Christkönigsfest - Das Weltgericht

Predigt am 26.11.2023


Heute Nachmittag wird bei uns die Kirche St. Josef in Nachrodt geschlossen bzw. entwidmet. Fast hundert Jahre lang war sie die Heimat der dortigen katholischen Christen. Man darf wohl fragen: Wird es auch in zwanzig, dreißig oder mehr Jahren dort noch Katholiken geben? Und woran werden sie erkennbar sein?

Irgendwo habe ich mal diese Frage gelesen, und sie ist mir nachgegangen: Stellen Sie sich vor, wir Christen würden verfolgt. Welche Beweise gibt es, uns zu überführen?
Damit hat sich schon die frühe Christenheit beschäftigt und einiges ins Neue Testament geschrieben. Woran erkennt man Menschen, die nach dem Willen Gottes leben? Wodurch kann man sie „überführen“?

Vielleicht erwarten wir als Antwort: Tiefer Glaube, tiefes Gottvertrauen. Starke Verbundenheit mit der Kirche. Regelmäßiger Gang zur Messe, und ähnliches.
Im Matthäusevangelium (Mt 25) finden wir eine ganz andere Antwort. Die Szene ist ein Weltgericht, wo wir uns verantworten für unser Leben. Da werden wir erwartet. Da werden wir befragt. Da wird uns sozusagen ein Zeugnis ausgestellt, und die Fächer sind z.B.: Hungrige speisen, Kranke besuchen, zu Fremden gastfreundlich sein.

Vielleicht erleichtert uns das. Irgendwie versuchen ja die meisten, „sozial“ zu sein. Wahrscheinlich nie genug – aber das Bemühen ist da. Die Fächer sind auch gesellschaftlich plausibel – da kann jeder zustimmen! Auch wenn es dann politisch etwa in der Migrationsfrage richtig „knirscht“. Und es schließt auch die jüngere Generation nicht aus, die eigenen Kinder oder Enkel, die mit der Kirche nicht mehr viel am Hut haben, aber Projekte für arme Kinder oder die Welthungerhilfe gern unterstützen.

Anderseits: Die Fächer und die Fragen sind gut, aber der Rahmen ist bedrohlich! Ein strenger Richter wird da gezeigt, Christus, der in der Mitte steht und die Menschen beurteilen muss. Schafe oder Böcke. Nach rechts oder nach links. Die mittelalterliche Kunst fügt noch Engel dazu, die eine Waage haben, eine Seelenwaage. Die Seele wird gewogen und meist zu leicht befunden. Und so werden die einen ins Paradies und die anderen ins Verderben geschickt. In früheren Zeiten, im Mittelalter etwa, bedeutete das so viel seelischen Druck, dass fast alle sich – voller Ohnmacht und Angst – als Kandidaten der Hölle sahen und verzweifelt versuchten, durch gute Werke, Wallfahrten oder den Ablass auf die „rechte Seite“ zu den Kandidaten des Himmels zu kommen. Man weiß z.B. bei Martin Luther von diesen Seelendramen.
Der Druck und die Drohung in der Geschichte vom Weltgericht machen durchaus Angst. Drohungen mögen wir nicht. Aber man kann die Geschichte auch anders lesen oder hören – als tröstliche und Mut machende Botschaft: am Ende geschieht Gerechtigkeit. Am Ende wird alles ausgerichtet auf Gott hin. Das Krumme, Verbogene in uns wird gerade, durch Gott. Wir – jetzt noch in einer Welt von heilloser Ungerechtigkeit und Gewalt, hilflos, nicht wirklich gegen das Böse ankommend – wir werden Gott erleben in action. In seinem Miteinander von Gerechtigkeit und Barmherzigkeit. Die Hoffnung heißt: Mörder werden nicht über ihre Opfer triumphieren. Alle Menschen, die Unrecht und Gewalt erfahren haben, können darauf vertrauen – die im Holocaust Ermordeten, die Getöteten im Nahen Osten oder in der Ukraine. Da, wo wir keine Worte und kaum Möglichkeiten haben und keinen Trost und keine Hilfe, da kann Gott richten – vor allem: aufrichten.

Ein weiterer Gedanke: Der Menschensohn, der König auf seinem hohen Thron – er verhält sich wie ein Richter und verlässt die Rolle zugleich: Denn er beugt sich vom Thron hinunter und macht sich mit den Menschen gleich, die hungern und frieren und fremdeln und vor Schmerzen schreien. Was ihr einem dieser Armen getan habt, das habt ihr mir getan! Er identifiziert sich mit ihnen, ob ihnen nun geholfen wird oder nicht. In ihnen klopft er bei uns an. Er ist auf ihrer Seite! Dieser Richter erinnert mich: da sind Menschen, die mich brauchen. Sie werden für mich zu Christus. So wie der Bettler in der Legende, in dem St. Martin Christus erkannte.

Bedenkenswert ist auch, dass die Kandidaten fürs Paradies damit nicht gerechnet haben. Sie „fallen aus allen Wolken“. Was haben wir denn schon groß gemacht? Sie haben halt jemandem geholfen, der in schwerer Not war. So haben sie das Notwendige getan, ohne Hintergedanken, ohne die Absicht, Pluspunkte für den Himmel zu sammeln.

Christus spricht die Menschen im Weltgericht als Gemeinschaft an: „Was ihr getan habt, das habt ihr mir getan!“ Wir sind eine Gemeinschaft, die in den Anderen den Christus sieht und sozusagen ihre Kronen auf dem Kopf erkennt, ihre königliche Würde, Menschen zu sein. Kinder Gottes. Eine Gemeinschaft, die zugleich darauf vertraut, dass Christi Licht alles zum Leuchten bringt, was wir in unserem Leben persönlich und politisch nicht hell machen konnten.

Das Evangelium erinnert mich an meine Verantwortung, nimmt mich mit hinein in die große Weltgeschichte – mit meinem Tun und Lassen, mit meinen Versuchen und mit meinen Grenzen. Trotz aller Mühen: wir werden so vieles nicht hinbekommen und treiben immer weiter in den Sumpf hinein. Aber ich möchte die Hoffnung behalten, dass es trotz allem Gerechtigkeit gibt, die sich am Ende zeigt. Wenn wir Antwort geben und Gott so gerecht wie barmherzig die Welt ins rechte Licht bringt.