Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben

Predigt am 08.11.2020

„Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben.“ Das soll der sowjetische Staatschef Michail Gorbatschow in den 80er Jahren zu den DDR-Führern gesagt haben, als sie sich weigerten, Reformen in ihrem Land zuzulassen. Ein geflügeltes Wort ist so entstanden: Pass auf, dass Du nicht den rechten Zeitpunkt zum Handeln verpasst!

Jesus erzählt ähnlich im Evangelium. Er sorgt sich, wir könnten am Ende zu den fünf törichten Frauen gehören, und er möchte doch, dass wir bei den fünf klugen sind und mit dem Brautpaar am Tisch sitzen und ein großes Fest feiern.

An dieser Geschichte ist vieles ganz alltäglich. In Israel war es üblich, dass die Braut mit ihren Brautjungfern in ihrem Haus wartet. Der Bräutigam kommt, die Brautjungfern gehen ihm entgegen und geleiten dann das Brautpaar mit einem Lichterzug ins Haus des Bräutigams. Dort nämlich wird gefeiert. Und dazu haben sie Fackeln, die man in Öl tränkte und dann anzündete. Unsere Jungfern warten also im Haus der Braut, der Bräutigam aber verspätet sich tüchtig, die Jungfern schlafen ein. Warten kann auch heute noch richtig müde machen! Dann aber, in dieser großen Müdigkeit – Mitternacht heißt diese Stunde – wecken die Wächter alle auf: Wohlauf, der Bräutigam kommt, steht auf, die Lampen nehmt. Alle zehn reiben sich die Augen, und jetzt kommt es drauf an: Die einen haben Öl für die Fackeln, die anderen nicht. Die mit Öl können den Bräutigam zu seinem Haus begleiten. Die anderen nutzen das kundenfreundliche jüdische Ladenöffnungsgesetz und kaufen nachts erst einmal Öl ein – und so verpassen sie den Zug des Brautpaares. Später will der Bräutigam nichts mehr mit ihnen zu schaffen haben. Wer zu spät kommt, den bestraft der Bräutigam! Torschluss-Panik der besonderen Art.

So hat Jesus Geschichten erzählt: Die Leute hörten zu und nickten und dachten: So ist es, er kennt sich aus im Leben. Aber dann mochten sie denken: Ist diese Strafe nicht sehr überzogen? Zehn Brautjungfern freuen sich auf die Hochzeit, zehn lieben das Brautpaar, zehn haben Fackeln dabei, zehn werden richtig müde und schlafen ein. Aber am Ende sitzen nur fünf mit am Tisch und feiern, und fünf sind draußen. Und nur eines unterscheidet sie, die jetzt dumm dastehen, von den „Klugen“: Das Öl ist der Unterschied, nicht der gute Wille, nicht der Schlaf, nicht die Freude am Fest. Nur das Öl! Hätten sie nicht das Öl schwesterlich teilen können, wie es sich für Christenmenschen gehört? Teile das Öl, geteiltes Öl ist doppeltes Feuer! Nichts teilt sich so schnell wie das Licht! Aber das Teilen spielt hier keine Rolle. Alles liegt in der Geschichte daran, ob ich genug Öl habe – oder nicht.

Zwischenbemerkung: Es geht um eine Hochzeit! Der Bräutigam, Christus, kommt. Unser Ziel ist das Fest aller Feste. Schon Matthäus sah ringsumher alles andere als das: Terror und Gewalt, Armut und Verfall, – er weiß, dass Himmel und Erde vergehen. Inmitten dieser Katastrophen sagt er: Ihr geht auf ein gutes Ende zu. Am Ende wartet nicht das Chaos, sondern die himmlische Hochzeit. Am Ende steht nicht der übermächtige Tod, sondern da ist ein Tisch gedeckt – auch für euch! Das Beste kommt noch!

Dieses Fest, so sagt das Gleichnis, werdet Ihr doch nicht verpassen wollen! Da wird man sich doch entsprechend drauf einstellen! Also - worauf gehen wir zu am Ende? Auf Untergang und Tod, und dass die Würmer uns fressen? Auf ein Häufchen Asche? Nein, auf das Fest aller Feste! Und Ihr habt die Einladungskarte Jesu in der Tasche, ausgestellt auf Euren Namen!

Aber dann: Auf dem Weg sind wir auf uns selber gestellt. Bei aller Liebe, bei aller Nächstenliebe und Gemeinschaft, bei allem Teilen: Es gibt etwas, das ich nicht an andere delegieren kann. Zu deutsch: Vor Gott bin ich nicht vertretbar. Wenn es denn am Ende darauf ankommt, kann ich mich nicht vertreten lassen. Ich muss selbst ein Verhältnis zu Christus haben, das von Liebe und Vertrauen, von Gehorsam und Treue bestimmt ist. Da bin ich unvertretbar. Da stehe ich allein vor Gott. Da kann ich nicht zu anderen sagen: „Gib mir von deinem Öl!“ Da muss ich selbst für Öl in der Lampe gesorgt haben. Dafür bin ich selbst verantwortlich – mit Christus in Beziehung zu sein, auf ihn zu hoffen.

Es gibt eine letzte Einsamkeit des Menschen. Wer einmal einen Sterbenden begleitet hat, kennt das. Ich kann ihm noch die Hand halten, aber sterben muss er selber für sich – unvertretbar. Keiner von uns weiß, wie es wirklich ist, da muss jeder für sich durch, und ist er durch, steht er da, wo keiner von uns schon war. Dann hebt sich der Nebel, und wir stehen vor der Tür, und sie wird geöffnet zum großen Fest.

Letzte Frage: Was ist denn nun genau das Öl? Das müsste man doch wissen, wenn das Öl in der Geschichte so wichtig ist! Sagen wir so: Öl macht, dass die Lampe brennen und leuchten kann. Dass sie Licht gibt, Orientierung und Wärme. Dass sie den Bräutigam begleitet. Dass es nicht zappenduster ist in uns und um uns herum.

Liebe Christen, so mancher von uns hat seine Ölkrisen seine Ölknappheit. Ich auch. Vieles ist einem so überaus wichtig, die Zeit ist knapp, und Stress ist eine Last und macht müde. Und dann ist auf einmal kein Öl mehr da; die Krüge sind leer. Gerade jetzt, in diesen Coronazeiten, wo man stärker als sonst zurückgeworfen ist auf sich selber! Und da ist es wichtig, auf Gott, auf Christus ausgerichtet zu bleiben. Wenn es bald im Advent heißt: Der Bräutigam kommt, die Lampen nehmt, will ich bereit sein. Ich will bereit sein für Ihn – egal, was alles an mir zerrt, oder wie leer es wird. Ich will doch das Fest nicht verpassen. Fehlendes Öl ist immer das eine, das dich gerade wegzieht von Gott, von Jesus. Es ist das eine, an das du dich nie gewöhnen darfst. Kaufe rechtzeitig Öl, verschieb das nicht auf deine alten Tage. Das heißt: Kehre um, und zwar genau an der Stelle, wo es hakt und klemmt. Und komm nicht zu spät damit.

Sorge für genügend Öl, trotz aller Ölknappheit und aller inneren Leere. Richte dich aus an Christus – und die Lampen leuchten. Die Welt ist im Licht. Und die Finsternis – samt dem dunklen Tod – hindert dich nicht mehr.