Johannes Broxtermann - Predigten - Gedanken

Freut euch!

Predigt am 12.12.2021

Zwei Wünsche höre ich täglich mehrfach. Beim Einkaufen: „Schönen Tag noch!“ Und als zweiten: „Viel Spaß!“ Also, ich sage z.B.: „Gleich spiele ich im Kindergarten den Nikolaus!“ „Viel Spaß!“ Das geht noch an. Ich sage: „Gleich fahre ich auf der Autobahn nach Essen!“ „Viel Spaß!“ Das kann nur ironisch gemeint sein! Ich sage: „Ich muss zu einer Beerdigung!“ ---- Nein, da ist noch keiner auf „Viel Spaß“ gekommen! Aber was nicht ist, kann ja noch werden.

Spaß. Immer soll man Spaß haben. Alles soll Spaß machen. Wir leben in einer Spaßgesellschaft – jetzt in Coronazeiten allerdings viel gedämpfter! Nun, die Kirche war selten ein Lieferant für Spaß, oft eher eine Spaßbremse. Auch ein Gottesdienst hat es nicht so mit dem Spaß. Braucht er auch gar nicht! Aber er hat es mit der Freude. Und die ist ein bisschen anders! Auf einem Kalenderblatt zum Advent lese ich: „Die Freude verhält sich zum Spaß wie der Ozean zur Pfütze.“ Spaß ist schnell abgestanden – wie die Pfütze. Ein kurzer Lacher – und vorbei. Freude ist weit wie der Ozean, macht das Herz weit. Ich würde hinzufügen: Sie ist wie eine Quelle.

Gaudete, so heißt der heutige Sonntag im Kirchenlatein. Das kommt von der Lesung, von Paulus. „Freut euch im Herrn zu jeder Zeit! Noch einmal: Freut euch!“ Zwei Sätze mit Ausrufezeichen. Zwei Imperative. Zwei Befehlssätze.
Kann man Freude herbeibefehlen? So, jetzt alle mal freuen? Nein, natürlich nicht. Freude auf Kommando geht nicht. Aber vielleicht kann man das Wort als eine Einladung verstehen. Eine Einladung, die gerade für unsere Kirche heute sehr angesagt ist. Unsere Kirche hat zurzeit eine Gefühlslage extrem weit weg von der Freude! Da ist ganz anderes im Spiel: Resignation („Wir sind ein aussterbender Verein“). Enttäuschung („In der sogenannten Heiligen Kirche Kindesmissbrauch!“). Wut („Man nimmt uns unsere Kirche weg!“). Freudlos ist es weithin in der Kirche geworden. Freudlos und ziemlich anstrengend.

Da sollte man dem Paulus mit seinem Gaudete-Ruf doch eine Chance geben. So berechtigt die Klagen sind – ein anderer Blickwinkel täte uns gut. Eine Perspektive, die unser Herz wieder weit macht. Eben die Freude. Sie erinnert uns an den Grund, auf dem wir als Christen stehen. Dieses Fundament heißt: Evangelium. Und Evangelium heißt: Frohe Botschaft, Grund zur Freude.

Niemand hat das klarer und deutlicher gesehen als Papst Franziskus. Seine großen Lehrschreiben haben die Freude schon im Titel: die „Freude des Evangeliums“, die „Freude der Liebe“, und „Freut euch und jubelt“. Ich stelle mir vor, wenn der Papst an seinem Schreibtisch sitzt und die Akten über die Lage der Kirche studiert, dann kann er eigentlich nur die Hände überm Kopf zusammenschlagen vor lauter Krisen und Problemen. Da ist erstmal nicht viel zum Jubeln. Aber der Papst begegnet dem mit einer Grundhaltung, mit einer „Lesebrille“ der Freude, die aus dem Glauben wächst. In dem starken Film „Franziskus“ wünscht er zum Schluss allen Zuschauern die Freude, das Lachen, den Humor. In einer Predigt sagte er, dass der „Personalausweis des Christen“ die Freude sei. Der Personalausweis, also der Ausdruck unserer Identität, oder anders gesagt: der rote Faden im Leben.

Wie soll man den erdrückenden Sorgen, Krisen und Problemen begegnen? Zum Beispiel: Corona. Sicherlich nicht, indem man sie ignoriert und nicht ernst nimmt. Man muss sich ihnen stellen. Aber man darf sich nicht erdrücken lassen. Man darf nicht zum jammernden und klagenden Schwarzseher werden. Der Gaudete-Paulus und mit ihm der Gaudete-Papst würden sagen: Schaut anders hin. In Hoffnung und Freude. In der Zuversicht, dass Gott nahe ist, dass er da ist. Auch in der Krise! Er ist der Halt – und nicht die Strukturen der Kirche. Schaut anders hin – und dann, oft erst mit dem zweiten oder dritten Blick, verwandelt sich etwas. Ich selbst verwandele mich. Und die anderen vielleicht auch. So haben wir damals gesungen: Herr, erwecke deine Kirche – und fange bei mir an. Herr, baue deine Gemeinde – und fange bei mir an. Das gilt immer noch.

Es ist wie in der Weihnachtsgeschichte. Was ist da groß zu sehen? Eine Elendsszene. Ein obdachloses Paar, das ein Kind erwartet. Eine trostlose Unterkunft: ein Stall oder eine Höhle. Drumherum das verachtete Lumpenpack der Hirten, der Nomaden, ungewaschen und verlaust. Alles in dunkler, kalter Nacht. Das reale Elend dieser Welt. Das kommt millionenfach vor. Sehr ungemütlich! Trostlos! Und ausgerechnet da: die Chöre der Engel! Unsichtbar, unhörbar. Engel kann man nicht sehen und nicht hören. Aber man kann sie im Herzen spüren – sozusagen auf den zweiten oder dritten Blick. Und wie die Christenheit, ja die Menschheit das gespürt hat: Fürchtet euch nicht! Ich verkünde euch eine große Freude: euch ist der Retter geboren, Christus, der Herr.
Das ist die Perspektive von Gaudete – mitten im Elend und in den Sorgen dieser Welt. Fürchtet euch nicht. Freut euch! Ich bin da.
Aber den Spaß vom Anfang wollen wir nicht klein reden und nicht ganz vergessen. Auf jeden Fall: Spaß an der Freude ist erlaubt!

Ihnen – zum Spaß und zur Freude – zum Schluss ein kleines Schmankerl aus einem satirischen Adventsgedicht (von Thomas Gsella).

Papa?
Ja, mein Junge?

Wenn du und Mama niemals betet,
keine Kirche je betretet
und nicht glaubt, dass Gott euch hört,

wenn ihr seinen Sohn verlacht und
Witze über Christen macht und
meint, wer glaubt, der sei gestört.

Warum kriegt, in aller Welt,
ihr zwei eigentlich Weihnachtsgeld?