Wir haben hier keine bleibende Stadt

Neujahrspredigt 01.01.2018

"Wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern die zukünftige suchen wir!" Das ist ein Satz aus dem Hebräerbrief (13,14). Ein starker Satz!
Wir haben hier keine bleibende Stadt. Wirklich nicht? Wir tun doch alles, um ein Zuhause zu haben. Wir wollen unserem Leben Stabilität und Dauer geben. So bauen wir Eigenheime oder kaufen Eigentumswohnungen - "etwas fürs Leben", wie wir dann sagen, etwas, das uns wahrscheinlich überdauert. Wir stecken viel Energie da hinein, etwas Bleibendes zu schaffen.

"Lass uns drei Hütten bauen," bitten in diesem Sinne die drei Jünger Jesus auf dem Berg der Verklärung. Sie erleben da oben eine wirkliche Sternstunde, einen Gipfelmoment des Glücks, und darin wollen sie verharren. Dieses Glück wollen sie mit dem Hüttenbau festhalten und nicht wieder so schnell heruntergehen in die Täler und Niederungen, wo sich das alltägliche Leben abspielt.

Hütten bauen - das ist ganz menschlich. Hütten in so mancherlei Gestalt: Hütten auch als Dome und Kathedralen, die bis in den Himmel hineinragen und die Zeiten zu überdauern scheinen. Hütten, Orte des Zuhauses, Wohnungen, in denen wir uns häuslich und "wohnlich" und dauerhaft einrichten.

Einspruch, sagt da unser Bibelwort ("Wir haben keine bleibende Statt"). Das ist nur die "halbe Miete", die halbe Wahrheit. Wir haben hier keine bleibende Stätte! Was kommt uns da in den Sinn? Die Vergänglichkeit allen Lebens? Der Tod? "Wir sind nur Gast auf Erden", wie wir bei den Trauerfeiern auf dem Friedhof singen? Der Tod, der so plötzlich kommen kann? Nun, das ist hier in unserem Bibelwort höchstens am Rande gemeint. Der Hebräerbrief schaut nach vorn: "Wir suchen die zukünftige Stadt", heißt es weiter. Die zukünftige Stadt! Denken wir da gleich an das "Leben nach dem Tod"? Nach aller Vergänglichkeit und Brüchigkeit auf der Erde die Ewigkeit? Nach aller Unruhe hier dann die ewige Ruhe? Nein, auch darum geht es unserer Bibelstelle nicht.

Eher darum: Wir Christen sind gedacht als das "wandernde Gottesvolk". Stellen wir uns eine mehrwöchige Wandertour vor: immer wieder neu aufbrechen, jeden Morgen neu. Mit möglichst wenig Ballast und Gepäck. Das Schwere zurücklassen, loslassen, Veränderungen erleben in der Landschaft, mit den Menschen, mit dem Wetter. Sich auf die Wandertruppe verlassen können. Und: das Ziel klar haben, das Ziel immer im Blick. Die Wanderstiefel sind demnach eher ein Bild des Christen als das gemütliche Sofa und der Fernsehsessel.

Im Jahr 2017 sind die Diskussionen über den Wanderweg der Kirche heute weitergegangen und werden immer deutlicher, z.B. im Pfarreientwicklungsprozess des Bistums Essen. Große Veränderungen kommen auf uns zu! Unser Bischof bringt es auf den Punkt: "Auch die Kirche ist vergänglich, ist relativ - wie alles in der Welt. Gott allein bleibt, Gott allein ist ewig!"

In einem Weihnachtsgruß schickte mir ein lieber Mitmensch ein Foto seiner Wohnung, die seit längerer Zeit eine Baustelle ist, und schreibt dazu: "Gott kommt hinein in unsere 'Baustellen' - nicht in prunkvolle Kathedralen, hochglanzpolierte Kelche oder vermeintlich perfekte Menschen. Ich bin mir sicher: Gott zieht die Baustellen vor, und ich denke an den Zöllner Zachäus oder an Petrus, der zu Jesus sagt: 'Herr, geh weg von mir, denn ich bin ein sündiger Mensch!' Bei solchen Menschen nimmt Gott Quartier. Wir können ihn hereinlassen so wie wir sind, und mit allem, was wir auf dem Kerbholz haben. Er kommt in jede 'Bruchbude' hinein, wenn wir ihn nur lassen. Dann kann er renovieren und aufräumen - mit uns! In uns!" Baustelle, Bruchbude: ebenfalls ein Bild des Christen unterwegs, auf seiner Pilgerfahrt zu Gott.

"Gott allein bleibt. Gott allein ist ewig", hat der Bischof gesagt. Alles in der Welt ist im Wandel und ändert sich. Das erfahren wir ständig. Es ist eine durchaus "ungemütliche" Erfahrung, die uns aus dem Gewohnten, aus unserer "Einrichtung" herausholt. Oft hätten wir es gern anders.

Für mich ist dies Wandern und Unterwegssein in einer vergänglichen Welt nur möglich im Blick auf den ewigen Gott. Er geht mit uns auf diesem Weg. Er wohnt mit in der "Bruchbude" unseres oft so unwohnlichen Herzens. Ihm sind und waren die Wanderschuhe niemals fremd. Mit ihm sind wir unterwegs zum ewigen Zuhause. Wir suchen, wir wandern, wir warten. "Warten" trifft es vielleicht am besten. Wir dürfen warten, aufmerksam und geduldig, warten auf Jesus Christus, "den Anfänger und Vollender des Glaubens" - wieder so ein schönes Wort aus dem Hebräerbrief. Wir wandern und suchen die göttliche Heimat. Das ist menschlich! Aber wir finden nicht die Heimat, sondern die Heimat / Gott findet uns! Nicht wir kommen zu Gott, sondern Gott kommt zu uns. Das ist göttlich! Wir erreichen das Ziel nicht kraft unserer Anstrengung, sondern dadurch, dass das Ziel zu uns kommt. Siehe Weihnachten! Dafür aber brauchen wir eine Haltung des Erwartens, indem wir Gott nicht aus dem Blick verlieren, sondern aufsehen zu ihm.

Die zukünftige Stadt, die Stadt Gottes, kommt zu uns! In ihr ist Platz genug für alle Menschen. Wir dürfen ihre Bürger sein - auch im neuen Jahr 2018!