Wider die Dämonen

Predigt am 06.06.2021

1.

Immer wieder war Jesus konfrontiert mit einem Leiden, das die Bibel „Besessenheit“ nennt. Da kommt jemand, der „unreine Geister“ in sich hat. Einer, der von Dämonen besessen ist“. Einer, der „von Sinnen“ ist. In diesem Evangelium (Mk 3, 20ff) ist der Spieß umgedreht; Jesus selber wird verdächtigt, mit den Dämonen zu paktieren, auf ihrer Seite zu sein.

Von Dämonen spricht so heute niemand mehr. Aber die Sache selbst ist sehr aktuell. Sie läuft zunächst unter dem Stichwort „Psychose“. Ich kenne eine Reihe Menschen, die „Stimmen hören“. Eine Frau erzählt mir: Die Stimmen kommen jeden Tag, für einige Stunden. Ich kann mich nicht gegen sie wehren. Sie haben mich dann voll im Griff. Auch wenn ich danach wieder klar bin und sage: Es ist die Krankheit – in diesen Stunden bin ich ihnen ausgeliefert. Es ist, als wenn der Teufel einen besucht. Zu der lautesten Stimme sage ich: Spielleiter. Regisseur. Der versucht, die Regie über mein Leben zu kriegen. Seine Kommandos sind alle zerstörerisch. Er sagt z.B., ich solle meinen Mann töten. Oder ich solle gute Kontakte abbrechen. Oder ich solle gegen Gott lästern. Meine Energie geht dabei drauf, gegen diese Stimmen zu kämpfen.

Damals wie heute spielt sich also innerlich ein Machtkampf ab. Der kranke „besessene“ Mensch ist nicht mehr Herr im eigenen Haus. Er wird gelebt, steht unter einem Zwang. Statt Freiheit herrscht die Angst. Er fühlt sich vom Teufel beherrscht, von einer diabolischen Macht. Diabolos, so nennt man den Teufel auf Griechisch: den, der alles durcheinanderbringt. Den, der mir alle Klarheit und Freiheit raubt.


2.

Auch Jesus war diesem Machtkampf ausgesetzt – dem Kampf gegen die Mächte und Gewalten“. Seine Leidensgeschichte zeigt, wie er gewaltlos und scheinbar ohnmächtig aufs Kreuz zugeht. Die politischen und religiösen Autoritäten in Jerusalem haben ihn verurteilt und nehmen ihm das Leben. Aber Jesus mit der Dornenkrone steht in seiner Ohnmacht da als der in Wahrheit Mächtige. Die Macht der Liebe ist stärker als die Macht des Teuflischen.

In vielen mittelalterlichen Bildern sind die Gesichter der römischen Soldaten wie Fratzen. Die Bosheit der Welt wird ganz in diese Gesichter hineingelegt. Der „wahre Mensch“, Jesus, wird schier erdrückt von dieser Übermacht der Henkershelfer. Was sich da abspielt, ist teuflisch, diabolisch, dämonisch - der Gute, das Gute soll erstickt werden, und die Mächte des Bösen und des Todes, des Anti-Göttlichen, beherrschen das Feld.

Da hat man leicht aktuelle Beispiele vor Augen. Wer würde nicht an Hitler denken, der die ganz besondere diabolische Fähigkeit hatte, die ganze Welt durcheinander zu bringen? Das Dämonische ist mehr als eine Psychose. Es ist ansteckend, es liegt in der Luft – gerade heute. Es treibt üble Propaganda, tobt sich in den sozialen Medien aus, vertauscht Wahrheit und Lüge, ruft auf zum Hass und beleidigt, hetzt Menschen gegeneinander, bringt die Werte durcheinander, benutzt Gott, ohne wirklich an ihn zu glauben, und geht besonders auf die Schwachen los. Das Dämonische bedeutet Manipulation, niemals Freiheit.

Wir leben wirklich in dämonischen Zeiten.


3.

Gibt es einen Ort in unseren Kirchen, wo es den Dämonen „an den Kragen geht“? Das ist das Taufbecken. Ich habe einen Text im Ohr, der manchmal bei Tauffeiern vorgelesen wird. „Ich möchte nicht, dass unser Kind mit allen Wassern gewaschen wird. Ich möchte, dass es mit dem Wasser christlichen Geistes gewaschen, beeinflusst, getauft wird,“ so heißt es da.

Bei jeder Taufe wird zum Widerstand eingeladen: Widersagt Ihr dem Bösen mit all seiner Macht und all seinem Gepränge? Sagt ihr Nein zum Bösen, zu den diabolischen und dämonischen Kräften – weil ihr Ja gesagt habt zu Gott?

Nicht mit allen Wassern gewaschen. Nicht einfach angepasst an das, was in der Welt üblich ist. Was alle machen. Die Taufe nimmt es mit den Dämonen auf. Sie sagt: Du Christ kannst nicht zwei Herren dienen. Du musst dich entscheiden. Gott – oder Welt-ohne-Gott. Ein „bisschen Gott“ geht nicht. Gott ist nicht so etwas wie meditative Musik zur Entspannung und Beruhigung. Gott ist der Herr. Und wenn du mit ganzer Kraft an ihn glaubst, wirst du selbst der Herr im eigenen Haus. Du unterwirfst dich nicht den „Mächten und Gewalten“ von heute, nicht dem großen Geld, nicht den gängigen Parolen, nicht der Weltmacht "Man ...". Nicht den Dämonen.

Und die Taufe ist das Portal dazu.


4.

Kann man das im Alleingang – gegen die Dämonen kämpfen? Die Wahrheit finden und die Lüge durchschauen? Den Hass hinter sich lassen und immer mehr in der Liebe leben? Kann man das im Alleingang - Christ sein?

Der zweite Teil des Evangeliums erzählt von den Verwandten Jesu und berichtet, dass Jesus auf die Menschen zeigt, die im Kreis um ihn herumsitzen, und dann sagt: Das hier sind meine Mutter und meine Brüder. Wer den Willen Gottes tut, der ist für mich Bruder und Schwester und Mutter.

Nein, man kann sich nicht im Alleingang den Dämonen entziehen. Man kann nicht im Alleingang das Reich Gottes bauen, die Welt-ohne-Dämonen. Man braucht den „Kreis“, die Schwestern und Brüder, die anderen. Man braucht eine Atmosphäre, die trägt. Der Widerstand ist immer ein Gemeinschaftswerk. Und in dieser Gemeinschaft, die „nicht mit allen Wassern gewaschen“ sein will, ist Jesus spürbar in der Mitte. Er, der ganz den Willen Gottes tut.