Ein Mann wie Graf von Galen

Predigt am 25.06.2023


Bei uns in Lüdenscheid gibt es eine von-Galen-Str. Ältere erinnern sich, nach wem sie benannt ist: Clemens August Graf von Galen, Bischof von Münster. Ein Mann wie eine Eiche: mehr als 2 Meter groß, aus adeliger Familie, sehr selbstbewusst, konservativ-deutschnational, geistig eher einfach gestrickt, wurde der langjährige Berliner Pfarrer 1933 Bischof seines Heimatbistums Münster. 1933 – das Jahr der Machtergreifung der Nazis! Als Wahlspruch wählte er sich das Wort: Nec laudibus, nec timore. Das heißt: Weder Menschenlob noch Menschenfurcht soll uns leiten. Die Furcht vor den Menschen – vor den Nazis – war tatsächlich nicht sehr ausgeprägt in ihm. Ihn leitete das Bibelwort: Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen! 1941 hielt er seine weltweit beachteten drei Predigten, wo er die Ermordung von vielen Behinderten im Euthanasieprogramm anprangerte und damit öffentlich machte. Die Auffassung, dass behinderte Menschen unproduktiv seien und kein Recht auf Leben hätten, sozusagen unnütze Esser wären, entsetzte ihn aufs äußerste. Die Nazis schäumten vor Wut, hatten aber Angst, etwas gegen den Bischof zu unternehmen, da das Münsterland geschlossen hinter ihm stand. Die Leute nannten ihn inzwischen wegen seines mutigen Widerstands: Löwe von Münster. Mit der Hinrichtung des Bischofs müsse man noch warten, sagten die Nazis, bis der Krieg gewonnen sei. 1946 wurde Galen Kardinal, starb aber kurz danach. 2005 wurde er seliggesprochen.
Seine Geschichte fällt einem gleich ein, wenn man das heutige Evangelium hört.

Dieses Evangelium ist Teil einer langen Aussendungsrede. Jesus sendet die zwölf Apostel aus und kündigt ihnen an, was sie erwartet. Es war und ist ja nicht so, dass die Welt begierig auf die Frohe Botschaft wartet und den Botinnen und Boten ein freundliches Willkommen oder donnernden Applaus bietet. Damals war die Welt religiös schon aufgeteilt. Man war Jude oder Heide, Anhänger des römischen Staatskults. Der Kaiser war göttlich, man musste ihm opfern. Das Christentum störte, war lästige Konkurrenz. Wer Jesus nachfolgte, wer seine Botschaft verkündete, musste damit rechnen, verfolgt, ja sogar getötet zu werden. Und auch heute ist es in vielen Ländern gefährlich, sich zum christlichen Glauben zu bekennen – etwa in Indien oder da, wo Islamisten stark sind. In den westlichen Ländern findet der Glaube dagegen kaum noch Interesse; in einer gottlos scheinenden gleichgültigen Welt braucht es schon viel Phantasie, Überzeugungskraft und eine große Nähe zu den Menschen, um Aufmerksamkeit zu finden.

In dieser Situation der Aussendung macht Jesus Mut. Ja, ohne Angst wird es nicht gehen. Die Gefahren für Leib und Seele sind da. Der Weg des Evangeliums geht aber vom Dunkel ins Licht.
Jesus lädt die Jünger zu einem tiefen Vertrauen auf Gott ein: Ihr sollt euch nicht fürchten vor den Menschen. Sie können euch verfolgen und das Leben in dieser Welt nehmen. Aber sie werden am Ende als Verlierer das Spielfeld verlassen.
Ihr sollt mehr auf Gott hören als auf die Menschen.
Die Gottesfurcht, zu der Jesus einlädt, meint nicht: Angst vor Gott zu haben, aus dieser Angst heraus zu leben. Angst, etwas falsch zu machen. Angst, nicht perfekt zu sein. Angst, vor ihm zu scheitern. Diese Angst hat ein schlimmes Gottesbild geschaffen, das gottlob weithin verschwunden ist: Gott als eine Art Diktator, als vernichtende letzte Instanz.

Gottesfurcht meint eher: Ehrfurcht, Respekt, Ernstnehmen, Vertrauen zu ihm. Eine Liebe, auf der unser Leben aufbaut. Wie die Menschen in der Nähe von Jesus aufatmen und aufblühen konnten, so dürfen wir aufblühen, aufatmen, wenn wir an Gott denken.
Der Glaube schenkt Festigkeit und immer wieder neuen Mut. Wir dürfen dem Leben trauen, zu dem uns Gott geschaffen hat. Wir dürfen dem Leben trauen, weil Gott es mit uns lebt.

Gott hat uns geschaffen, weil wir ihm wertvoll und wichtig sind. Das zeigt Jesus mit seinen Worten „Ihr seid mehr wert als viele Spatzen!“ Was für uns wertvoll ist, das bewahren wir auf. Das wollen wir nicht verlieren. Bestärken wir uns alle darin, unseren Glauben nicht zu verstecken! Auch wenn sich die Kirche sehr schwer tut in unserem Land und viele Skandale und Ärgernisse uns bedrücken: Es geht nicht um die Woelkis und Gänsweins unserer Kirche. Es geht um Gott. Verkünden wir ihn auf den Dächern, d.h. nicht im Geheimen, sondern öffentlich.

Es geht um Gott. Es geht um Dankbarkeit für das Leben.
Es geht darum, eine sinnvolle Ordnung zu sehen und nicht nur das Chaos.
Es geht um die Liebe als göttliche Grundkraft.
Es geht um die Weitergabe dieser Liebe, um Gemeinschaft, um Versöhnung.
Es geht darum, sich zu treffen, sich zu bestärken, sich im Blick zu halten.

Das nennen wir Kirche…
Es geht um Ja-Sagen zu Gott und seinen Wegen – und zum Nein-Sagen zu dem, was Leben beschädigt und kaputt macht. Es geht um eine Hoffnung über den Tod hinaus. Es geht um Gott.

Teresa von Avila hat gesagt: „Gott und ich, wir zusammen sind immer in der Mehrheit."