Das ABC der tüchtigen Hausfrau

Predigt am 19.11.2023


Eine tüchtige Frau, wer findet sie?
Sie übertrifft alle Perlen an Wert.
Das Herz ihres Mannes vertraut auf sie
und es fehlt ihm nicht an Gewinn.
Sie tut ihm Gutes und nichts Böses
alle Tage ihres Lebens.
Sie sorgt für Wolle und Flachs
und arbeitet voll Lust mit ihren Händen.
Nach dem Spinnrocken greift ihre Hand,
ihre Finger fassen die Spindel.
Sie öffnet ihre Hand für den Bedürftigen
und reicht ihre Hände dem Armen.
Trügerisch ist Anmut, vergänglich die Schönheit,
eine Frau, die den HERRN fürchtet,
sie allein soll man rühmen.
Gebt ihr vom Ertrag ihrer Hände,
denn im Stadttor rühmen sie ihre Werke!

Im letzten Monat hat es in Rom eine Weltbischofssynode gegeben. Rund 350 Teilnehmer waren dabei – ja, und zum ersten Mal Teilnehmerinnen, ca. 60 Frauen, Mütter, Ordensschwestern, um mit den Bischöfen gemeinsam über die Lage der Kirche weltweit und ihre mögliche Erneuerung nachzudenken. Durch die Medien gingen diese Bilder: In der großen Audienzhalle des Papstes waren rund 40 runde Tische aufgestellt, und daran diskutierte jeweils ein Dutzend der Teilnehmenden. Bischöfe, Laien und Schwestern im angeregten Gespräch, in aufmerksamem Zuhören und in großer Nähe. Der Kardinal aus Wien neben einer Afrikanerin aus Uganda, der Bischof von Essen neben einer Ordensschwester aus Mexiko.

Das war wirklich völlig neu. In den bisherigen Synoden waren die Bischöfe unter sich, sie saßen wie im Kino oder Theater, in langen Bankreihen hintereinander, und hörten zu, was die römische Kurie ihnen vorsetzte. Undenkbar, dass Frauen dabei waren. Wenn, dann redete man über sie. Nicht mit ihnen. Über sie, die die Kirche doch am deutlichsten tragen und beleben, und ohne die jede Gemeinde in kürzester Zeit zusammenbrechen würde: Sie, die Mütter in den Familien, die Religionslehrerinnen in den Schulen, die Pflegenden und die Seelsorgerinnen in den Krankenhäusern und Altenheimen, die Engagierten in der Caritas, die Katechetinnen in der Gruppenarbeit, die Mitglieder der Gremien, die Professorinnen an theologischen Fakultäten, diejenigen, die für Atmosphäre bei Festen und Feiern in der Gemeinde sorgen – und die den Großteil der Gottesdienstbesuchenden stellen. In den römischen Gesprächen, die im nächsten Jahr weitergeführt werden und dann hoffentlich zu konkreten Reformen führen, war ein wichtiges Thema die Rolle der Frau in der Kirche. Aus den allermeisten Ländern wurde berichtet, dass eine deutlichere Gleichberechtigung, eine Geschlechtergerechtigkeit zwischen Mann und Frau gefordert und erwartet wird. In manchen Ländern, etwa in Deutschland, denkt man an das Priestertum der Frau. Das allerdings ist weltkirchlich noch sehr umstritten.

Die Sitzungen begannen immer mit einem Text aus der Heiligen Schrift. Ich weiß nicht, ob unsere heutige Lesung dabei vorkam; sie hätte sich bestens geeignet. Man nennt diese Worte aus den Sprichwörtern des Alten Testaments Das ABC der tüchtigen Hausfrau. Ein kunstvolles Gedicht ist das, jede neue Zeile fängt im Hebräischen mit einem neuen Buchstaben an – von A bis Z. Das Gedicht würdigt eine starke Frau, die unternehmerisch tätig ist, die ihren Haushalt gut im Griff hat, die die Faulheit nicht kennt, die angesehen und hochgeschätzt ist in ihrer Familie und in der ganzen Stadt, so dass die Müßiggänger, die am Stadttor sitzen und alles kommentieren, bei ihr nichts zu meckern haben. Eine perfekte Frau, ein Idealbild! Dazu kommt, dass sie ein Herz für die Armen hat, und vor allem: dass sie in Ehrfurcht und Vertrauen mit Gott lebt. Das nennt die Bibel Weisheit.

Ein solcher Text – Lobpreis der Frau – ist in der Heiligen Schrift sehr selten. In den älteren Zeiten, als die Juden noch Nomaden waren, hatte ein Mann in der Regel mehrere Frauen, er brauchte sie als Arbeitskräfte. Später, in Zeiten der Sesshaftigkeit, war dann die Ehe mit einer Frau häufig. Aber sie hatte einen schwachen Stand: Die Frau gehörte dem Mann als Besitz, sie war rechtlos und nur im Haus zu finden. Im öffentlichen Leben, draußen, kam sie nicht vor. Vieles davon hat sich weitervererbt in den Islam und – ja, auch in die Kirche und ins christliche Abendland. Noch vor 60, 70 Jahren musste der Ehemann eine Erlaubnis ausstellen, wenn seine Frau berufstätig wurde! Die mangelnde Gleichberechtigung war und ist wohl nicht der Wille Gottes, sondern die Trägheit der Tradition und der sozialen Verhältnisse. Umso schöner, dann in der Bibel einen solchen altehrwürdigen Text zu finden, von der Lebensweisheit und Stärke einer Frau. Und was im Alten Testament vor 3000 Jahren möglich war, sollte heute in der Kirche wohl selbstverständlich sein: den Talenten, den empathischen und intellektuellen Begabungen der einen Hälfte der Menschheit – der Frauen – vollen Raum zu geben. Vielleicht – hoffentlich – werden sie eines Tages nicht nur an runden Debattiertischen in Rom sitzen, sondern auch in Lüdenscheid an den Altären stehen. Es wäre gut für die Kirche und gerecht für die Frauen.