Gebt dem Kaiser…

Predigt am 22.10.2023


Wie hat Jesus das wohl ausgesprochen? Leider haben wir keine CD mit Originalton! Vielleicht so: dem Kaiser (eher beiläufig) – und gebt Gott (mit großer Lautstärke – da lag der Nachdruck drauf!).

Manchmal braucht man diese Lautstärke, denn die Botschaft ist nichts für Leisetreter. Ein solcher „Lautsprecher“ ist in unseren Breiten noch sehr bekannt: Graf Galen, der Löwe von Münster. Nach ihm ist eine Straße in Lüdenscheid benannt. Ja, der hünenhafte Bischof von Münster konnte wild werden wie ein Löwe, wenn Gottes Sache bedroht war.

Was ist denn Gottes Sache? Nur die Kirche, die Rechte der Kirche? So sahen das manche und protestierten in der Hitler-Zeit nur, wenn die Rechte der Kirche, z.B. der Religionsunterricht in den Schulen oder die kirchliche Presse bedroht waren. Nein, das reicht nicht: Gottes Sache ist der Mensch! Gerade der Schwache, der sich nicht wehren kann, der keine Stimme hat. Und so stand der Löwe von Münster auf und hielt 1941, als die Nazis auf dem Höhepunkt ihrer Macht waren, unüberhörbar seine drei großen Predigten gegen die Euthanasie, gegen die Tötung behinderter Menschen. Die Nazis sagten: Diese Menschen sind „lebensunwert“. Lebensunwert! Kein Recht zu leben! Kein Wert! Unnütz für die Gesellschaft! Unnütze Esser.

So sprach der „Kaiser“, der Führer von damals, so sprach Hitler. Und Galen sprach dagegen: mutig, ohne Menschenfurcht, im Namen Gottes. Die Predigten wurden abgetippt, gingen von Hand zu Hand, im Pfarrarchiv von Lüdenscheid habe ich noch eine gefunden. Diese Predigten waren wie Sprengstoff gegen die Nazis. Viele begriffen damals: Gottes Sache steht gegen den Kaiser, gegen den Führer, gegen diesen Staat – man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen, als diesem 3. Reich. Das ist Sprengstoff! Wäre nicht Krieg gewesen und Graf Galen so populär im Münsterland, hätten ihn die Nazis damals gleich aufgehängt.

Als Graf Galen 2005 seliggesprochen wurde, sagte der damalige Papst Benedikt: „Der Glaube beschränkt sich nicht auf ein privates Empfinden, das man verheimlichen kann, wenn es unbequem wird. Der Glaube erfordert Konsequenz und Mut auch in der Öffentlichkeit, zugunsten des Menschen, zugunsten von Gerechtigkeit und Wahrheit!“ Denn Gottes Sache – so dürfen wir hinzufügen – ist der Mensch. Lautstark und deutlich haben Jesus und viele Menschen in seinem Gefolge darauf verwiesen: Gebt Gott, was Gottes ist, gebt Gott, was Gott gehört!

Was gehört denn Gott? Die Nazis – und übrigens auch heute viele Menschen – würden Gott am liebsten in die Sakristei verbannen, hinter Kloster- und Kirchenmauern. Die Nazis sagten z.B.: Für uns die Erde – und für Gott den Himmel! Den kann er dann mit den Engeln und den Spatzen teilen! Da soll er sich drauf beschränken. Das ist sein Bezirk, sein Reich. Da kann er uns nicht stören! Auf der Erde hat er nichts zu suchen! Gut, dass Gott ein Störenfried ist, der dieses bequeme Stockwerkdenken durchkreuzt (uns die Erde, ihm der Himmel oben). Die Bibel sagt: Ihm, Gott, dem Schöpfer gehört alles – das Unten und das Oben. Erde und Himmel. Ihm gehört die ganze Welt. Er ist der Herr.

Und das war nicht nur so dahingesagt! In den besten Zeiten des Volkes Israel war es klar: Gott gehört das Land, der Grund und Boden. Gott ist der einzige Immobilienbesitzer. Die Menschen pachten und mieten und verwalten das Land nur, in seinem Namen. Das Land ist Leihgabe – wie das Leben. Es ist kein fester Besitz! Alle Jubeljahre (im „Heiligen Jahr“- alle 50 Jahre) wurde das Land neu verteilt. Und auch der König von Israel hat die Macht von Gott nur geliehen bekommen. Sie gehört ihm nicht, sie kann ihm wieder genommen werden. Er ist nur ein bescheidener Stellvertreter.
Als das Volk Israel die Dinge so sah, ging es ihm gut. Es lebte in Gerechtigkeit. Als das biblische Israel aber dann die Machtspielchen mitspielte wie alle Welt sonst und die Herrschaft Gottes vergaß, da ging es ihm auch wie aller Welt. Alles ist Leihgabe, nur geliehen, nur gepachtet, nicht Besitz. Auch unser Leben: nur Leihgabe. Gäste sind wir auf der Erde, egal, ob man in Palästen oder in Zelten wohnt.

Gebt Gott, was Gottes ist. Es ist gut, wenn wir Gott hineinschauen lassen in alle Lebensbereiche. Ihn geht nicht nur die Religion an. Gott interessiert sich brennend für Soziales und für Erziehung, für Familie und Wirtschaft, für Politik und wohl auch für Feiern und Freizeit. Er fragt sich: Was machen die Menschen mit meiner Welt? Und er schaut hin, ob Liebe und Gerechtigkeit drin stecken in diesen vielen Bereichen – und Respekt vor dem Menschen, Ehrfurcht vor dem Leben. Vielleicht kommt es ihm gar nicht darauf an, dass er immerfort genannt wird. Aber seine Sache liegt ihm am Herzen – wie einem Vater das Wohl seiner Kinder: Der Mensch liegt ihm am Herzen, besonders der Leidende, der Kranke, der Arme – und die ganze Welt. Und heute wieder seine erste Liebe, sein Volk, das in den letzten Wochen so schwere verbrecherische Gewalt erlebt hat und nun in tiefer Verunsicherung nicht weiß, wie weit es gehen kann und soll mit Verteidigung und Vergeltung und Rache. Beten wir darum, dass auch in dieser unglaublich schwierigen Lage der Welt Gott gegeben wird, was ihm zukommt – das Ziel, Wunden zu heilen und nicht zu vergrößern, einem tragfähigen Frieden näher zu kommen und für die Ansprüche der Gerechtigkeit offen zu sein.