"Himmelfahrt" Christi
Predigt am 13.05.2021
„Himmelfahrt Christi“. Wo ist er denn geblieben, so fragte ich als Kind. Einfach weg, nach oben verschwunden, abgehauen für immer? Nach oben in den fernen Himmel gefahren? Jenseits der Wolken und
Sterne? Und wo ist denn das, der Himmel? Und wir hocken hier auf der Erde allein und ohne ihn herum? Die Fragen eines Kindes? Auch das, aber es sind die Fragen aller, die über die Himmelfahrt
nachdenken. Schon die frühe Christenheit hat das getan: fragen, nachdenken.
Seltsam, der Englisch-Unterricht brachte eine ganz neue Spur hinein. In unserer deutschen Sprache haben wir ja leider nur das eine Wort „Himmel“. Die englische Sprache hat zwei Worte dafür. „Sky“
ist der „Himmel über uns“ – der blaue Himmel, der Sternenhimmel, der Wolkenhimmel, der Himmel, aus dem der Regen fällt und von dem die Sonne scheint, der Himmel an dem die Flugzeuge fliegen. Der
Himmel, den die Astronomen beobachten und die Wetterexperten. Das also ist Sky.
„Heaven“, das zweite Wort, ist in der englischen Sprache der „Gotteshimmel“, die „unsichtbare Welt Gottes“. Die Maler des Mittelalters malten ihn nicht in Blau, sondern in Goldtönen. So wertvoll war
ihnen dieser Himmel Gottes! Aber wir merken wohl: Alle unsere Bilder und Worte reichen nicht hin, um Gottes Himmel richtig zu beschreiben. Unsere Begriffe platzen wie bunte Luftballons, in die man
eine Nadel sticht. Denn dieser Himmel steht außerhalb von Raum und Zeit. Die Uhr zählt da nicht. Landkarten auch nicht. Dieser Himmel – das „Himmelreich“, wie Jesus sagte – ist ein Geheimnis, das
Jesus in anschaulichen alltäglichen Bildern andeutete. Etwa das Bild von einem Festessen. Seitdem stelle ich mir den Himmel vor wie einen riesigen Ausziehtisch, an den ganz viele, vielleicht alle
Menschen dranpassen. Zu dem sie jedenfalls geladen sind! Wir können nur in solchen Bildern vom Himmel sprechen. Er übersteigt uns, unsere Vorstellungskraft.
Sicher ist: Gott wohnt nicht in einem „Himmel“ irgendwo, sozusagen hinter allen Sternennebeln in einem himmlischen Raum. Sicher ist auch: Wo Gott ist, wo Er sich zeigt, dort ist der Himmel! Als
Jesus kranke Menschen heilte und Ausgestoßene umarmte, da öffnete sich ihnen der Himmel. Wenn Liebe uns überwältigt – auch die ganz reale menschliche Liebe –, dann fühlen wir uns wie im Himmel,
vielleicht sogar im berühmten „siebten Himmel“ der Lieder und Gedichte. Vielleicht merken Sie: Man kann nur poetisch, symbolisch vom Himmel sprechen. Und da mischt sich dann hinein das Staunen über
ein unfassbares Geheimnis, das alles zusammenhält. Da mischt sich hinein die Hoffnung, dass sich schon jetzt in unserer brüchigen und oft kaputten und kaputt gemachten Welt etwas von der Vollendung
zeigt, von einer „heilen Welt“. Himmel ist ein Sehnsuchtsort! So wie das Wort Gott wohl auch ein Sehnsuchtswort ist und kein naturwissenschaftlicher Begriff. Die Sehnsucht könnte sein: Es muss doch
mehr als alles geben. Mehr als die Dinge dieser Welt. Es muss doch so etwas wie Heil und Vollendung geben. Vertrauen ist berechtigt. Und die Liebe siegt. Dafür steht das Wort Himmel, dafür steht das
Wort Gott – und das Wort Gottes.
In der Lesung aus der Apostelgeschichte wird bildhaft erzählt, wie der auferstandene Jesus sozusagen „dem Himmel gehört“. Er lässt sich nicht festhalten, nicht aufhalten, er geht voran und voraus.
In der Emmausgeschichte teilt er Brot und Wein mit den ratlosen beiden Jüngern – und „war auf einmal nicht mehr zu sehen“. Er entzieht sich ihren Blicken. „Schaut auf die Gaben, auf Brot und Wein,“
scheint er zu sagen. Auch in ihnen bleibe ich bei euch – alle Tage. Bis zum Ende der Welt.“ Es ist wie eine Einübung ins Loslassen, die den ratlosen Jüngern da zugemutet wird. Immer wieder! Bis zu
dem Punkt der „Himmelfahrt“: dass er „vor ihren Augen emporgehoben wird, und eine Wolke nahm ihn auf und entzog ihn ihren Blicken.“ Jetzt verlässt er die Welt des direkt Sichtbaren und gehört nun
ganz dem Himmel, dem göttlichen Bereich! Und langsam wächst die Erkenntnis: Jesus bleibt da, bei uns, auf eine neue Weise: so in Brot und Wein, in der Eucharistie, in den Zusammenkünften: Wo zwei
oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen! Die nächste Erfahrung wird dann Pfingsten sein. Ein großes Geschenk ist zu spüren, das wir „Geist“ nennen – eine Gabe, die
in den Menschen wirkt – der „Beistand“, der „Tröster“, der Kraftspender.
Und diese Kraft werden die Jünger brauchen! Sie bekommen eine Aufgabe. Geht in alle Welt! Verkündet, tauft, lebt den Glauben vor! Erzählt von Jesus, führt sein Werk weiter! Nun begann also schon
bald die „Weltmission“, die durch die Zeiten weitergeht. Was mit Jesus geschah, das gilt nun weltübergreifend für die ganze Erde und alle Menschen, die auf ihr lebten, leben und noch leben werden.
Jesus Christus verteilt sozusagen die Liebe Gottes, die Vergebung der Sünden, den Trost seines Heils und seine Aufträge an alle Menschen, die sich mit ihren Herzen und Köpfen ihm öffnen und für ihn
leben. Er zeigt ihnen allen den Himmel, er eröffnet ihn für alle.
Himmelfahrt ist also nicht der „Vatertag“ biertrinkender Männer, die mit dem Fass auf dem Bollerwagen durch die Landschaft ziehen. Wenn Vatertag, dann der Tag des himmlischen Vaters, der seinen
Himmel, sein Leben in Jesus sichtbar und öffentlich gemacht hat. Und der auch heute seine Himmelsboten ausschickt, immer wieder, zu mir, zu dir.