ist, was uns verspannt und schmerzt. Er spürte das mit Herz und Händen. Und so be-hand-elte er: ganz-heitlich, den ganzen Menschen im Blick. Nochmal gesagt: mit Herz und Händen. Eine Patientin sagte mir: „Wenn er mit mir sprach, fühlte ich mich besser. Er hatte eine ganz besondere Ausstrahlung. Von ihm ging eine große Zuversicht aus!“

„Heilpraktiker“ war das andere Wort, das seinen Beruf umreißt. Wenn ich das Wort höre, empfinde ich als Pastor eine Verwandtschaft. Es geht um eine Praxis des Heils, des Heilwerdens. Heil – das kann so viel sein, das hat mit Gesundheit zu tun, auch mit „richtigem“ Leben, mit dem Bemühen, Lebensschädliches zu überwinden, hinter sich zu lassen. Und Heil hat zu tun mit Glauben, mit der Hoffnung, in den großen Händen Gottes zu sein, im „ewigen Heil“. Ein Heilpraktiker überlässt diesen Aspekt vielleicht eher dem Pastor, aber Bert van Loo hatte auch dafür ein Gespür. Er war verwurzelt im christlichen Glauben, er dachte nach und suchte und fragte und betete. Oft war er in dieser Kirche zu sehen, bei Gottesdiensten genauso wie in der Stille des Nachdenkens, Meditierens und Betens. Er wusste sich in den Händen Gottes, hatte aber auch seine Fragen. Zum Schluss seines Lebens: Warum dieses Leid, warum diese Schmerzen?

Auf der Todesanzeige ist ein Kreuz abgebildet, aber anders als sonst. Nicht so gerade und genau umrissen, wie mit dem Lineal, sondern skizzenhaft, aus dem Handgelenk, schnell hingezeichnet. Ich dachte mir: Das Kreuz ist viel lebendiger und offener so, kein „Pflichtzeichen“, das sich „so gehört“- nein, eher das Zeichen eines individuellen suchenden und ringenden Glaubens – ein Zeichen des Lebens und nicht nur des Todes.

Nun etwas zur Lebensgeschichte. Bert van Loo kam aus Belgien, aus Duffel, einer kleinen historisch interessanten Stadt in der Provinz Antwerpen. 1960 geboren, wuchs er mit zwei Brüdern auf, ein dritter war schon mit 8 Jahren gestorben. Seine Eltern wurden beide sehr alt und starben kurz hintereinander vor etwa 7 Jahren. Mit 23 Jahren kam Bert van Loo nach Lüdenscheid. Er wurde 1983 in der Sportklinik als Physiotherapeut angestellt. In den folgenden Jahren kamen die großen Weichenstellungen: 1984 die Heirat mit seiner Frau Hilde, 1986 und 1987 die Geburt der Kinder Tom und Katrin, ebenfalls 1987 die Eröffnung einer eigenen physiotherapeutischen Praxis. In den 90er Jahren die Spezialisierung auf Osteopathie, seit 2004 mit der Praxis in der Schillerstraße. Tätig in der Ausbildung junger Kollegen und Kolleginnen. Bekannt und geschätzt in der Stadt. Gern – mindestens bis zu seinem 70. Jahr – hätte er dort noch weitergearbeitet.

Bei aller beruflichen Beanspruchung war Bert van Loo ein Familienmensch. Was ihm an Zeit fehlte, machte er wett durch Intensität. Man konnte wunderbar mit ihm sprechen – und auch schweigen, sagt die Tochter Katrin. Er war ruhig und besonnen, ein großer Leser, er ging gern spazieren, sorgte für gemütliches und ansprechendes Dekor zuhause und erholte sich immer wieder in Naturns in Südtirol. Gleichzeitig liebte er die Geselligkeit. Er freute sich, wenn die ganze Familie zusammen war: die Kinder mit ihren Familien, die drei Enkel hatte er ins Herz geschlossen, den vierten, der im Frühjahr auf die Welt kommt, lernte er nicht mehr kennen. Die Aussicht, zukünftig viel mehr Zeit mit ihnen zu verbringen, inspirierte ihn. Er hätte dann auch gern für sie gekocht. Alle Hebel setzte er in Bewegung, um seinen Kindern in Herne und Eppelsheim nahe zu sein.

Die Krankheit überfiel ihn im März dieses Jahres. Ab September wurde sie bedrohlich. Ende Oktober sah die ärztliche Prognose so aus, dass er nicht mehr lange leben würde – noch ein, zwei Monate. Wie gern hätte er noch gelebt. Schmerzen, Schwäche, Übelkeit nahmen überhand. Er, der in seinem Beruf so sehr die Schmerzen anderer lindern half, wurde selber von ihnen gepeinigt. Das empfand auch er als „unfair“! Zuhause wurde er liebevoll von seiner Frau Hilde gepflegt. Bis in seine letzten Tage hinein konnte er noch sprechen. Als ich ihm die Krankensalbung brachte, war zu meiner Überraschung sogar ein heiterer, leicht scherzhafter Ton in der Unterhaltung zu spüren. Er starb am 1. Dezember 2023, kurz vor Beginn des Advents.

In einem Notizbuch hat Bert van Loo ein Zitat der großen Malerin Paula Modersohn-Becker angestrichen (die selber nur 31 Jahre alt wurde): „Traurigsein ist wohl etwas Natürliches. Es ist wohl ein Atemholen zur Freude, ein Vorbereiten der Seele dazu.“ Möge Bert van Loo nun in diese Freude eingehen, die der Schlusston allen Lebens ist. Denn der Himmel ist: Freude.