Hörendes Herz - auf Schatzsuche

Predigt am 30.07.2017

Vor sechs Jahren sprach Papst Benedikt vor dem Bundestag. Alle waren gespannt, was er den Abgeordneten zu sagen hatte. Der Papst fing mit unserer Lesung an, mit König Salomo. Der ist noch ganz jung, noch ganz frisch im Amt und wird von Gott im Traum aufgefordert, einen Wunsch zu äußern. Was mochte sich ein junger König damals wünschen? Macht, Erfolg und Ansehen vermutlich. Reichtum, ein langes Leben, Siege über die Feinde. Einen gesunden Stammhalter, einen guten Platz und Nachruhm in der Geschichte. Nichts von alledem wünscht sich der junge König Salomo. Er bittet um ein "hörendes, verständiges Herz". Und dieses hörende Herz legt Papst Benedikt den Abgeordneten und Verantwortlichen von heute ans Herz, damit sie klar unterscheiden zwischen Wesentlichem und Unwesentlichem, zwischen Gut und Böse, damit sie deutlicher heraushören, was Menschen wirklich brauchen, damit sie die leisen Schwingungen und Zwischentöne wahrnehmen und nicht ihr eigenes Ego aufblähen, sondern gerecht handeln - so wie es die Lage erfordert. Dafür muss man wirklich gut hören können - nicht nur mit den Ohren, sondern mit dem Herzen! Dafür muss man "Antennen" haben, ein tiefes Gespür. Bei Salomo wird das alles später "Weisheit" genannt – als weiser König lebt er in der Erinnerung weiter.

Natürlich sind die Antennen bei Salomo auf Gott ausgerichtet. Dieser Gott ist die Grundlage, das Fundament. Das war damals in religiös verankerten Kulturen sicher eindeutiger und leichter zu erkennen und zu bekennen als heute! Salomo hört Gottes Stimme im Traum; immer wieder hört er sie im Leben. Sie geht mit ihm und weist ihm Wege. Vielleicht ist sie so etwas wie der Schatz, von dem das Gleichnis des Evangeliums spricht.

In diesen Sommerwochen bin ich dabei bei vielen Trauungen und Hochzeiten. In den Gesprächen mit den Brautleuten hörte ich oft, wie sie zueinander sagten: Mein Schatz! Ja, wenn es um die Liebste geht, dann reden wir so wie im Gleichnis: Mein Schatz, meine Perle! Mein Ein und Alles!
Der Schatz und die Perle ist oft ein anderer Mensch - der mir Nächste, der mir Vertrauteste. Aber dann wirklich nur Einer - man kann "Schatz" nicht zu Dutzenden Menschen sagen!

Im Evangelium liegt die Sache nicht so eindeutig auf der Hand. Es ist nicht einfach der Schatz neben mir, der geliebte Mensch. Klar ist: Schatz und Perle sind überaus wertvoll. Für sie lässt einer alles liegen und stehen, lässt einer alles los. Und das nicht mit Zähneknirschen und Bedauern, sondern in Freude. In der Freude, das Entscheidende gefunden zu haben!

Halten wir die beiden Bilder kurz auseinander: Mit dem Reich Gottes ist es wie mit einem Schatz, der in einem Acker vergraben war. Ein Mann entdeckte ihn, grub ihn aber wieder ein. Und in seiner Freude verkaufte er alles, was er besaß, und kaufte den Acker.
Also: Man muss graben, hart arbeiten, den Acker tief umgraben. Der Schatz liegt nicht auf der Straße, nicht an der Oberfläche.

Als Acker stelle ich mir das eigene Leben vor. Meistens ziemlich steinig, so ein Acker! Was da alles rumliegt! Steine, über die ich selber stolpere, Unkraut, in dem ich mich verfange. Aber auch gute fruchtbare Erde - alles ist da.

Manchmal wird dieser Acker des Lebens umgepflügt. Ich selber werde umgepflügt - durch Krisen und Veränderungen, durch Krankheiten und Schicksalsschläge - aber auch durch Erfreuliches und schöne Überraschungen, Gott sei Dank!

Im Acker, in meinem Leben, können also Reichtümer sichtbar werden, die ich gar nicht vermutet hätte. Das Pflügen kann fruchtbar und heilsam werden für mich. Genau dafür brauche ich das "hörende Herz" des Salomo. Dieses hörende Herz ist sozusagen der Spaten, mit dem ich in die Tiefe des Ackers grabe - und fündig werde. Und dann entdecke ich, wie viel mir gegeben, geschenkt wurde in meinem Leben. Ich entdecke Gott als Schatz in der Tiefe meines Herzens. Und dann zieht die Freude ein, die Dankbarkeit, ein Glück, das mir zum leitenden Grundgefühl wird, trotz allem anderen.

Das zweite Bild im Gleichnis, noch prägnanter erzählt: Auch ist es mit dem Reich Gottes wie mit einem Kaufmann, der schöne Perlen suchte. Als er eine besonders wertvolle Perle fand, verkaufte er alles, was er besaß, und kaufte sie.
Da, wo die Perle unseres Lebens liegt, da sieht es zunächst vielleicht gar nicht nach Glück aus, da sieht es meist nicht rosig aus. Die Perle wächst und entwickelt sich in den Widerständen, im Schwierigen. Da wird sie hoch konzentriert und hart. Die Perle ist so winzig, so unscheinbar, man kann sie leicht verlieren! Wir wissen aber auch: Es gibt echte und falsche Perlen. Manch einer hängt sein Leben an unechte, an falsche Perlen. Es macht schon einen großen Unterschied, für welche Perle ich alles aufs Spiel setze, alles liegen und stehen lasse.

Ob uns der Glaube als gemeinsamer Schatz und gemeinsame Perle miteinander verbindet? Vielleicht so - dass wir uns alle gemeinsam an Jesus Christus erinnern und auf ihn beziehen, den großen Schatz, für den damals die Apostel und viele, viele Menschen danach alles haben stehen- und liegenlassen;
- dass wir uns getragen wissen von ihm, von seiner Botschaft - und von dem, der ihn selber trug, vom himmlischen Vater;
- dass wir entlastet sind und uns nicht selber erlösen und dauernd bestätigen müssen, wie toll wir doch sind, und dass das Entscheidende uns geschenkt ist;
- dass uns in Jesus ein Maßstab gegeben wurde, was gut ist und was nicht gut ist, was wesentlich ist und was eher nebensächlich;
- dass wir daher loslassen können, was wir wie überflüssigen und aufgeblähten Ballast in unserem Leben herumschleppen;
- dass wir also großen Grund zur Freude haben an einem befreiten, erlösten, un-sere engen Grenzen sprengenden Leben.

Und noch etwas haben wir vielleicht gemeinsam: Wir können uns darin bestärken, Schatzsucher zu sein, tiefer zu graben "mit hörendem Herzen". Wir sind Mitbürger des Reiches Gottes. Der Pass ist uns dazu ausgestellt in der Taufe. Der Schatz wartet auf uns. Wir können uns darin bestärken, ihn zu entdecken - und zu heben.