Romero, von Galen, Wyszynski

Predigt am 18.10.2020

Drei Bischöfe wurden bzw. werden in den letzten Jahren seliggesprochen – Bischöfe, die mit dem Staat („dem Kaiser“) über Kreuz lagen – um Gottes willen.

Der erste ist ein Deutscher in der Hitlerzeit: Graf von Galen, Bischof von Münster. Löwe von Münster wurde er genannt. Ja, der hünenhafte, mehr als zwei Meter große Bischof von Münster konnte wild werden wie ein Löwe, wenn Gottes Sache bedroht war – und das war sie ständig im Dritten Reich.
Was ist denn Gottes Sache? Nur die Kirche, die Rechte der Kirche? So sahen das manche und protestierten in der Nazi-Zeit nur, wenn die Rechte der Kirche, z.B. der Religionsunterricht in den Schulen oder kirchliche Zeitschriften bedroht waren. Nein, das reicht nicht, sagten andere, so auch Graf Galen – Gottes Sache ist der Mensch! Gerade der Schwache, der keine Stimme hat, der sich nicht wehren kann! Und so stand der Löwe von Münster auf und hielt 1941 unüberhörbar seine drei großen Predigten gegen die Euthanasie, gegen die Tötung behinderter Menschen. Die Nazis sagten ja: Diese Behinderten sind „lebensunwert“! Lebensunwert! Kein Recht zu leben! Keine Würde, kein Wert! Unnütze Esser – überflüssig in der Gesellschaft! So sprach der „Kaiser“, der Führer von damals – so sprach Hitler. Und der Bischof von Galen sprach dagegen – mutig, ohne Furcht vor Menschen. Im Namen Gottes! Die drei Predigten waren wie Sprengstoff gegen die Nazis. Viele begriffen damals: Gottes Sache steht gegen den „Kaiser“, gegen den Führer, gegen diesen Staat – man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen, als den Nazis. Das ist Sprengstoff! Wäre nicht Krieg gewesen und Graf Galen so populär im Münsterland, hätten ihn die Nazis am liebsten gleich aufgehängt.
Als der Löwe von Münster vor 15 Jahren seliggesprochen wurde, sagte Papst Benedikt: „Der Glaube beschränkt sich nicht auf das Private, das man verheimlichen kann, wenn es unbequem wird. Der Glaube erfordert Konsequenz und Mut auch in der Öffentlichkeit – zugunsten des Menschen, zugunsten von Gerechtigkeit und Wahrheit!“ Denn Gottes Sache, so dürfen wir hinzufügen, ist der Mensch. Lautstark und deutlich haben Jesus und viele Menschen in seiner Spur ausgerufen: Gebt Gott, was Gottes ist – gebt Gott, was Gott gehört!

Noch kurz zu den beiden anderen Bischöfen. Stefan Wyszynski war Pole, Kardinalprimas, Oberhaupt der polnischen Kirche in den 50-er, 60-er und 70-er Jahren. Jahrelang saß er im Gefängnis. Die kommunistische Regierung hatte Angst vor ihm, vor seinem Einfluss auf die sehr katholische Bevölkerung. Er und sein viel jüngerer Amtsbruder Karol Woytila legten sich heftig mit den Regierenden an: als Anwälte des Volkes, als Fürsprecher der Menschen. Wyszynskis Seligsprechung im Frühjahr wurde wegen der Corona – Situation verschoben.

Oscar Romero ist der dritte im Bunde. Erzbischof in dem kleinen Land El Salvador in Mittelamerika. Dort ging es drunter und drüber: Eine gewaltbereite Regierung, Militär mit sehr viel Blut an den Händen, eine reiche Oberschicht, die das Volk unterdrückte. Jeden Tag unzählige Ermordete! Romero, eigentlich ein ängstlicher Mensch, lernte es, Klartext zu reden. Seine aufrüttelnden Predigten machten ihn zum Propheten seines Landes. 1980 wurde er bei einer Messe von einem Killer erschossen.

Alle drei fragten: Was gehört denn Gott? Die Nazis hätten Gott am liebsten in die Kirchen – oder Klostermauern eingeschlossen. Sie sagten z.B.: Uns gehört die Erde – Gott soll in seinem Himmel bleiben, da stört er uns nicht. Das ist sein Bezirk, sein Reich. Er soll die Finger lassen von der Welt, von dem, was auf der Erde passiert. Das war also so eine Art Stockwerkdenken – die Menschen im Parterre machen da ihr eigenes Ding, und Gott im Himmel, sozusagen in der Dachkammer, soll uns in Ruhe lassen! Aber das tut er nicht, Gott sei Dank. Er durchkreuzt diese bequeme Einteilung (uns die Erde, ihm der Himmel). Er wirkt wie ein Störenfried. Die Bibel sagt vom Anfang bis zum Ende: Ihm, Gott, gehört alles – das Unten und das Oben. Erde und Himmel. Ihm, dem Schöpfer, gehört die ganze Welt. Er ist der Herr! Und das war nicht nur so dahingesagt! In den besten Zeiten des Volkes Israel war es klar: Gott gehört das Land, der Grund und Boden. Gott ist der einzige Immobilienbesitzer. Die Menschen pachten und mieten und verwalten das Land nur – in seinem Namen. Das Land ist Leihgabe – wie das Leben. Es ist kein fester Besitz! Alle „Jubeljahre“ – d.h. alle 50 Jahre – wurde das Land neu verteilt. Und auch der König von Israel hat die Macht von Gott nur geliehen bekommen. Sie gehört ihm nicht, sie kann ihm wieder genommen werden. Er ist nur ein bescheidener Pächter, ein Diener Gottes. Als das Volk Israel die Dinge so sah, ging es ihm gut. Es lebte in Gerechtigkeit. Als Israel aber dann, später, die üblichen Machtspielchen mitspielte wie alle Welt sonst und die Herrschaft Gottes vergaß, da ging es ihm auch wie aller Welt: Gewalt und Ungerechtigkeit überall! Alles ist Leihgabe, sagt die Bibel. Alles ist nur geliehen, nur gepachtet, nicht Besitz. Auch unser Leben: nur Leihgabe. Wir sind immer nur Gäste auf der Erde – egal, ob man in Palästen oder in Zelten wohnt.

Gebt Gott, was Gottes ist. Es ist gut, wenn wir Gott hineinschauen lassen in alle Lebensbereiche. Ihn geht nicht nur die Religion an. Gott interessiert sich brennend für Soziales und für Erziehung, für gerechte Löhne, für das Familienleben, für die Wirtschaft und die Bewahrung seiner Schöpfung. Er fragt sich: Was machen die Menschen mit meiner Welt? Und er schaut hin, ob Liebe und Gerechtigkeit drin stecken in diesen vielen Bereichen – und Respekt vor dem Leben, Ehrfurcht vor dem Leben. Seine Sache liegt ihm am Herzen – wie einem Vater oder einer Mutter das Wohl der Kinder. Der Mensch liegt ihm am Herzen. Besonders der Leidende, der Kranke, der Arme. Die ganze Welt. Und wir.