Dreifaltigkeit, ein buntes Bild

Predigt am 30.06.2021

Zunächst einmal: Wir sind jetzt am Ende des Monats Mai, der in der Kirche ja besonders Maria gewidmet ist. Darum erstmal ein Wort zu Maria.
Ich hielt vor Corona einen Vortrag über Maria. Wer war dabei? Nun, ältere Leute. Eine Großmutter hatte ihren Enkel mitgebracht: zehn Jahre, wissbegierig, ein bisschen altklug – und: evangelisch. Nicht gerade der geborene Marienverehrer! „Was soll das denn mit Maria“, fragte er. „Wir haben doch Gott!“
Ich fragte ihn zurück: „Wo gehst Du eher hin, wenn Du Kummer hast – zur Mama oder zum Papa?“ Wie aus der Pistole geschossen kam die Antwort: „Ist doch klar! Zur Mama!“ „Siehst du,“ sagte ich zu ihm, „viele Erwachsene machen es auch so – sie gehen erstmal zur „Mama“. Zur Mutter Gottes!“

Das ist e i n möglicher Zugang zu Maria – man könnte sagen: ein psychologischer. Maria ist da zuallererst Mutter – Mutter Jesu, Mutter der Kirche. Bei einer Mutter dürfen wir auf Mutterliebe bauen und hoffen. Was wären wir ohne die Liebe der Mutter, des Vaters? Seelische Krüppel! Was wir in der Kindheit empfangen, an Liebe und Zuwendung, davon zehren wir unser ganzes Leben. Es ist eine bedingungslose Liebe! Eine Mutter liebt ihr Kind nicht deshalb, weil es so „süß“, so niedlich, so intelligent, so lieb ist. Sie liebt das Kind auch dann, wenn es sehr durchschnittlich und ziemlich „stressig“ ist – ohne besondere Gaben. Sie liebt es, weil es ihr Kind ist.

Und dadurch erinnert wohl jede Mutter an eine andere, ganz umfassende bedingungslose Liebe. „Gott liebt uns nicht deshalb, weil wir so toll sind. Gott liebt uns deshalb, weil Er so gut ist,“ hat ein Autor einmal unseren Glauben ganz kurz zusammengefasst. Wir glauben an eine bedingungslose Liebe, die uns alle umschließt und miteinander verbindet. Wir glauben an einen Gott, der wie der gute Vater im Evangelium ist. Also: nicht nur Mütter, sondern auch Väter können bedingungslos lieben – ganz gewiss der Vater im Himmel! Das ist einer, der uns, den verlorenen Söhnen oder Töchtern, entgegenläuft, uns umarmt und küsst, uns vergibt, uns einen Ring an den Finger steckt, das Mastkalb schlachten lässt und ein großes Fest vorbereitet.
Wir glauben an einen Gott, der mit liebendem Blick nicht nur auf die „guten Christen“ schaut, sondern auch auf deren Kinder zuhause, die sagen: Der Glaube bringt mir nichts. Die Messe haut mich nicht vom Hocker. Mit der Kirche habe ich nichts mehr am Hut. Wir glauben an einen Gott, der mit einem liebenden Blick, so hoffe ich, auch auf die Muslime schaut, auf die Juden, auf die bunte Vielfalt in der Menschheit. Weil er sie – die Menschheit – so bunt und vielfältig geschaffen hat. Diesen Vater im Himmel spricht Jesus als Abba an.

Abba – das ist nicht nur eine schwedische Musikgruppe. Abba – das ist ein aramäisch-jüdisches Wort. Die kleinen Kinder dort im Heiligen Land sagen bis heute zu ihrem Vater zuhause Abba – Papa. Paulus greift das in der Lesung auf (Röm 8,15) und spricht „vom Geist, in dem wir rufen: Abba, Vater“. Die Bibelübersetzer müssten da eigentlich das Wort Papa hinsetzen, trauen sich aber wohl nicht. Papa – das ist ihnen zu kindlich! Nur Jesus hat sich getraut, so vertrauensvoll, so nah und familiär – wie ein Kind – mit Gott zu sprechen: Gott, Papa! Das Gottesbild der meisten war anders. Abba kam ihnen nicht über die Lippen. Gott war ihnen eher wie ein Kaiser, ein Großkönig. Ein Herrscher. Ein Symbol der Macht, nicht der Liebe.

Als ich vor Jahrzehnten Religionsunterricht in einer Grundschule gab, in einem dritten Schuljahr, bat ich die Schulkinder, ein Bild von Gott zu malen. Was kommt wohl dabei heraus, fragte ich mich. Sicher lauter Kronen auf dem Kopf! Ein kleiner Junge meldete sich als erster: „Ich kann nicht mitmalen! Ich habe keinen Goldstift dabei!“ – Sehen Sie, ein Goldstift muss es sein! Die kostbarste Farbe! Die Farbe der Kronen! „Was würden Sie denn malen?“, fragte mich ein Mädchen. „Das verrate ich noch nicht!“, gab ich zurück, „aber es würde auf jeden Fall ein sehr, sehr buntes Bild!“
Ein sehr, sehr buntes Bild. Nicht bloß der Goldstift, sondern der ganze Farbkasten! Das hat sich die Kirche und Christenheit auch gesagt und spricht von dem dreifaltigen Gott! Vielfalt klingt da mit. Der – das ist schon Vielfalt!

In der Schöpfungsgeschichte heißt es: Gott schuf den Menschen als sein Abbild, als sein Ebenbild. Nun sind wir Menschen so bunt und unterschiedlich und vielfältig. Wenn wir Gottes Bild sind, dann ist auch Gott vielfältig, zeigt sich mit vielen Gesichtern: als der Vater, der Abba. Als der Sohn, Jesus Christus. Als der Heilige Geist.
Gott zeigt sich
- als der Gott über uns, der uns geschaffen hat und uns immer voraus ist
- als der Gott mit uns, der in Jesus Christus mit uns geht und unser Leben als Menschen teilt
- als der Gott in uns, als der Heilige Geist, der in unserem Herzen wohnt und uns von innen her belebt und erneuert.

Reden wir mal ganz bildlich, ganz plastisch von Gott. Er ist nicht einsam, da in seiner himmlischen Höhe. Er ist kein alt gewordener „Junggeselle“ auf dem Thron. Er lebt sozusagen in „Wohngemeinschaft“: der Vater, der Sohn und der Geist. Gemeinschaft ist da – engste Beziehung! Kurz gesagt: Gott ist Liebe, und er lässt seine Liebe fließen, überfließen in die Welt hinein, hin zu uns Menschen. Einer oft so beziehungsarmen und liebeleeren Welt steht ein liebevoller Gott gegenüber. Seine „Wohngemeinschaft“ nennen wir Himmel – im Gegensatz zur Hölle, dem Zustand völliger Lieblosigkeit und Einsamkeit. Ich hoffe, – nach meinem Tod – da in den Himmel einziehen zu dürfen, in diese große WG. „Im Haus meines Vaters sind viele Wohnungen“, sagt Jesus. Und diese Wohnungen sind nicht abgeschlossen und nur privat – jeder bei sich und nur für sich, wie es unsere Wohnungen in den Mietshäusern meistens sind. Hauptsache: Tür zu! Die himmlischen Wohnungen laden ein in die große Gemeinschaft mit dem liebenden Gott. In die „Gemeinschaft der Heiligen“.

Als Evangelium haben wir das Ende des Matthäusevangeliums gehört (Mt 28,19). Es sind wirkliche Schlussworte, Abschiedsworte des auferstandenen und in die „himmlische Wohngemeinschaft“ zurückkehrenden Christus. Jesus gibt den Jüngern, gibt der Christenheit einen Auftrag mit – und eine Verheißung: „Geht zu allen Völkern, und macht alle Menschen zu meinen Jüngern. Tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Seid gewiss: Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt.“

Tauft die Menschen. Das heißt: Bringt sie hinein in diesen Strom der Liebe, der vom dreifaltigen Gott ausgeht. Schafft Gemeinschaft, die diesen Namen wirklich verdient. Baut an einer Kirche, in der Gottes Liebe zu spüren ist! Und dann passiert das wirklich: Alle Tage bin ich, der Christus, bei euch – in eurer Mitte.