Fürchtet euch nicht

Predigt am 25.06.2017

Fürchtet euch nicht! Dreimal sagt Jesus das zu seinen Jüngern. Spürt er, dass sie sich ihrer Aufgabe nicht gewachsen fühlen? Dass sie sich am liebsten verkriechen würden?

Furcht liegt in der Luft. Für Jesus selber steht vieles auf dem Spiel: Werden seine Leute zu ihm halten und für ihn einstehen? Oder wird er an seinem Volk scheitern? Fürchtet euch nicht vor den Menschen! Diese eindringliche Einladung gilt auch für heute. Allemal für Christen, die in vielen Ländern richtig verfolgt werden. Aber auch für uns, die wir ziemlich sicher und ungefährdet leben. Wir kennen auch bei uns eine vielfache "Glaubensfurcht":
- Wenn ich mich mit dem Glauben so bedeckt halte und ihn nicht erkennbar mache, weil ich nicht anecken und meine Ruhe haben will.
- Wenn ich angesichts des Glaubens immer wieder klein beigebe und mich an die ungläubige, unchristliche Stimmung in meinem Umfeld anpasse.
- Wenn ich niemals Farbe bekenne und alles offenlasse.
- Wenn mir der Mut fehlt, um Jesu willen gegen den Strom zu schwimmen und einzutreten für Dinge, die die anderen nicht verstehen und unwichtig finden.
Fürchtet euch nicht! Heute würde Jesus vielleicht sagen: "Verkriech dich nicht aus Angst! Verschließ den Glauben nicht in deiner guten Stube! Zeig ihn, nicht mit schönen Worten, sondern mit der Weise, wie du lebst! Zeig Profil!"

Christen haben ihr eigenes Profil, mit Ecken und Kanten. Mancher mag denken: Dieses Profil ist aber im Lauf der Zeiten sehr abgenutzt! Wie bei manchen Autoreifen, wo die Räder wegrutschen und ins Schleudern kommen. Ein gutes Profil dagegen haftet, gibt Halt.

Jesus selbst war überaus deutlich profiliert! Er lebte den Glauben an Gott, an den Vater mit Haut und Haar. Dabei begibt er sich immer wieder in Gefahr und geht seinen Weg, der ihm jede Menge Feinde schafft. Sie werden sagen, er sei ein Gotteslästerer und halte sich nicht ans jüdische Gesetz. Jedenfalls redet Jesus niemand nach dem Munde. Er hat eine eigene Botschaft, für die er eintritt, und für die er schließlich am Kreuz hängt. Sie kostet ihn das Leben. Für die Gläubigen ist sie dagegen das Tor zum Leben. Bequem ist das alles nicht, aber sehr mutig, klar und deutlich.

Was gibt ihm selbst den Rückhalt?
Auch Jesus ist seine entschiedene Haltung nicht in den Schoß gefallen. Dreißig Jahre braucht er, damit sein Weg in ihm reifen kann. Er kennt die Anfechtungen und Versuchungen und Zweifel und steht sie durch. Gerade so ist er uns ein wirklicher Mitgeher und Weggefährte.
Er verweist uns auf Gott, den Vater. Nicht auf einen Gott, der irgendwo über den Sternen thront. Sondern auf einen Gott, der selbst die Spatzen, geschweige denn uns Menschen im Blick hat. Einen Gott, der der tragende Grund unseres Lebens ist. Dietrich Bonhoeffer, im Gefängnis unter Hitler, sagt es so: "Wir sind in Gottes Hand. Darum fürchtet euch nicht!" Mitten im Sturm, mitten in tödlicher Gefahr können Glaubende wie Jesus oder Bonhoeffer schlafen, weil sie im "tragenden Grund", in Gott geborgen sind.

Liebe Schwestern und Brüder, der Glaube soll das Tageslicht nicht scheuen. Verkündet es von den Dächern, sagt Jesus. Glaube ist nicht beschränkt auf das stille Kämmerlein, ist keine Geheimniskrämerei. Die meisten sagen heute: Glaube ist doch reine Privatsache! Jesus denkt da ganz anders. Er will, dass wir uns outen! (outen = herausgehen!) Das muss nicht so sein wie bei den Zeugen Jehovas (eher überzeugen mit Taten: Rede nur von Christus, wenn du gefragt wirst, aber lebe so, dass du gefragt wirst.). Jesus will, dass der Glaube öffentlich wird, dass er in das gesellschaftliche Leben hineingebracht wird und es verändern kann - wie das Salz in der Suppe. Dazu gehört aber, dass wir uns in unserem Glauben auskennen. Nur der kann den Glauben bekennen und "von den Dächern rufen", der weiß, für was er steht und einsteht. Was ist uns so wichtig, so "heilig", dass wir es uns in dem ganzen Stimmengewirr heute nicht ausreden lassen?

Die Botschaft Christi widerspricht dem herrschenden Trend zur Anpassung. Was alle so sagen und denken, ist nicht unbedingt die Wahrheit, ist oft farblos, ohne Konturen, watteweich. Ein Wort, das ein Prediger vor zig Jahren auf einer christlichen Friedensdemo sprach, habe ich immer noch im Sinn: Eine Kirche, die sich nach allen Seiten hin offenhalten will, kann nicht ganz dicht sein! "Nach allen Seiten hin..." - das geht nicht. Man muss Stellung beziehen, man muss sich entscheiden. Der Märtyrerbischof Oscar Romero sagt sehr treffend: "Eine Kirche, die keine Krise bewirkt, ein Evangelium, das nicht erschüttert, ein Wort Gottes, das niemandem unter die Haut geht: was für ein Evangelium ist das? Ein frommes Gedankenspiel, das niemanden aufregt und in Bewegung bringt."

Oscar Romero ließ sich selber von der Angst nicht lähmen. Er wusste, dass er mit seinem kompromisslosen Einsatz für die Armen sein Leben riskierte. Aber er wusste sich noch mehr in Gottes Hand. Fürchtet euch nicht vor den Menschen - Romero ließ sich davon nicht beherrschen. Die Gottesfurcht, der Respekt vor Gottes Wort zugunsten der Armen, die vertrieb die Menschenfurcht.

Jesus zu folgen - wie Romero oder Bonhoeffer - ist kein Zuckerschlecken. Wer sich öffentlich zu Jesus und seinen Worten und Werten bekennt, der wird anecken und auf Widerstand stoßen. Das kostet Mut. Steigt auf die Dächer, sagt Jesus. Hängt das Evangelium wirklich "an die große Glocke"!