Salz der Erde

Predigt am 05.02.2017

Ihr seid das Salz der Erde, sagt Jesus.
Ihr Jünger, ihr Christen.
Er hat nicht gesagt:
Ihr seid der Honig der Welt.
Und nicht: Ihr seid das Opium des Volkes.
Und auch nicht: Ihr seid das Sahnehäubchen auf der Torte.
Ihr seid nicht dazu da
die manchmal sehr bittere Pille "Leben“ zu versüßen.
Ihr seid nicht da
zum Vernebeln, Betäuben, Verzieren, Einlullen.
Ihr seid da
zum Würzen.

Liebe Schwestern und Brüder, was macht der Glaube mit uns? Was gibt er uns?

Ich spreche mit einem Brautpaar. Sie wollen in der Kirche heiraten. Das ist so feier-lich, sagt die Braut. Diese Stimmung! Da kommt kein Standesamt mit. Die Orgel und die Sängerin. Die Kinder, die Blümchen streuen. Einfach alles. Das ganze Event! Da kriegst du richtig eine Gänsehaut!
Ich feiere gerne Hochzeiten mit. Auch mit solchermaßen romantischen Bräuten. Auch mit der Gefahr, dass das alles nur als "Sahnehäubchen" bei den Leuten ankommt. Als "Gänsehaut" bei einem festlichen Event – in der Kirche.
Ich kann nicht ausschließen - und hoffe, dass die Braut trotzdem "von Gott berührt wird". Dass Gottes Liebe ihre Liebe stärkt. Dass eine gute Ehe beginnt. Dass die Hochzeit, um mit Jesus zu sprechen, nicht nur den Honigtopf und die Sahnesprühdose bereithält, sondern mehr noch das Salzfass. Damit die richtige Würze ins eheliche Leben kommt.

Ich hatte in den letzten Tagen viel mit einem jungen Flüchtling aus Eritrea zu tun. Er soll abgeschoben werden nach Italien. Bei dieser Aussicht geriet er in Panik. Lieber tot als nach Italien, rief er. Dort hatte sein Flüchtlingsleben in Europa begonnen. Er hat nicht das Italien der Touristen kennen gelernt: Michelangelo, Aperol und Latte macchiato. Er hat das Italien vieler Flüchtlinge erlebt: obdachlos, auf der Straße, nicht mal Geld, um das Handy aufzuladen. Das Wort, das er am häufigsten in Italien gehört hat, war vai via – hau ab, zieh Leine! Lieber tot als nach Italien – für einen Flüchtling nicht ganz unverständlich! Ich habe dann für ihn mit dem Ausländeramt verhandelt. Trotz einiger günstiger Erleichterungen: die Abschiebung steht fest. Ich hatte große Bauchschmerzen, ihm das mitzuteilen. Ich fürchtete, er würde zusammenklappen, wie vorher in eine depressive Starre fallen. Aber es war anders: er hörte erstaunlich ruhig zu, er akzeptierte, und schließlich sagte er: "Ja, dann gehe ich wohl, es ist wohl der Wille Gottes. Gott ist auch in Italien, nicht nur in Deutschland!"
Sie werden verstehen, wie überrascht ich war. Ein solches Gottvertrauen bei einem 23jährigen! Eine Zuversicht, die ihm hilft, einen so schweren Weg zu gehen! Das ist die Würze, die Stärke, das ist das, was der Glaube mit uns machen kann: sich wie Abraham, der Vater des Glaubens, in die Dunkelheit zu trauen, ins Unbekannte und wahrscheinlich Schwere. Und da ist kein Navi für diesen Weg. Kompass, so heißt es in einem Abrahamslied, Kompass ist das Gotteswort. Kompass ist das Vertrauen in Ihn.

Wir finden das Wort vom Salz der Erde und vom Licht der Welt in der Bergpredigt. Die Bergpredigt, dieses Herzstück des Evangeliums, atmet dieses Vertrauen: das Vertrauen in Gott und das Vertrauen in die Menschen. Und darum kann Jesus sagen: Ihr seid das Salz der Erde! Jesus traut das seinen Jüngern und uns Christen zu: Ihr seid das schon! Und nicht bloß: Ihr sollt das sein! Ihr müsst das sein! Seid also durchaus selbstbewusst, ihr habt einen großartigen Auftrag!

Salz will ausgestreut und vermischt werden. Es wirkt, indem es sich verschwendet. Es würzt, es gibt den rechten Geschmack, es verhindert Fäulnis. Bliebe es immer im Salzstreuer, dann wäre es nutzlos und überflüssig. Wenn das Salz seinen Geschmack verliert, womit kann man es wieder salzig machen? Ist das der Zustand der Christenheit heute: Salzloses Salz? Und damit kraftlos und eigentlich überflüssig? Denn das ist doch unser Auftrag: Salz in der Suppe zu sein, in der oft so faden Suppe des Lebens. Salz in der Stadt Lüdenscheid zu sein. Das Leben unserer Stadt zu "würzen" mit Glaube, mit Hoffnung, mit Liebe. Dem Leerlauf, der Langeweile, dem "jeder für sich", jeder kreist nur um sich selber, dem Egoismus und der Einsamkeit etwas entgegenzusetzen. Das Salz nicht zu horten und zu bunkern, sondern aus dem Streuer herauszulassen. Es ist nicht mein Salz. Es ist Gottes Salz in uns, seine Gabe. Seine Gabe ist immer auch für die anderen.

Ich schließe mit dem Gebet einer Frau, die um das "Salz" bittet:
Herr, oft bin ich ganz mutlos und müde, ohne Kraft. Oft habe ich Angst vor der Zukunft und vor den riesigen Problemen unserer Zeit. Ich kann nichts tun, nichts ändern.
Du aber sagst mir: Fürchte dich nicht! Nimm das Wenige, was du hast, und teile es mit anderen. Setz dein bisschen Kraft ein, deine Zeit, dein Gebet, deine Liebe. Und das Wenige wird wachsen. Die Freude wird wachsen. Das Wenige, das du gibst und das du tust, werde ich in Segen verwandeln.
Herr, ich will auf dich vertrauen und mit deiner Hilfe rechnen. Täglich. Und darum will ich das Mögliche tun und das Unmögliche dir überlassen. Und so Salz der Erde sein.