Johannes Broxtermann - Predigten - Gedanken

Freut euch!

Predigt am 25.12.2021

„O Heiland, aus der Erden spring“, singen wir in einem Adventslied, und: „O komm, ach komm vom höchsten Saal, komm, tröst uns hier im Jammertal.“ Ja, im Bild kommt das Heilandskind „aus dem höchsten Saal“, und es springt – aber nicht aus der Erde, sondern auf die Erde zu. Ein gewaltiger Sprung – Gott wird Mensch. Gott im Kind.

Gott ist im Bild in seiner ganzen Fülle. Der dreifaltige Gott. Ja, der Vater, der alte weiße Mann mit Bart, der König. Anders wusste man ihn damals nicht darzustellen – den unsichtbaren Gott. Heute sieht man mehr auf seine Spuren; die lassen sich malen. Also seine Schöpfung, ganz in Grün. Grün ist die Farbe der Hoffnung. Hoffentlich ist für uns die Erde immer noch grün und hoffnungsvoll – und nicht nur das Jammertal vergangener Zeiten! Jesus jedenfalls ist der Hoffnungsbringer, der Wege aus der Katastrophe zeigen kann.

Der Vater segnet und winkt – dem Sohn hinterher. Mach´s gut, mein Junge, würden wir sagen. Vielleicht spricht Gott feierlicher, aber das ist gemeint: Mach´ s gut. Mach alles gut, du Erlöser. Und er schickt die Taube mit hinterher, den Heiligen Geist. Als Türöffner, als Inspiration, als Geleitschutz. In der Kindheitsgeschichte Jesu hat der Geist viel zu tun: Er „überschattet“ die Jungfrau Maria, er inspiriert Elisabeth und bringt sie zu prophetischen Aussagen, er öffnet den Hirten Augen und Ohren, er führt die greisen Leute Simeon und Hanna zur rechten Zeit in den Tempel, als das Baby Jesus dorthin getragen wird. Und auch heute hat er ganz viel zu tun: die Herzen der Menschen zu öffnen für die Botschaft. Und da muss er ganz dicke Bretter bohren: Den meisten scheinen Lametta, Geschenke und ein behagliches Fest zu reichen.

Achten Sie auf den Himmel: nicht winterlich. Hell und licht. Morgenröte. Ein Morgen ist angesagt: Der neue Tag. Eine Zeitenwende. Die neue Weltzeit. Nach Christus. 2021 nach IHM.
Merkwürdig: Die EU streitet sich. Frohes Fest, soll man offiziell sagen. Aber nicht mehr Frohe Weihnachten, oder gar Gesegnetes Christfest. Das würde der Riesengruppe der Anders- und Nichtglaubenden zu viel zumuten. Merkwürdige Toleranz! Ein Jahresabschlussfamilienfest! Sollen die Christen ihre Krippen doch in ihren Kirchen schmücken! Am besten hinter verschlossenen Türen. Ansonsten gehört die Zeit dem Weihnachtsmann.
Auch das prägt unser Leben im Jahr 2021 n. Chr.! Immerhin ist das noch geblieben – dass die Jahre gerechnet werden nach IHM.

In dieses Leben, in diese Welt springt nun das göttliche Kind. Das Kind steht für Beginn und für Wehrlosigkeit. Kopfüber, ohne Schutzhelm, ungesichert, ohne göttliche Waffen! Ein „Köpper“, ein Kopfsprung wie ins Schwimmbecken. Oder wie ins kalte Wasser. Oder manchmal wie ins Meer, wo Haifische schwimmen. Da braucht man einigen Mut.
Das Leben Jesu war von Anfang an ein großes Wagnis, ein Riesenrisiko. In der Armut der Krippe fängt es an. Kein Platz für ihn! Und an dem harten Holz des Kreuzes hört es auf. Wieder: Kein Platz für ihn! Dieses Leben muss ausgelöscht werden! Das Kreuz ist ja in diesem Kinderbild Jesu schon mit dabei – er hält sich daran fest!
Unerwünscht ist dieser junge jüdische Mann Jesus für die meisten, am allermeisten für die damaligen Frommen, die von Gott ganz anders dachten. Unerwünscht wie die Fremden und Flüchtlinge dieser Erde. Aber höchst erwünscht bei denen, die auf Erlösung hoffen, auf göttliche und menschliche Wärme, darauf, angenommen und angekommen zu sein – weil sie in Liebe angeschaut werden, für immer.

So kopfüber springt das Kind, springt der Mann aus den Sicherheiten und Komfortzonen der Bequemlichkeiten heraus. Er entäußert sich, wie es bei Paulus heißt, und springt ins Leben der Menschen, der anderen, springt ins Neue und Ungewisse. Weihnachten ist wie ein Sprungbrett. Und Jesus taucht ein in die Härten, in die Leiden und wirft uns den Rettungsring zu, in die Abgründe. Er springt ein, wo Menschen stranden und nicht weiterkönnen. Und sagt: Macht es auch so. Springt! Und handelt.

Ach Jesus: Ich bin alt – wie viele hier – und kann keine großen Sprünge mehr machen. Die Knochen sagen Nein. Aber das Herz kann noch hüpfen, vielleicht auch noch springen. Vielleicht als erstes über den eigenen Schatten. Über die eigenen selbstgesteckten Grenzen. Über das Gewohnte, über die Routine hinweg. Über sich selbst hinaus. Zu dir hin. Man könnte das „Glauben“ nennen. Glauben, der nicht im ständigen Nachdenken stecken bleibt, im Rechnen und Tüfteln, und der nicht bestenfalls einen kleinen Schritt hinter den nächsten setzt. Stattdessen sprungbereiter Glauben!
Glauben, der sich aus der Skepsis, der Müdigkeit und dem Zweifel herausarbeitet, der irgendwann spürt: Jetzt muss ich springen! Jetzt gilt nur: Vertrauen. Und das Vertrauen kann ich nicht berechnen und beweisen. Ich kann nicht ständig eine Art Detektiv hinter Menschen, Dingen und Gedanken herschicken. Es ist wie beim Schwimmenlernen: Spring! Und du merkst: Das Wasser trägt dich. Spring! Du gehst nicht unter! Das Leben – dein Leben – ist getragen. Nicht nur zu Weihnachten!