Kirche von unten

Predigt am Gründonnerstag 13.04.2017

Am Gründonnerstag werden in vielen Kirchen Füße gewaschen - wenn man denn Leute findet, die zur Fußwaschung bereit sind! Papst Franziskus geht diesmal in das Hochsicherheitsgefängnis Poliano bei Rom. Strafgefangene mit langer Haftzeit hat er da um sich - oder besser: über sich. Es wird anstrengend für ihn: zwölf Mal runter auf die Knie, die auch nicht mehr so richtig wollen. Zwölf Mal ganz auf den Boden. Zwölf Mal ganz nach unten. Kirche von unten. Kirche, die nicht "von oben herab" predigt und belehrt und vorschreibt. Vielmehr Kirche, die "von unten herauf" aufschaut zu den Menschen. Die ein Zeichen setzt. Die anderen die Füße wäscht. Nicht den Kopf.

Zwölf Mal runter auf die Knie: das ist für ältere Priester, inclusive dem Papst, körperlich mühsam. Aber das ist auch geistig und psychisch schwierig. Priester und allemal der Papst sind in der Regel in einer Leitungsfunktion. Und Ältere sind das schon lange und haben sich daran gewöhnt: sie sehen sich eher "oben", nicht "unten". Fast immer sitzen sie "in der ersten Reihe". Manche lassen sich auch ganz gern "hofieren"!

Und jetzt das: Fußwaschung. In den Zeiten Jesu war das Sklavenarbeit. In den staubigen Straßen von damals auf jeden Fall Drecksarbeit! Hier und heute, in unseren Kirchen, haben wir es mit Füßen zu tun, die eigentlich keine Säuberung und Waschung brauchen. Aber was wir alle brauchen können - jeder und jede Gläubige, jeder Priester, Bischof und Papst - ist die Erinnerung, die in der Fußwaschung steckt. Erinnert euch an Jesus, so sagt dieser Brauch ganz direkt und unverblümt. Dieser Jesus hat seinen Jüngern die Füße gewaschen. Er, der "Chef". Er, der Sohn Gottes, macht die Drecksarbeit.

So ist das Ganze jetzt keine nette liturgische Spielerei, sondern eine Herausforderung. Sie spricht für sich selber. Man kann sie unmittelbar verstehen. Mir, dem Priester mit der Wasserkanne, sagt sie: Auch wenn du normalerweise kaum noch eine Kniebeuge richtig hinkriegst, geh auf die Knie vor den Leuten. In ihnen steckt Gott. In ihnen begegnet dir Gott. In ihnen wirkt Gott. Und wenn du da am Boden auf den Knien bist, schau auf zu ihnen. Schau niemals runter zu Menschen. Gleiche Augenhöhe ist gut. Aber einmal vom Boden her zu schauen ist auch gut. Es ist die Blickrichtung Jesu. Es ist die Blickrichtung der Liebe. Sie hat nichts Herablassendes. Sie schaut immer auf, auf zu Gott, auf zu den Menschen, und gibt ihnen so die Würde. Anders gesagt: Die Liebe ist "im Dienst". Sie dient Gott und dem Nächsten. So hat es Jesus getan. So sollen wir es tun. Die Herausforderung für einen Priester heißt: dass sein Amt nur sinnvoll ist als Dienst an Gott und den Menschen. Wir sind Diener. Nichts sonst. Bei meiner Primiz, meiner ersten Messe, predigte mein Heimatpfarrer noch deutlicher. Er zitierte Martin Luthers letzte Worte auf dem Sterbebett: Wir sind Bettler. Das ist wahr! Ja, das ist wahr. Aufs Ganze gesehen sind wir Bettler. Wir sind angewiesen. Wir haben unser Leben nicht selber in der Hand. Diener, Bettler, Kirche von unten: darum also die Fußwaschung.

Doch zur Fußwaschung in der Kirche gehören immer mindestens zwei. Auch die, die sich die Füße waschen lassen. Die finden sich kaum freiwillig. Man muss immer sanften Druck und Überzeugungskünste einsetzen, damit man zwölf zusammenbekommt, wie damals bei Jesus. Dieses Sich-Sträuben findet sich übrigens auch bei Petrus: Nein, niemals sollst du mir die Füße waschen! Petrus will auch nicht. Das hängt mit seinem Gottes- und Jesusbild zusammen: Du doch nicht! Du bist doch der Herr! Du bist doch "oben"! Da kannst du doch nicht so tief "unten" sein! Wie so oft hat Petrus nichts verstanden. Er muss sich die kritischen Worte Jesu anhören: Wenn ich dich nicht wasche, hast du keinen Anteil an mir! Es ist gut, wenn wir das auch für uns selbst mithören. Man muss sich den Dienst Jesu gefallen lassen. Den Dienst an unseren Herzen und an unseren Seelen. Aber eben auch den Dienst an unseren Füßen. Ist das unser Problem: den Dienst des Herrn erst mal anzunehmen? Denken wir, dass Christsein vor allem in unserem Tun besteht? Trauen wir Gott ein Tun an uns überhaupt noch zu?

Ein Beispiel habe ich euch gegeben, sagt Jesus. Auch ihr sollt so handeln, wie ich an euch gehandelt habe. Ja, tun wir das. Übersetzen wir das Zeichen "Fußwaschung" in unser Alltagsleben. In Formen der Aufmerksamkeit, der Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft. Aber nehmen wir es jetzt hier im Gottesdienst ganz wörtlich, ganz buchstäblich. So wie Jesus es damals getan hat. Er tat es an zwölf Jüngern. Er wird, hoffe ich, auch hier und jetzt zwölf Jünger und Jüngerinnen finden.