Der Schatz im Acker

Predigt am 30.07.2023


Mit dem Himmelreich ist es wie mit einem Schatz, der in einem Acker vergraben war. Ein Mann entdeckte ihn und grub ihn wieder ein. Und in seiner Freude ging er hin, verkaufte alles, was er besaß, und kaufte den Acker. Mt 13

Mehrfach habe ich den Film vom Untergang der Titanic gesehen. Die schreckliche Katastrophe passierte 1912, das angeblich unsinkbare neue Schiff war nach seinem Stapellauf auf einen Eisberg gestoßen und versank nachts langsam in den kalten Fluten des Nordatlantik. Wer könnte die Szenen vergessen, wie die Menschen, als das Wasser schon durch die Flure lief, hin und her rannten, in Panik, um ihre Haut zu retten und noch einen Platz in den Rettungsbooten zu finden? Rette sich, wer kann!

Mitten in dieser Katastrophe gab es noch eine ganz andere Szene, und die hat mich eigentlich am meisten berührt. Den ganzen Abend lang und in die Nacht hinein spielte ein Streichquartett, vier Mann, Geigen und Cello. Während die anderen um ihr Leben rannten oder sprangen, musizierten die vier weiter. Sie blieben einfach auf ihren Plätzen und spielten weiter ihre schöne Musik, Mozart und andere Meister. Sie spielten und spielten, bis ihnen das Wasser selber bis zum Halse stand. Den sicheren Tod vor Augen gaben sie der Musik das letzte Wort, den wunderbaren Tönen, und diese Töne hallten nach in der Stille, in der das gesunkene Schiff dann lag.

Warum haben diese vier Menschen das bloß getan? War das nicht verrückt und maßlos? Wäre es nicht vernünftiger und praktischer und sinnvoller gewesen, ihre Instrumente liegen zu lassen und z.B. den Frauen und Kindern bei der Suche der Rettungsboote zu helfen? Ihre Musik würde ja niemanden retten, sie würde das Schiff nicht über Wasser halten. Ein Wahnsinn.

Und dennoch! Die Musiker gingen mir nicht aus dem Sinn. Mitten in der tödlichen Katastrophe dienten sie ihrer Musik, der Schönheit, selbstlos und furchtlos und grundlos. Noch im Untergang gaben sie sich ihrer Berufung hin, dem, wofür sie gelebt und gebrannt hatten. Mit einer seltenen Unbedingtheit! Sie deuteten etwas an von der Würde des Lebens. In ihrer Musik sagten sie jedem, der es noch hören konnte: Das ist das Leben – auch wenn jetzt hier alles zu Ende geht. Das ist das Leben: größer und schöner als unsere jetzige Erfahrung. Wahrscheinlich haben die Musiker nicht lange herumdiskutiert, was sie jetzt machen sollten. Instinktiv spielten sie einfach weiter. Bedingungslos ließen sie sich ergreifen von dem, was sie erfüllte und vereinte. Sie hielten bis zuletzt das Leben hoch, die Hoffnung, den Sinn, die Seele in diesem animalischen Überlebenskampf.

Wir können spüren, wie sehr sich hier Musik und Religion berühren. Und wir haben ein starkes Beispiel, was der Schatz im Acker bedeuten kann – das, wofür man alles stehen und liegen lässt.

Betrachten wir einmal unsere Schätze im Acker. Wir denken eher nicht an Gold und Silber und Bankkonten. Wofür setzen wir uns bedingungslos und unbedingt ein, ohne lange darüber zu diskutieren und nachzudenken? Das sind wohl eher Menschen – in der Familie, die Partner oder die eigenen Kinder, oder Freunde, die uns ganz viel bedeuten. Oder ein Ruf, den wir im Leben hören, eine Berufung, ein Beruf – dem wir uns hingeben und ganz überlassen, wie die Musiker auf der Titanic. Wer in seinem Beruf viel mit Menschen arbeitet und ganz da ist für sie, weiß um diesen Schatz.

Im Evangelium ist der Schatz vergraben im Acker. Der Schatz liegt nicht einfach so herum, liegt nicht auf der Straße, nicht an der Oberfläche. Als Acker stelle ich mir das eigene Leben vor – mit allen Steinen und allem Unkraut. Man muss sich schon Mühe geben, muss graben und pflügen, um den Schatz zu finden. Im Acker, in meinem Leben, können Schätze und Reichtümer sichtbar werden, die ich gar nicht vermutet hätte. Und dann, sozusagen mit dem Spaten in der Hand, entdecke ich, wie viel mir gegeben, geschenkt wurde in meinem Leben. Mit dem „hörenden Herz“, das sich der junge König Salomo in der Lesung von Gott wünschte, entdecke ich vielleicht Gott als Schatz in der Tiefe meines Herzens. Und dann zieht die Freude ein, die Dankbarkeit, – ein Glück, ein Gehaltensein, das mich durchträgt auch in den schweren Zeiten.

Ob uns der Glaube als gemeinsamer Schatz miteinander verbindet? Etwa so:
- Dass wir uns gemeinsam an Jesus erinnern – an ihn, den großen Schatz, für den damals seine Jünger und Freunde alles haben stehen und liegen lassen
- Dass seine Worte zum Wegweiser werden und das Gehen dieses Weges unser Leben innerlich reich und sinnvoll macht
- Dass wir entlastet sind und uns nicht selber erlösen und dauernd bestätigen müssen, wie toll wir doch sind – und dass das Entscheidende uns geschenkt ist
- Dass wir daher loslassen können, was wir wie überflüssigen und aufgeblähten Ballast mit uns herumschleppen
- Dass wir also großen Grund zur Freude haben an einem befreiten, erlösten, unsere engen Grenzen sprengenden Leben.

Gott selber ist übrigens auch Schatzsucher. Er sucht uns Menschen. Er gibt alles, selbst seinen Sohn, um uns Menschen nahe zu kommen. Man kann sagen: Gott ist der Schatz für uns. Und wir sind – unbegreiflich! – der Schatz für Gott, den er sucht. Den er liebt.