Segen in Coronazeiten
Predigt am 31.01.2021
Heute wird es hier sehr katholisch und geradezu ein bisschen handgreiflich! Ein starkes Zeichen rückt in die Mitte: der Blasius-Segen. Als er vor einem Jahr ausgeteilt wurde, war Corona
gerade wach geworden. Wer hätte damals gedacht, dass der kleine Virus uns alle weltweit stoppt und die Gesundheit zum Thema Nr. 1 wird, zur entscheidenden Frage!
Der Blasiussegen war immer beliebt. Die Leute standen Schlange und empfingen ihn mit großer innerer Anteilnahme und Aufmerksamkeit. Er ist ja kein allgemeiner Segen, „ein Kreuzzeichen
für alle“, sondern wird jedem ganz persönlich „auf den Kopf“ bzw. Hals hin zugesprochen. Zwischen den beiden gekreuzten Kerzen der Zuspruch Gottes, sinngemäß:
Auf die Fürsprache des Bischofs Blasius bewahre dich der Herr vor Krankheiten und stärke dich in allem Leid.
Vielleicht spürten die Leute: Endlich mal kommt das Thema Gesundheit konkret in der Liturgie vor: Halsschmerzen oder Rückenschmerzen, und was einen alles so plagt. Nicht nur das
„Seelenheil“, wie sonst immer, sondern auch ein heiler Körper. Christus ist, wie es zu Weihnachten hier hieß, der „Medicus“, der göttliche Arzt, der
weiß, wie eng Leib und Seele und Geist zusammenhängen und sich gegenseitig durchdringen.
Das wird jetzt in Coronazeiten sehr, sehr deutlich. Die Viren greifen die Lunge und den Körper an und treiben zugleich Geist und Seele in die Angst, in die Einsamkeit, in den sozialen Abstand,
in große Sorgen. Nichts scheint zu bleiben, wie es ist.
Und Gott? Schweigt er? Sind die leeren Kirchen auch eine Art Zeichen? Zeichen seiner Abwesenheit oder eines Desinteresses an den Nöten der Menschen? Macht Gott auch „homeoffice“,
zieht sich sozusagen in den Himmel zurück und hat dabei noch das Telefon abgestellt, will die Anrufe der Menschen nicht hören?
Nein! Dreimal Nein, sagt der Blasiussegen in diesem Jahr 2021. Gottes Zuspruch, sein Versprechen heißt nicht: Ich schaffe euch die Pandemie vom Halse. Das müsst ihr selber versuchen. Ich
habe euch genug Verstand und Herz mitgegeben. Sein Zuspruch heißt: Verlier dich nicht in der Angst. Die Not, die Traurigkeit hat nicht das letzte Wort. Auch nicht der Tod. Ich gehe mit dir. Du
bist gesegnet!
Der Blasiussegen erinnert an einen Heiligen aus alten Zeiten, der dieses Mitgehen Gottes gelebt hat: der Bischof Blasius von Sebaste in Armenien. 316 ist er als Märtyrer gestorben. Er verstand
auch etwas von der Medizin. Als er in einer Christenverfolgung im Gefängnis saß, hat er durch die Gitterstäbe hindurch noch Kranke geheilt, so einen Jungen, der eine Fischgräte
verschluckt hatte und nun zu ersticken drohte.
Segen ist immer eine Brücke zwischen Gott und uns. Ist wie die Begleitmusik des mitgehenden Gottes! Am ersten Schultag kommen z.B. die Schulanfänger in die Kirche, um einzeln für die
lange Schulzeit gesegnet zu werden. Dieser Segen bleibt ihnen oft lange in Erinnerung – auch uns, den Segnenden. Mir fällt ein, dass meine Mutter uns als Kinder öfter gesegnet hat,
das Kreuzzeichen auf unsere Stirn gab. Segnen ist nicht an Priester gebunden, – einer kann den anderen segnen, und sollte es auch tun!
Was steckt in einem solchen Segen alles drin? Segnen heißt im Lateinischen: benedicere, „ein gutes Wort sagen“. Menschen sehen sich durch ein „gutes Wort“ gestärkt.
Vielleicht erleben sie häufiger, dass ihnen schlechte Worte um die Ohren gehauen werden. Das krasse Gegenteil von segnen ist „verfluchen“, jemandem alles Unglück und Unheil an
den Hals wünschen. Worte voller Hass! Den anderen mit Worten fertigmachen, herunterputzen. Rufmord über Internet. Und die vielen Möglichkeiten im Alltag: die spitze Bemerkung, die
lieblose überzogene Kritik, die kalte Abfuhr in den Worten und Gesten.
Man kann von daher den Hunger nach „guten Worten“ verstehen. Bei Brautleuteseminaren hieß eine kleine Übung für die Brautpaare: Ziehen Sie sich mit Ihrem Partner
zurück und sagen Sie ihm so viel Lobendes, wie Ihnen überhaupt nur einfällt! Nach zehn Minuten kamen die Brautpaare zurück. Die Augen glänzten, und sie sagten, dass das erst
gar nicht so einfach war. So ungewohnt! Eine Meckerrunde wäre sicher leichter gewesen – aber Loben? Es tue jedoch unheimlich gut, das Lob des anderen zu hören. Der Hunger nach guten
Worten, die aufbauen!
Segen – das ist das gute Wort von Gott, dem Einzelnen auf den Kopf hin zugesagt. Ein Wort und oft eine berührende Geste. Heutzutage erscheinen Bücher mit Segensgebeten für
gestresste Mütter oder gefährdete Kinder, für Schwerkranke oder für Arbeitslose – für alle Lebenslagen. Stellen wir uns einen Schwerkranken im Krankenhaus vor. Er
spürt die Grenzen seiner Kraft, vielleicht sogar die Nähe des Todes. Da wird es eng in ihm. Wenn er noch Psalmen kennt, dann fällt ihm vielleicht das Wort ein „Muss ich auch
wandern in finsterer Schlucht“. Die Schlucht und der Abgrund rücken ihm nah. Aber weiter heißt es im Psalm: „Ich fürchte kein Unheil. Denn Du bist bei mir – dein
Stock und dein Stab geben mir Zuversicht.“ Wenn einer in der „finsteren Schlucht“ diese Zuversicht und Weite erfährt, dann ist der Segen Gottes bei ihm angekommen, hat ihn
innerlich erreicht.
Wenn alles über mich hereinstürzt, wenn ich einfach auf ein gutes Wort warte, dann kann der Segen Balsam für die Seele sein und alles andere als nur „schöne Worte“:
dann ist er wirklich Zusage Gottes, sein Versprechen an mich. Ich spüre: Der andere Mensch meint es gut mit mir, er steht hinter dem „guten Wort“ – und er gibt nicht nur sein
Wort, sondern darin Gottes gutes Wort weiter. Er erinnert mich daran, dass Gott für uns da ist. In den Nöten und Bedrängnissen meines Lebens werde ich an die Worte der
Schöpfungsgeschichte erinnert: „Und Gott sah, dass es gut war.“ Dass das Leben gut ist, leuchtet mir wieder auf, – trotz allem.
Das Leben ist gut, weil Gott gut ist. Als Priester gebe ich das immer wieder im Segen weiter, so z.B. bei der Taufe (Dein ganzes Leben, das noch vor dir liegt, soll gesegnet sein), bei großen
Veränderungen (Gott gehe mit dir ins Neue und Unbekannte), beim Jahreswechsel (Das neue Jahr ist ein Jahr des Herrn, ist gesegnet), bei Hochzeiten (Euer Miteinander in der Ehe möge
gelingen), in der Beichte (Versöhnung, Vergebung ist das beste Wort), und immer wieder in der heiligen Messe: der Alltag, in den du jetzt zurückkehrst, sei gesegnet! Und so kann einer dem
anderen zum Segen werden – so wie Christus uns allen zum Segen wird.
Heute also, und in den nächsten Tagen, zwischen den beiden gekreuzten Kerzen, mit aller Verhaltenheit dieser Coronazeit, der Blasius-Segen: Sei dankbar für die Gesundheit, sie ist nicht
selbstverständlich. Sie ist wichtig, und Gott nimmt die Sorge um sie ernst. Aber sie ist nicht das Allerwichtigste im Leben. Und wenn das Leid und die Krankheit kommt: Gott stärke dich in
allem Leid, er schenke dir Hoffnung und Zuversicht. Die finstere Schlucht hat nicht das letzte Wort.