Verklärung Jesu

Predigt am 06.08.2023


Die Berge haben uns Menschen schon immer fasziniert. Ein berühmter Bergsteiger, Heinrich Harrer, beschreibt es so: „Wenn man klettert, ist der Geist völlig klar, frei von allen Verwirrungen, voll konzentriert und plötzlich erscheint einem das Licht viel intensiver, die Klänge reicher. Man ist erfüllt von der tiefen und mächtigen Gegenwart des Lebens. Das fühle ich sonst nur in wenigen Augenblicken.“

Wer auf einen Berg steigt, der erlebt etwas Besonderes. Und viele, die das bewältigt haben, schwärmen davon: Vom Gefühl der Freiheit. Vom Überblick, den man gewinnt – da oben auf dem Gipfel steht man „über den Dingen”! Man spürt, wie klein man selber ist und wie winzig die Sorgen sind, die da unten im Tal noch so übermächtig und bedrohlich schienen. Und man kommt vom Berg als ein veränderter Mensch wieder herunter.

Da ganz oben, dem Himmel viel näher, der Erde entrückt, teilt sich in der Bibel manchmal Gott mit – etwa auf dem Berg Sinai. Heute im Evangelium, da haben drei Jünger Jesu, Petrus, Jakobus und Johannes, ein ganz besonderes Gipfelerlebnis. Fernab vom Gewühl da unten in den Tälern erleben sie Jesus ganz anders: Ein himmlisches Licht umgibt sie, Jesus strahlt wie das Licht selbst. Und im Schein dieses Lichtes erkennen sie Mose und Elia.

Ja, hier oben wird es ihnen endlich offenbar: Jesus ist der Sohn Gottes. Wie die einst großen Helden Elia und Mose wurde er von Gott gesandt. Der Glaube wird so glasklar wie die Luft dort oben. Ein Lichtblitz, ein Geistesblitz, vielleicht nur ganz kurz, ein paar Sekunden lang. Und er vertreibt alle Zweifel.
„Ihr sollt von dieser Erscheinung niemandem sagen”, schärft Jesus ihnen danach ein. Er weiß, dass das Erlebte in ihnen arbeitet, sie verändert. Ja, sie kommen als veränderte Menschen von diesem Berg wieder herunter.

Gipfelerlebnisse sind so wertvoll! Auch wenn wir kaum so etwas erleben, wie die drei Jünger Jesu. Das war Spitze!, sagen wir vielleicht: zu besonderen Begegnungen, die herausragen aus dem Alltäglichen, Erlebnisse, in denen man sein Leben ganz anders spürt, Abstand gewinnt von Sorgen und Zweifeln, Hoch-Zeiten, von denen man verändert wieder ins Normale zurückkehrt.

Hoch-Zeiten, Gipfelerlebnisse. Die können so unterschiedlich sein. Heute in der Kirche wirkt vieles so düster, alles „scheint den Bach runterzugehen.“ Und dann kommt z.B. so ein Weltjugendtag wie jetzt in Lissabon und kann für Hunderttausende junge Leute so ein Lichtblick, so ein Gipfelpunkt sein. Ein Freund erzählte mir, seine 16-jährige Tochter sei kürzlich erstmals nach Taize gefahren und strahlend, wie leuchtend zurückgekommen, so angerührt von dem, was sie dort erlebt hat.

In unserem Evangelium möchte Petrus nun diesen Moment des großen Glücks festhalten; er sprach zu Jesus: Herr, hier ist gut sein! Willst du, so will ich hier drei Hütten bauen, dir eine, Mose eine und Elia eine?

Der Wunsch, solche Zeiten immer zur Verfügung zu haben, abrufbar, sie zu konservieren, den kannte also schon der Jünger auf dem Berg. Wenn‘s nach Petrus gegangen wäre, säßen sie noch heute da oben. Aber Jesus geht doch mit ihnen wieder hinab ins Tal, da, wo sich die Leute an ihn herandrängen, da, wo sich das Leben abspielt. Der Alltag. Sie gehen herunter, Richtung Jerusalem, und da wartet der nächste Berg auf sie, Golgota, und da geht es nicht um das Strahlen und das Glück und das Einssein mit Gott – da wird genau das Gegenteil erfahren: die Dunkelheit und das Kreuz und das Verlassen sein von Gott. Da müssen sie hindurch, um dann Ostern zu erfahren, wo es wieder leuchtet und strahlt. Die Verklärung ist wie ein kleiner stärkender Vorgeschmack unterwegs auf das, was kommt, auf Ostern.

Liebe Christen, da kommen auch wir nicht drum herum: Gipfelerlebnisse sind selten, sind ein Geschenk Gottes und des Lebens, aber kein Dauerzustand. Sie blitzen kurz auf und sind dann wieder weg. „Glück gibt es meist nur auf Zigarettenlänge,“ schreibt der Dichter Bodo Kirchhoff. Aber es ist ein Aufblitzen, das sehr, sehr lange nachwirken kann. Manchmal ein ganzes Leben lang.

Jetzt könnte ich weitersagen, wie wichtig es ist, nicht abzuheben, sondern den Alltag jenseits der Höhepunkte wertzuschätzen.
Aber ich denke, dass ich Ihnen da gar nicht so viel zu sagen brauche, denn Alltag haben Sie alle genug, und der Sauerländer ist im allgemeinen gut in der Lage, sich mit dem ganz normalen grauen Alltag anzufreunden. Er, der sauerländische Mensch, hat ja wohl eher ein Defizit im Bereich der Bergerlebnisse. Ekstase, schwärmen, strahlen, geistig abheben – das ist uns nicht so ins Herz gelegt. Unsereins ist da eher nüchtern und vorsichtig. Denn für Gipfelerlebnisse muss man sozusagen auf Berge steigen, aus dem Gewohnten aussteigen, und da muss man oft etwas riskieren. Aber es gibt Momente, wo man reich belohnt, oder besser, beschenkt wird. Momente, wo man platzen könnte vor Freude, weil man Gottes Nähe spürt.

Und das wiegt so manche Enttäuschung, die man auch erlebt hat, auf. Und man kommt zurück als veränderter Mensch – auch als Sauerländer…