Geistliche Ölkrise

Predigt am 12.11.2017

Von der heiligen Teresa von Avila wird erzählt, dass sie Ende des 16. Jahrhunderts rastlos unterwegs war, um Klöster in Spanien zu gründen und zu betreuen. Eines Nachts auf einer Reise brach ein Rad der Kutsche mitten in der Wildnis entzwei und Teresa musste auf Stock und Stein übernachten. Da soll sie die Stimme Jesu gehört haben: "So tue ich mit allen meinen Freunden." Und sie, schlagfertig wie sie war, soll entgegnet haben: "Deshalb hast du ja auch so wenige!"

Ich weiß nun nicht, ob das Gleichnis Jesu von den zehn Jungfrauen dazu geeignet ist, den Kreis seiner Freunde zu vergrößern. Es wirkt doch recht bedrohlich: fünf von den Frauen verpassen die Feier. Die Hälfte also! Zu ihnen sagt der himmlische Bräutigam: Weg mit euch, ich kenne euch nicht!

Ich schicke es gleich vorweg: Jesus erzählt die Geschichte aus Sorge. Er sorgt sich, wir könnten am Ende zu den fünf törichten gehören, und er möchte, dass wir am Ende zu den fünf klugen gehören und mit ihm am Tisch sitzen und feiern.

An dieser Geschichte ist vieles ganz alltäglich. In Israel war es üblich, dass die Braut mit ihren Brautjungfern in ihrem Haus wartet. Der Bräutigam kommt, die Brautjungfern gehen ihm entgegen, um ihn in Empfang zu nehmen. Dann geleiten sie das Brautpaar mit einem Lichterzug ins Haus des Bräutigams. Dort nämlich wird gefeiert. Und dazu haben sie Fackeln, Stangen mit einem Feuergefäß, und darin waren Lappen, die man in Öl tränkte und dann anzündete. Unsere Jungfern warten also im Haus der Braut, der Bräutigam aber verspätet sich tüchtig, die Jungfern schlafen ein.

Warten macht auch heute noch richtig müde! Dann aber, in dieser großen Müdigkeit, Mitternacht heißt diese Stunde, wecken die Wächter alle auf: Wohlauf, der Bräutigam kommt, steht auf, die Lampen nehmt. Alle zehn reiben sich die Augen, und jetzt kommt es drauf an: die einen haben Öl für die Fackeln, die anderen nicht. Die mit Öl können dem Bräutigam entgegeneilen und ihn später zu seinem Haus begleiten. Die anderen nutzen das offensichtlich kundenfreundliche jüdische Ladenöffnungs-Gesetz und kaufen erst einmal Öl ein - und so verpassen sie den Zug des Brautpaares. Später will der Bräutigam nichts mehr mit ihnen zu schaffen haben. Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben, und den bestraft der Bräutigam! Torschluss-Panik der besonderen Art.

So hat Jesus Geschichten erzählt: Die Leute hörten zu und nickten und dachten: So ist es, er kennt sich aus im Leben. Aber dann kam die eine Stelle, an der die Geschichte aus den Fugen geriet: das ist die strenge, geradezu unmögliche Schärfe, mit der sich die Zahl der Jungfern halbiert. Zehn laufen los, zehn freuen sich auf die Hochzeit, zehn lieben das Brautpaar, zehn haben Fackeln dabei, zehn werden richtig müde, auch das, zehn schlafen ein. Aber am Ende sitzen nur fünf mit am Tisch und feiern. Fünf stehen draußen vor der Tür. Fünf haben Öl, fünf nicht. Zehn laufen los, aber nur fünf sind am Ende drinnen, fünf sind draußen. Und nur eines unterscheidet sie, die jetzt dumm dastehen, von den "Klugen": das Öl ist der Unterschied, nicht der gute Wille, nicht der Schlaf, nicht die Freude am Fest. Nur das Öl! Hätten sie nicht das Öl schwesterlich teilen können, wie es sich für Christenmenschen gehört? Teile das Öl, geteiltes Öl ist doppeltes Feuer! Nichts teilt sich so schnell wie das Licht! Aber das Teilen spielt hier keine Rolle. Alles liegt daran, ob ich genug Öl habe oder nicht.

Zwischenbemerkung: Es geht um eine Hochzeit! Der Bräutigam, Christus, kommt. Unser Ziel ist das Fest aller Feste. Schon Matthäus sah ringsumher alles andere als das: Terror und Gewalt, Armut und Verfall. Er weiß, dass Himmel und Erde vergehen. Inmitten dieser Katastrophen sagt er: Ihr geht auf ein gutes Ende zu. Am Ende wartet nicht das Chaos, sondern die himmlische Hochzeit. Am Ende steht nicht der übermächtige Tod, sondern da ist ein Tisch gedeckt - auch für euch! Ein Platz ist da für Euch! Matthäus sagt: Das Beste kommt noch! Am Ende sitzt du am Tisch und prostest dem Bräutigam zu und hörst die himmlische Musik und feierst das himmlische Fest.

Das, so sagt das Gleichnis, werdet Ihr doch nicht verpassen wollen! Da wird man sich doch entsprechend einstellen! Also - worauf gehen wir zu am Ende? Auf Untergang und Tod, und dass die Würmer uns fressen? Auf ein Häufchen Asche? Nein, auf das Fest aller Feste! Und Ihr habt die Einladungskarte Jesu in der Tasche, ausgestellt auf Euren Namen!

Aber dann: Auf dem Weg sind wir auf uns selber gestellt. Bei aller Liebe, bei aller Nächstenliebe und Gemeinschaft, bei allem Teilen: es gibt etwas, das ich nicht an andere delegieren kann. Zu Deutsch: Vor Gott bin ich nicht vertretbar. Wenn es denn am Ende darauf ankommt, kann ich mich nicht vertreten lassen. Ich muss selbst ein Verhältnis zu Christus haben, das von Liebe und Vertrauen, von Gehorsam und Treue bestimmt ist. Da bin ich unvertretbar. Da stehe ich allein vor Gott. Da kann ich nicht sagen: "Gib mir von deinem Öl!" Da muss ich selbst für Öl in der Lampe sorgen. Dafür bin ich selbst verantwortlich - mit Christus in Beziehung zu sein, auf ihn zu hoffen.

Es gibt eine letzte Einsamkeit des Menschen. Wer einmal einen Sterbenden begleitet hat, kennt das. Ich kann ihm noch die Hand halten, aber sterben muss er selber für sich - unvertretbar. Keiner von uns weiß, wie es wirklich ist, da muss jeder für sich durch, und ist er durch, steht er da, wo keiner von uns schon war. Dann hebt sich der Nebel, und wir stehen vor der Tür, und sie wird geöffnet zum großen Fest.

Letzte Frage: Was ist denn nun genau das Öl? Das müsste man doch wissen, wenn das Öl in der Geschichte so entscheidend ist!

Es gab und gibt natürlich Hunderte von Versuchen, das Öl zu bestimmen: Es ist der Gehorsam! Es ist die Liebe! Es ist der lebendige Glaube! Es sind die guten Taten! Und so weiter, und so fort.

Kommt man z.B. nach Straßburg in die berühmte Kathedrale, sieht man über einem Portal die fünf klugen, züchtig, streng wie Nonnen, und die fünf törichten Jungfrauen. Bei denen ist dann auch ein modisch gekleideter junger Mann, der eine Jungfrau umgarnt, und sie fängt schon an, sich auszuziehen. Nur auf dem Rücken des jungen Mannes sieht man Kröten und Schlangen, der Verführer ist der Böse schlechthin. Öl ist hier im Bild Tugend und Zucht.

Öl kann also immer wieder für etwas anderes stehen. Es ist das, was uns fehlt, aber nicht fehlen darf! Genug Öl hat, wer darauf schaut, dass ihm das Wichtigste auch wirklich das Wichtigste bleibt. Klug ist also der, der ausgerichtet ist auf das Ziel seines Lebens, auf das Leben mit Christus. Klug ist, wer sich davon nicht ablenken lässt und wachsam ist und das Ziel nicht aus den Augen verliert. Klug ist, wer sein Haus auf Felsen baut. Verkehrt, ja dumm ist ein Glaube, der sich in falscher Sicherheit wiegt: Ich bin ja in der Kirche, was will man mehr?

Liebe Christen, so mancher von uns hat also seine Ölkrisen. Ich auch. Vieles ist einem so überaus wichtig, die Zeit ist knapp, und Stress ist eine Last und macht müde. Und dann ist auf einmal kein Öl mehr da. Es geht darum, auf Christus ausgerichtet zu bleiben. Es geht darum, dass die Kommandozentrale in meinem Inneren bestimmt bleibt von Gott und seinem Willen. Wenn es heißt: der Bräutigam kommt, die Lampen nehmt, will ich bereit sein. Ich will bereit sein für ihn, egal, was alles an mir zerrt. Ich will doch das Fest nicht verpassen. Fehlendes Öl ist immer das eine, das dich gerade wegzieht von Gott, von Jesus. Es ist das eine, an das du dich nie gewöhnen darfst. Kaufe rechtzeitig Öl, verschieb das nicht auf deine alten Tage. Das heißt: Kehre um, und zwar genau an der Stelle, von der du weißt: Das müsste ich schon lange in Ordnung bringen.

Sorge für genügend Öl, trotz aller Ölknappheit. Richte dich aus an Christus - und die Lampen leuchten. Die Welt ist im Licht. Und die Finsternis, samt dem dunklen Tod, hindert dich nicht mehr.