Aus-Sendung

Predigt am 14.06.2020

Jesus sah die vielen Menschen und hatte Mitleid mit ihnen.

Wohl jeder, der heutzutage bewusst Christ ist
und in der Kirche mitarbeitet,
hat die vielen Menschen vor Augen
und hoffentlich im Herzen:
nicht nur die eigene Familie,
nicht nur die vielen Schwestern und Brüder
im Glauben, sondern auch
die Vielen in unserem Land,
ja die unendlich Vielen in der einen Menschheit.

Damals - bei Jesus - waren die Vielen

müde und erschöpft - wie Schafe, die keinen Hirten haben.

Müde und erschöpft - das trifft es genau.
Die Müdigkeit im Gesicht so vieler,
die Erschöpfung durch die Lasten des Alltags,
die Antriebslosigkeit,
die verbreitete Langeweile und innere Leere.
"Null Bock" bei Jungen
und Resignation bei Alten -
Europa ist alt geworden und müde,
erschöpft durch vieles, auch durch Corona,
durch das Tempo der Veränderungen,
durch den Druck des "Immer mehr".

Wie Schafe, die keinen Hirten haben.

Da sind nicht mehr viele,
die Wege zeigen können.
Da fehlen die Weisen und die Wegweiser.
Da rennt man im Kreis herum
und gerät in Sackgassen
und verbraucht so viel Energien und Kraft.

Jesus hatte Mitleid mit ihnen.

Jesus schimpft nicht auf die böse Welt.
Er stimmt nicht ein ins allgemeine
Klagen und Jammern,
das auch ein Zeichen der Müdigkeit ist.
Nein: er empfindet Sympathie
und Mitleid -
eine Liebe, die auf Hilfe aus ist.
"Mein Beruf ist die Liebe",
sagt die hl. Therese von Lisieux,
die als junge Schwester hinter Klostermauern
vor Liebe zu den Menschen brannte.
Mein Beruf ist die Liebe.
Diese Liebe ist ansteckend,
viele auch in unserer Stadt
haben sich anstecken lassen -
und tun ganz unaufdringlich,
ganz diskret
und bescheiden viel Gutes -
wie selbstverständlich. Das hält
eine Stadt, eine Gemeinde zusammen.

Christi Liebe steckt an.
Das ist der Boden aller Berufungen.
Diese kleine Pflanze wird genährt
durch das Gebet.

Bittet also den Herrn der Ernte, Arbeiter für seine Ernte auszusenden.

Bei Jesus kann niemand sich selber
berufen oder aussenden.
Niemand wird sofort losgeschickt.
Erst braucht es eine Zeit des Reifens,
eine "Inkubationszeit der Liebe" -
und es braucht das Gebet.

Bittet also:

Bittet als Christen, als Gemeinde
vertrauensvoll und eindringlich.
Und führt nicht bloß schlaue Debatten
über die Kirche, denn:

Die Ernte ist groß, aber es gibt nur wenig Arbeiter.

Was ist unsere Aufgabe?
Die Ernte - oder
nicht eher noch die Saat?
Liebe aussäen.
Die Freude am Evangelium aussäen -
das Gespür für Gott wachhalten -
Ernten werden vielleicht andere.

Man sollte nicht allzu schwarz sehen
mit der Saat - es ist auch heute
eine Offenheit vieler da,
Gott zu suchen und
im Leben zu entdecken.
Im Leben! Nicht nur in der Kirche.
Ganz im Sinne des Folgenden:

Den 12 Jüngern gab Jesus die Vollmacht, die Dämonen auszutreiben und alle Krankheiten und Leiden zu heilen.

Erstaunlich, nicht wahr?
Der Apostel - nicht Beauftragter
für Gottesdienste, Predigten
und Kirchenverwaltung, -
sondern hier: halber Psychologe
und halber Arzt?
Da sieht man:
Für Jesus ist das ganze Leben von Belang.
Leib und Seele, Gesundheit und Krankheit,
Glück und Leid, Worte und Taten.
Und da sieht er die Dämonen am Werk,
die uns innerlich kaputtmachen wollen.
"Der größte Dämon",
las ich gestern in einem Roman,
"ist: Ablenkung vom Wesentlichen."
Dämonen lenken uns ab,
bringen uns durcheinander,
hetzen uns aufeinander,
nehmen uns den Seelenfrieden
und drängen uns ab ins Chaos,
in Verwirrung und Ängste.
"Treibt sie aus, die Dämonen,"
sagt Jesus, "bringt - Heilung!"

Denn das Himmelreich ist nahe!

Was für eine Riesenaufgabe!
Die Sendung der Apostel:
Eine gigantische Überforderung?
Alles eine Nummer zu groß?
Dann sollten wir uns trösten
mit der Namensliste der Apostel.
An erster Stelle Simon Petrus.
Das waren alles keine Helden -
alles kleine Fischer,
alles begrenzte Menschen.
In menschlicher Schwachheit
bringt Gott seine Kraft in die Welt.
Zum Beispiel in einem Angsthasen
wie Petrus. Und dann kann
der Mensch über sich hinauswachsen...

Jesus beendet seine Aufträge
an die Jünger mit diesen Worten:

Umsonst habt ihr empfangen, umsonst sollt ihr geben!

Liebe Christen, was ist heute schon umsonst?
Umsonst ist der Tod, sagt man,
ansonsten hat alles seinen Preis,
ausgedrückt in Euro und Cent.
Und wenn die Leute von umsonst reden,
dann eher so: "Ist ja doch alles umsonst!",
"Hat ja doch keinen Zweck" - alles für die Katz.
Nun, wir dürfen uns als Christen
über das Wort umsonst richtig freuen:
Umsonst. Gratis. Geschenkt.
Reine Großzügigkeit Gottes, reine Gnade!
Endlich mal ein Ort, wo man sich
nichts verdienen muss,
wo alle Ansprüche nichts zählen.
Reine Großzügigkeit - das ist Gottes Stil -
und vielleicht mehr und mehr unser "Gütezeichen":
Umsonst sollt ihr geben!
Nicht als Belohnung. Eher als Starthilfe.