Es reichte für alle

Predigt am 02.08.2020

Der Tag fing schlecht an für Jesus. Johannes der Täufer, sein Familien - und Geistesverwandter, war aus einer Laune heraus enthauptet worden. Als Jesu davon hörte, ging es ihm sehr "an die Nieren"; er musste das verarbeiten, er wollte allein sein. Da, in der Nähe des Sees Genesareth. Aber das Allein-für-sich-Sein, an einem abgelegenen Ort, hielt nicht lange vor. Für die Trauer blieb nicht viel Zeit. Denn viele Leute drängten heran aus den Städten am See. Sie brachten ihre Sorgen mit, ihre Krankheiten, die Nöte armer Leute. Und diese Nöte waren noch lähmender und konkreter als unsere heutigen Corona- oder Klimaängste. Drückende Pachtabgaben, nicht genug zu essen im Haus, mittlere Lebenserwartung von nur 30, 35 Jahren, daher viele Witwen und Waisen, Krankheiten, für die es noch keine Heilmittel gab – alles konnte zur Katastrophe werden! Der Mensch von damals war oft hilflos und wie ausgeliefert.

Jesus ist davon sehr berührt. Voller Mitleid. Ein "Heiland", ein Heilbringer in so viel Unheil! Er spürt die Hoffnungen und das Vertrauen der Menge. Und die Nöte werden jetzt ganz konkret: Es ist schon Abend, die Leute kriegen so langsam Hunger, da in der Einöde. Was wir heute "Catering" nennen, gab's noch nicht. Wer wird da nicht die Jünger verstehen – sie sagen: Schick die Leute weg! Mach Schluss! Die Bewirtung müssen wir uns nicht auch noch aufhalsen!

Schick die Leute weg! Wie oft denkt man ähnlich. Die Riesenprobleme heute, und wir kalkulieren: Das schaffen wir nicht! Und eigentlich sind wir auch nicht zuständig. Es geht uns nichts an. Das ist wirklich zum Davonlaufen!

Und nicht nur dieser Hunger, Vorräte fürs Essen und Trinken! Die Leute bringen auch mit dem Hunger den Durst nach Wertschätzung, nach Anerkennung. Dass da ein Ohr ist, das mir zuhört. Dass da ein Herz ist, das auch für mich schlägt. Dass da einer ist, der sich Zeit nimmt. In diesem Sinne hungert die ganze Welt! Und wir sind mittendrin in dieser Welt.

Und was macht Jesus? Folgt er dem gesunden Menschenverstand? Schickt er die Leute weg? Nein, so einfach macht er es sich und den Jüngern und uns nicht. Stattdessen seine Worte: Gebt ihr ihnen zu essen! Ihr, die Jünger. Ihr, die Kirche: Jesus legt die Nöte der Menschen in unsere Hände.

Aber wir haben doch nichts. Oder fast nichts! Die Jünger sagen: Wir haben nur fünf Brote und zwei Fische! Das ist doch so gut wie nichts, bei so vielen Leuten! Das ist doch nur ein Tropfen auf dem heißen Stein! Überfordere uns nicht!

Ja; das ist heute der Haupttenor auch in der Kirche: Unsere Mittel und Möglichkei-ten sind so gering. Von allem haben wir zu wenig: Mitarbeiter, Geld, Motivation. Die eigenen Mängel sind meist im Blick. Wer rechnet noch mit Gottes Möglichkeiten und stellt sich ihnen zur Verfügung? Stattdessen: Es geht nicht!

Jesus spürt heraus: die alte Angst der Menschen, selber zu kurz zu kommen. Das mangelnde Vertrauen: Theoretisch glaube ich schon, dass Gott helfen kann - aber ganz praktisch hier und jetzt? Jesus ist unbeeindruckt von den Bedenkenträgern aus den eigenen Reihen. Er sieht die Fallen, in die wir tappen: Resignation, Selbstmitleid, fehlender Wagemut, Gleichgültigkeit - und fordert die Jünger heraus: Bringt sie mir her, die paar Brote und Fische!

Ja, wir sollen das, was wir haben, zu ihm bringen. Auch wenn es nur wenig ist. Es scheint uns immer zu wenig und zu klein: unser Glaube, unsere Begabungen, unsere Herzenskräfte. Aber er kann es gebrauchen und einsetzen. Bringt sie mir her – großes Ausrufezeichen!

Im gleichen Atemzug lässt er die paar Tausend Leute Platz nehmen im Gras. Es kann losgehen mit dem Sättigen der Menschen. Gebt alles, was ihr geben könnt, bringt es zu mir – und dann ich dran!

Wer das Alte Testament kennt, weiß: Man rechnete damit, dass der Messias einst das Volk speisen wird – so wie es damals das Manna in der Wüste gab. Die eiserne Ration in schlechten Zeiten. Im Psalm betet einer: Er gibt uns Speise zur rechten Zeit – und sättigt alles, was lebt. Das wird jetzt wahr und in einem großen Zeichen verdeutlicht: Jesus ist der ersehnte Messias, der Gottes Barmherzigkeit auf die Erde bringt und den Hunger stillt. Aber dazu will er und braucht er die paar Brote und Fische – das Wenige, was wir mitbringen.

Weiter heißt es: Er blickte zum Himmel auf, sprach den Lobpreis, brach die Brote und gab sie den Jüngern. Woher kennen wir diese Worte? Vor allem aus der Eucharistie, aus der Messe. Von der Wandlung: Was wir dem Herrn an Gaben bringen, das wird von ihm verwandelt. Wo Menschen sich mit Gottes Menschenliebe verbinden, da kann Wunderbares entstehen. Was wir aber nur für uns behalten und nicht einsetzen, das kann auch nicht für die Welt verwandelt werden. Wer sich also etwa bei Gott beklagen will, dass der so wenig gegen die Not in der Welt tut, der könnte die Antwort bekommen: Wieso? Ich habe Dich doch geschaffen!

Also: in der Messe sollen wir nicht nur die Kommunion nehmen (wie eine Tablette), sondern wir sollen die Kommunion "machen" – die Gemeinschaft mit Gott annehmen, in uns hineinnehmen ("essen"), und sie dann weitertragen, andere Menschen einbeziehen in diese große gottgewirkte Gemeinschaft. Wie es im Evangelium weiter heißt: Jesus gab die gebrochenen Brote den Jüngern. Die Jünger aber gaben sie den Leuten. Und alle aßen und wurden satt – eine Riesenkommunion!

Was da auch heute zustande kommen kann, bei diesem Zusammenspiel zwischen Gott und den Menschen! So wenig ist anfangs da, und so viel kommt dann heraus – eine Bewegung des Teilens und der Gemeinschaft, ein Vertrauen in den Gott, der Berge versetzen und Hungrige sättigen kann – nicht an uns vorbei, sondern mit uns.

Und zwölf Körbe bleiben übrig. In Überfülle ist die Speise da, verschwenderisch. Ein Vorgeschmack auf den Himmel, auf das Leben in Fülle. Zwölf Körbe – d.h. für alle, für das ganze Volk Israel mit seinen zwölf Stämmen. Und für jeden der zwölf skeptischen und dann staunenden Apostel ein ganzer Korb mit Proviant.

Ja, es reicht für alle – wenn wir mitspielen. Wenn wir das Wenige einsetzen – die fünf Brote, die zwei Fische.