Mitten unter uns

Predigt am 06.098.2020

Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen.

Zur Zeit geht es mir nicht so gut mit unserer Kirche. Es wird fast nur noch über Machtfragen diskutiert, über Zölibat, Sexualität und das Priestertum der Frau. Selbst bei Pfarrerkonferenzen stehen Management, Finanzen, Strukturen und Digitales im Vordergrund. Gewiss alles wichtige Fragen, aber immer nur: Beschäftigung der Kirche mit sich selber! Davon wird keiner gläubig. Von Gott ist selten die Rede.

Vielen Christen dürfte es so gehen wie mir: Ich möchte – Gott. Ich möchte von Gott hören, zu ihm sprechen (beten), von ihm sprechen, ein Miteinander finden, das von Gott getragen ist. Gott ist kein bloßer Gedanke, kein Kulturgut, kein Thema der Tradition. Gott ist real, wirklich. Und da kommen die Fragen: Hilft er? Greift er ein? Erhört er die Gebete? Vertrauen wir, dass er helfen kann? Und uns auf gute Wege führt?

In der letzten Woche habe ich besonders viel gelesen. Drei Bücher, 750 Seiten. Ich konnte nicht aufhören! Eine Bekannte hat sie mir geschickt, und ich bin ihr dafür sehr dankbar. Das Ganze ist ein großer Erfahrungsbericht. Die Erfahrung ist: Gebete können alle Barrieren der Welt durchdringen. Gebete führen uns nicht vor eine Wand, sondern auf eine Brücke!

Der Autor ist ein Arzt, Klaus Dieter John. Hochkompetent, u.a. mit Studium in Harvard. Verheiratet mit einer Ärztin. Beide waren immer und sind glühende Christen, mit freikirchlichem Hintergrund. Die beiden verspürten schon im Studium den Wunsch, besser ihre Berufung, als Ärzte in der sogenannten Dritten Welt, unter den Ärmsten der Armen zu arbeiten. Sie verstanden sich ausdrücklich als Missionare. Die "beste Botschaft der Welt" – dass Gott alle Menschen, gerade auch die Armen liebt -, die wollten sie durch Wort und mehr noch durch Tat verkünden – in einem zu gründenden Krankenhaus. Wir haben es also mit Menschen zu tun, die eine Vision in sich tragen, die aufbrechen und sich als Werkzeug Gottes verstehen, als seine "Handwerker". In einem großen Gottvertrauen! Mehr als zweihundert Menschen von einem solchen Glauben kommen in den Büchern vor: Ärzte, Krankenschwestern, Therapeuten, Techniker aus aller Welt, die mit ihren Familien, mit kleinen Kindern aufbrechen, um im Hochland von Peru der sehr armen indianischen Bevölkerung zu dienen. Dr. John hat dort 2005 ein Krankenhaus gebaut, das inzwischen zu den besten und angesehensten in ganz Peru gehört. Dazu kommen eine große Schule, ein Kinder- und Jugendzentrum und eine Radiostation. Alles gebaut ohne Zuschüsse, ohne Gelder des Staates, ohne Eigenkapital, ohne Gehälter! Das ganze Projekt hat den indianischen Namen DIOSPI SUYANA – das heißt: Wir vertrauen auf Gott.

Die Baugeschichte dieses Riesenwerks erzählt Klaus John in seinem ersten Buch mit dem erstaunlichen Titel "Ich habe Gott gesehen". Er meint damit: Gott wurde für uns darin sichtbar, erfahrbar, greifbar. Er ist der eigentliche Baumeister. Er hat uns die Idee und die Sehnsucht ins Herz gelegt. Er gab uns die Kraft, unser Bestes zu geben, und er kümmert sich um das Übrige. Das ist eine Devise des Buchs: Tu dein Bestes, Gott sorgt sich um das Übrige! "Wir konnten zusehen, wie Gott arbeitet", schreibt John, und er erzählt in vielen Beispielen davon. Die sind oft unglaublich! Da fehlt z. B. das Geld für medizinisches Hightech, Röntgenapparate u. ä., 100.000 Dollar. Die Mitarbeitenden nehmen diese Situation in ihr Gebet, und am nächsten Tag schickt ein reicher Unternehmer aus der Hauptstadt eine E-Mail: er habe in einer Zeitschrift von dem Krankenhaus gelesen und sei tief beeindruckt! Seine Geschäfte gingen gut, und er wolle gern das Hospital mit 100.000 Dollar unterstützen. Nichtgläubige würden da von "unverschämtem Glück" sprechen, oder vom Zufall. Gläubige werden das Wort "Wunder" nicht scheuen: Wunder Gottes im Leben.

Anderes Beispiel: Dr. John braucht am Anfang einen fähigen Bauingenieur. Woher nehmen, wenn kein Geld da ist für ein entsprechendes Gehalt? In seiner Heimatstadt Wiesbaden fragt er Freunde um Rat. Einem fällt ein erfahrener Ingenieur ein, der grade frisch in Rente ist. Er wird angerufen und springt fast vor Freude in die Luft: Ja, genau so etwas habe er erhofft, sein Können noch im Alter anwenden zu können. Kostenlos – ja, das sei in Ordnung. Und so verbringt dieser Rentner mit seiner Frau rund zehn Jahre in Peru – und baut und baut und baut.

Die Bücher sind übervoll von solchen Fügungen. Nach 750 Seiten lässt sich sagen: Wenn Menschen ein brennendes Anliegen haben, das im Sinne Gottes ist, wenn sie seinen Willen tun wollen, etwa den Armen beizustehen, wenn sie alles auf eine Karte setzen, wenn sie beten und wirklich auf Gott vertrauen, ja mit ihm rechnen, – dann lässt Gott sie nicht hängen. Dann liegt Segen darauf. Dann fügt sich vieles zum Guten.

Dr. John hat in der ganzen Welt davon erzählt, in unzähligen Vorträgen. Auch im deutschen Fernsehen, bei Johannes B. Kerner. Dabei weigert er sich, zwei Fassungen zu machen – eine für die Kirchen und die Frommen, wo ständig von Gott die Rede ist – und eine für die säkulare Welt, für die Nichtgläubigen und die breite Öffentlichkeit und die Politiker, wo man sich mit der Rede von Gott möglichst zurückhalten sollte. Gott ist der Baumeister – das sagt er auch auf Ärztekongressen, bei Unternehmern oder im Fernsehen. Und immer wieder stellt er fest, dass auch die nichtgläubigen Zuhörer sehr berührt sind und sehr nachdenklich werden: Vielleicht gibt es ja wirklich diesen hilfreichen Gott, vielleicht ist da nicht bloß der Zufall im Spiel.

Ich muss bekennen, dass wir mit unserem Guatemala-Projekt "Samenkorn" Ähnliches erlebt haben. Bevor unsere Gründerin Christine Zauzich vor elf Jahren im Meer ertrank, fand sich ein fähiger junger Mann in Bayern, der bereit war, die Nachfolge anzutreten. Dieses "fand sich" wirkte sehr zufällig. Er wurde uns sozusagen über den Weg geschickt. Wir verstehen das als eine Fügung Gottes.

Noch deutlicher ist der Erwerb unseres Zentrums in Guatemala. Ein sehr geeignetes großes Haus war im Angebot, aber unerschwinglich für uns: etwa 400.000 Dollar. Nichts zu machen! Im Vorstand erinnerte man sich an einen Spender, der früher einmal angedeutet hatte, er würde 100.000 DM dazutun, wenn es um einen Hausbau ginge. Wir riefen ihn an; der letzte Kontakt war über fünf Jahre her. Jetzt war er bereit, die ganze Summe im Alleingang aus einer Erbschaft zu bezahlen! Verständlich; dass wir von den "Wundern Gottes" auch bei Samenkorn sprechen.

Ja, die alten Wunder Jesu gehen in solchen Erfahrungen weiter. Fünf Brote und zwei Fische können Tausende satt machen. Man hat nur ganz wenig in der Hand, aber es kann für viele reichen! Und man kann vielleicht auch "übers Wasser laufen", über alle Abgründe und Tiefen und Schwierigkeiten hinweg. Wir kriegen dabei nasse Füße. Aber der Glaube trägt.

Wenn nur das Vertrauen und das Gebet der zwei oder drei da ist. So ist Jesus mitten unter uns. Nicht nur in seinen Sakramenten in der Kirche, sondern im aufrichtigen Gebet, das aus dem Herzen und aus dem Vertrauen kommt und von Gott gesegnet ist. Wenn das Gottvertrauen die Basis ist, dann kann auch unsere so arg in Seenot geratene Kirche wieder klaren Kurs und eine innere Erneuerung finden. Wenn sie auf den Herrn baut – mehr als auf das Geld und die Manager.