Umsonst

Predigt am 18.06.2017

Versuchen Sie, diesen Geldschein einmal bei der Bank einzuzahlen – die Frau an der Kasse wird verwirrt sein. Null Euro, liest sie da. Null Euro, zum Bezahlen? Und dann den Satz: Gottes Gnade gibt es umsonst!

Es ist ein Beitrag der Aktion gott.net zum Reformationsjahr. Denn die Reformation des Martin Luther vor 500 Jahren wollte vor allem das deutlich machen: Gottes Gnade gibt es umsonst! Gratis! Gratis – das ist fast dasselbe wie das lateinische Wort für Gnade: gratia. Gnade, gratis. Geschenkt. Umsonst.

Wie klingt das heutzutage? - Umsonst ist nur der Tod, sagen die Leute. Alles hat seinen Preis. Die heißbegehrten "Schnäppchen" sind zwar im Preis reduziert, aber auch die kriegst du nicht umsonst! Denn: Nichts wird einem geschenkt. Du musst es dir verdienen. Du musst was bringen. Was leisten. So ist das in Deutschland. So ist das in der Leistungsgesellschaft. So sind wir erzogen. Da glaubt man das Um-sonst nicht wirklich. Was, das gibt es umsonst? Da muss doch ein Haken dran sein, sagt das Misstrauen: eine böse Absicht. Was bezweckt der Schenker damit? Will mich da einer einfangen?

Dieses Misstrauen gibt es auch im Glauben. Gottes Gnade ist umsonst? Unentgelt-lich? Unbezahlbar? So billig geht das? Was ist sie dann wert? Keine Vorleistung ist nötig meinerseits? Keine "Anzahlung"? Ich muss nichts tun, um sie mir zu verdienen?

Und ich dachte doch: Gottes Gnade ist Belohnung - Belohnung für ein gutes anständiges Leben, Belohnung, dass ich Gottes Gebote so einigermaßen gehalten habe und immer in die Kirche gegangen bin. Ja, wenn das so einfach ist mit der Gnade, warum habe ich mich dann so angestrengt?

Martin Luther hat diese Einfachheit neu entdeckt. Keine christliche Kirche kommt mehr an dieser Entdeckung vorbei. Als junger Mann war Luther geplagt von der Angst vor der Hölle, vor dem Scheitern. Er fürchtete, vor Gott alles falsch zu machen, ihm nie zu genügen und ihn nicht zufrieden stellen zu können: Wie bekomme ich einen gnädigen Gott? Das war die große Frage, die ihn umtrieb. Seine Entdeckung: Gnade ist umsonst. Gott verschenkt sie großzügig - nicht, weil wir so umwerfend toll sind, sondern weil Er so gut ist! Gnade ist nicht Belohnung für gute Christen und andere Menschen. Gnade ist nicht Belohnung, sondern Voraussetzung von allem.

Vielleicht kann man die Liebe einer Mutter als Bild dafür nehmen. Kann man sich eine gute Mutter vorstellen, die ihr Kind nur liebt, wenn es brav ist, immer herzig strahlt, den Teller leer isst und keine Widerworte gibt? Wird sie nicht von vornherein ihr Kind lieben, voraussetzungslos, bedingungslos, eben weil es ihr Kind ist, auch wenn es sich nicht immer nach Wunsch verhält? So ähnlich ist Gnade in unser Menschsein hineingelegt, ist Grundlage, Basis des Lebens! Das große Ja Gottes, an dem unser Leben hängt wie an einem Bilderhaken!

Jesus hat diese überfließende Gnade Gottes verschwenderisch ausgeteilt, er hat nie kleinlich gerechnet. Die Hochzeit von Kana mit Hunderten von Litern besten Weins oder die Brotvermehrung - Tausende werden satt - sind zwei Beispiele dafür. Wer an seinem Tisch mitsitzen will, muss keinen Eintritt bezahlen - null Euro! Noch nicht mal Kirchensteuer! Umsonst habt ihr empfangen, sagt Jesus. Aber er fügt hinzu: Umsonst sollt ihr geben! Er sagt das bei der Aussendung seiner Jünger. Sie waren die Zeugen der göttlichen Großzügigkeit und werden nun in die Ernte geschickt. In die weite Welt. Was sollen sie mitnehmen? Nicht viel. Fast nichts. Aber eines ganz sicher: Vertrauen in den, der nicht aufhört zu geben. Vertrauen in eine Kraft, die wir nicht abrufbar zur Verfügung haben, sondern - gratis - immer neu empfangen. Vertrauen, den Kern des Glaubens.

Wer ständig etwas empfängt, kann sich daran gewöhnen. Er merkt es dann gar nicht mehr. Er hat es abgehakt. Das könnte die Gefahr sein, die in unserem routinierten Christsein steckt. Wer ständig etwas empfängt, kann aber auch dankbar bleiben. Jede Messe, jede Eucharistie ist eine Dankfeier für die Gratisgabe Gottes. Und es ist wunderschön christlich, wenn wir aus großer Dankbarkeit handeln für das, was wir empfangen. Das könnte das zentrale Motiv sein, um Gutes zu tun. Also nicht: Angst vor Bestrafung - im Diesseits oder Jenseits. Also nicht: Pluspunkte sammeln. Suche nach Belohnung. Also nicht: Vor Gott gut dastehen müssen. Also nicht: Leistung und Pflicht. Sondern: Dankbarkeit. Oder: Wie Gott zu mir – so ich zu dir. Gratis. Niemals gnadenlos. Dankbar, weil erlöst. Und froh. Darum steht auf dem Null-Euro-Geldschein noch ein weiterer Satz von Luther: So viel Glauben du hast, so viel Lachen hast du.

Sehr schön hat das Hanns Dieter Hüsch in einem Lied auf den Punkt gebracht:

Ich bin vergnügt, erlöst, befreit.
Gott nahm in seine Hände meine Zeit,
mein Fühlen, Denken, Hören, Sagen,
mein Triumphieren und Verzagen,
das Elend und die Zärtlichkeit.

Was macht, dass ich so fröhlich bin
in meinem kleinen Reich?
Ich sing und tanze her und hin
vom Kindbett bis zur Leich.

Was macht, dass ich so furchtlos bin
an vielen dunklen Tagen?
Es kommt ein Geist in meinen Sinn,
will mich durchs Leben tragen.

Was macht, dass ich so unbeschwert
und mich kein Trübsinn hält?
Weil mich mein Gott das Lachen lehrt
wohl über alle Welt.

Ja, danke Gott, für dieses unablässig ausgeteilte Umsonst.