Fronleichnam

Predigt am 08.06.2023


Wir Christen versammeln uns gern und oft „hinter verschlossenen Türen“ – im kleinen Kreis unter Gleichgesinnten, die wir in der Regel gut kennen. So ähnlich wie die Jünger vor Pfingsten! Das ist uns vertraut, da sind wir uns unserer Sache sicher, da kommt keine Scheu und kein „Lampenfieber“ auf: wir sind unter uns. Aber der Kreis scheint immer kleiner zu werden. Und die „Außenwelt“, die Welt der Anderen immer größer.

Jetzt sind wir hier, unter freiem Himmel (auf einem Schulhof), und ziehen danach in einer Prozession durch diesen Ort. Ob wir in Zukunft, auch nach dem Verkauf der Josefskirche, hier in Nachrodt noch erkennbar bleiben? Dass die Leute merken: Es gibt sie noch, die Katholiken! Und sie haben etwas Großes und Wichtiges im Angebot!

Dieses Große tragen wir gleich durch die Straßen – das wollen wir zeigen: ein kleines Stückchen Brot in einem Zeigegerät, in einer Monstranz. Vor diesem Stückchen Brot gehen Menschen immer noch auf die Knie und sagen: Das ist das Allerheiligste! Lassen wir das Wort nachklingen: Das – oder der – Allerheiligste. Das, was von außen gesehen so unscheinbar, so nebensächlich ist, ist für uns Christen ein ganz dichtes und sprechendes Zeichen des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe: Jesus Christus mitten unter uns.

Kommt dieser Jesus in unserer Welt noch vor? Viele haben ihn vergessen und vergessen zur Zeit, dass sie ihn vergessen haben. Viele haben andere Leitfiguren: der weltberühmte Fußballer Messy z.B. kommt auf ein Jahresgehalt von 400 Millionen Euro. Aber alle diese Idole aus dem Sport, den Medien, der Unterhaltung bringen die Welt nicht weiter. Sie sorgen wohl für Ablenkung. Aber sie berühren nicht das Zentrum. Jesus Christus ist für mich das Zentrum. Er hat vorgelebt, was die Welt im Innersten zusammenhält: Für die anderen da sein. Er ließ sich nicht im Tempel oder in Kirchen einschließen, sondern ging hinaus, an die „Hecken und Zäune“, wo die realen Menschen von damals lebten. Täglich, jeden Tag neu, verschenkte er sich an die Menschen, teilte sich aus, wie man Brot austeilt. Von ihm konnte sich jeder „eine Scheibe abschneiden“.

Der „Jesus für die Menschen“ ist so brotnotwendig für die heutige und zukünftige Welt! Digitales, KI, saubere Energien, modernste Technik – das alles ist wichtig und wertvoll. Aber was für ein Albtraum, wenn wir in eine Welt geraten, in der Menschen ganz vereinsamt sind, nicht mehr gut miteinander reden können, keine gemeinsamen Hoffnungen, Feste oder Rituale mehr haben – in der das Soziale und Menschliche und die Seele vom Ökonomischen und Technischen geschluckt wird – in der es kein „inneres Zentrum“ mehr gibt.

Unser christliches „inneres Zentrum“ kann man in dem kleinen Brotstück in der Monstranz anschauen, und darum tragen wir es durch den Ort, weil Christus für alle da ist – ganz gewiss auch für die Armen, die Alten, die Einsamen, denen keiner zuhört und keiner gute Worte sagt.

Wir wissen alle, dass es nicht reichen wird, symbolisch die Monstranz mit dem göttlichen Inhalt durchs Dorf, durch die Stadt zu tragen. Der große Heilige Augustinus hat seinen Leuten im 5. Jahrhundert eingeschärft: Empfangt den Leib Christi – und werdet dadurch der Leib Christi! Seid ein Leib, seid Gemeinschaft, haltet zusammen! Unsere Prozession durch Nachrodt ist erst dann überzeugend, wenn wir in unserem Ort, Christus auf der Spur, das Füreinander und Miteinander großschreiben, wie er es getan hat. Wenn wir die Kommunion empfangen, den Leib Christi im Brot, dann dürfen wir einander mit neuen Augen ansehen – so wie Christus die Menschen angeschaut hat: Er hat in ihnen den Bruder und die Schwester gesehen.

Ich stelle mir vor, wie ein Mitmensch, der gleich des Weges kommt und den „Außenblick“ hat, denkt: Wir haben euch Christen noch nicht ganz abgeschrieben – obwohl ihr, ehrlich gesagt, kein sehr anziehendes Bild abgebt. Wir erwarten immer noch etwas von euch! Wir haben noch kein Brot gefunden, das uns richtig satt macht, das jeglichen Hunger in uns stillt. Auch nicht und bestimmt nicht das tägliche Brot des Wohlstands und Wohllebens. Viele haben Geld genug und könnten jeden Tag ins Cafe gehen. Aber das macht uns nicht satt, wir bleiben im Innern leer, unsere Sehnsucht findet keine Erfüllung.

Ihr Christen, seid ihr das lebendige Brot unserer Stadt? Das Salz in der Suppe? Die Hoffnungsträger? Die bewusst und mit Zuversicht in die Zukunft blicken, trotz aller Katastrophenbilder? Denen das Leben der anderen alles andere als egal ist?

Ja, liebe Christen, vergessen wir nicht, dass der Mensch Gottes eigentliche und schönste Monstranz ist. Wir alle – gedacht als wandernde, pilgernde Monstranzen! Weil wir Gott in uns tragen, und weil Er aus jedem von uns leuchten will. Ich hoffe auf Christen, die ihren Herrn und nicht bloß goldene Gefäße und schöne alte Traditionen zu den Menschen bringen. Und sich selber ein- und mitbringen im Füreinander, im Miteinander.

Ein Schulkind sagte einmal im Religionsunterricht, als von Fronleichnam die Rede war: „Ist doch klar, was das meint: Der Jesus muss mal an die frische Luft!“ Recht hat das Kind. Aber wir müssen es noch mehr…